California Fuzzin‘

Test: Danelectro Nichols 1966

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(Bild: Dieter Stork)

1966 erschien das Album „If You Can Believe Your Eyes and Ears” von The Mamas and the Papas mit dem Welthit „California Dreamin”. Nur wenige Kilometer von dem Studio entfernt, in dem der Song entstand, träumte ein junger Bastler namens Steve Ridinger seinen eigenen kalifornischen Traum und kreierte ein erstes Fuzz für seine Marke FOXX Pedals – fast sechzig Jahre später lässt Danelectro es nun als „Nichols 1966″ wieder aufleben.

Heute gehört die Marke Danelectro niemand anderem als – Steve Ridinger. Er hat sie 1998 nach vielen wirtschaftlichen Abenteuern wieder zum Leben erweckt. Da liegt es nahe, dass auch seine Pedal-Designs irgendwann wieder auf der Arbeitsliste standen. Doch Informationen über „The Liverpool Fuzz Tone”, wie er sein erstes Werk genannt hatte, waren nicht zu bekommen.

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Schließlich gelang es, die Schaltung anhand von Fotos der alten Platinen zu rekonstruieren – und im Rahmen der vor einigen Jahren gestarteten Vintage-Pedals-Serie von Danelectro wieder anzubieten. Der Name „Nichols” wurde gewählt, weil Ridinger in den 1960er Jahren im Nichols Canyon in der Nähe von Hollywood lebte und das Pedal dort in seiner Garage entstand.

PEDAL RELICING

Das Nichols 1966 ist grob dem Genre „Fuzz” zuzuordnen. Es kommt sehr gut verpackt und mit einem kleinen Büchlein, in dem Steve Ridinger seinen Lebenslauf selbst aufgeschrieben hat – Englischkenntnisse vorausgesetzt, hat man da gleich auch eine unterhaltsame Lektüre fürs Nachtkästchen. Das Pedal selbst hat, wie alle Vertreter der Vintage-Pedals-Serie, in etwa die bekannten MXR-Standardmaße.

Alle Anschlüsse (In/Out, 9V DC Strom) befinden sich stirnseitig – sehr löblich, so spart man viel Platz auf dem Pedalboard. Wie seine Geschwister wirkt das Nichols 1966 wie ein Apparat aus längst vergangenen Zeiten – ähnlich wie so manche Gitarre ist es quasi künstlich „gealtert”. Folgende Regler dienen der Einstellung des gewünschten Sounds: „Fuzz” blendet eben dieses in den Soundkanal; „Drive” ist ein damit interagierender Regler, der sich eher wie ein Boost verhält, dabei aber selbst etwas „Haar” auf dem Ton wachsen lassen kann.

Links unten befindet sich noch eine Tonblende, rechts lässt sich mit „Volume” die Gesamtlautstärke anpassen. Unity Gain (also die selbe Lautstärke wie reingespielt) liegt bei etwa elf Uhr. Damit ist das Pedal schon mal nicht so schwachbrüstig wie manches (Vintage-)Fuzzpedal. Unter der Haube tuckern in dem laut Danelectro einzigartigen Schaltkreis drei Transistoren.

Unter den Reglern befindet sich ein kleiner Toggleswitch – „Stock/Mid Cut”. Mit ihm lassen sich rechts die Mitten etwas rausnehmen, was ein etwas dünneres Klangbild ergibt, dazu gleich noch mehr. Damit die Interaktivität von Fuzz und Drive niemanden überfordert, bietet das kleine Handbuch einige Beispiele, die bei der Orientierung helfen.

(Bild: Dieter Stork)

HAARE IM KLETTVERSCHLUSS

Schalten wir das gute Stück mal ein. Mit beiden „Schmutz”-Reglern etwa bei neun Uhr ertönt ein sehr transparenter, kräftiger Sound, mit einem noch geringen Level an „Haar”. Und nun lässt sich mit Fuzz und Drive jeder erdenkliche Grad an „Bewuchs” im Ton einstellen – vom Drei-Tage-Bart bis zur wilden Hippie-Kommunen-Matte.

Das Soundgeschehen erinnert mich dabei am ehesten an einen Tonebender, vor allem das Fuzz. Drive agiert eher wie ein Boost. Dreht man Fuzz komplett raus und Drive voll auf, erhält man einen crunchigen Sound, ideal für Americana-Songbegleitung, wenn man nicht mehr ganz clean unterwegs sein möchte. Gibt man nun Fuzz dazu, schleicht sich eine typische fisselige Note mit in den Sound, die – ab ungefähr zwölf Uhr – dann Klettverschluss-Qualitäten zeigt. „Haare im Klettverschluss”, wenn man so will.

Ein sahniger Lead-Sound mit viel Sustain lässt sich aus dem Nichols 1966 rausholen, wenn man beide Regler – Fuzz+Drive – voll aufdreht. Das hätte David Gilmour in seiner „Dark Side of the Moon”-Phase happy gemacht. Dreht man Fuzz wieder etwas raus, so auf zwölf Uhr zurück, bleibt erfreulicherweise das Sustain schön erhalten, lediglich das gefühlte Gain-Level reduziert sich, der Lead-Sound wird „cleaner”.

An dieser Stelle lässt es sich schon ahnen: In dem Teil stecken unglaublich viele Sounds. Rhythm-Bretter von zart bis hart, von Proto-Distortion wie bei „Your Really Got Me” bis „In-A-Gadda-Da-Vida”, von mir aus auch bis zu Dinosaur Jr. und den Smashing Pumpkins – da ist so gut wie alles drin. Nur wer absolut tightes, hartes Attack im Anschlag für gedämpfte Achtel braucht, ist mit dem Nichols 1966 falsch beraten – eine leicht wollige Note ist immer mit dabei, für den ganz harten „Knack” im Bass ist es nicht geeignet.

Übrigens wird man den Ton-Regler bei diesem Pedal auf jeden Fall bemühen, denn in Mittelstellung ist es fast ein bisschen zu „dunkel” – wer mehr Aggression braucht, geht auf drei Uhr am Regler, giftig wird es dennoch nicht. Wer nun doch die fiesen Fuzz-Lead-Sounds à la Ennio Morricone Soundtracks oder „Schulmädchenreport” braucht, kann den Mid Cut bemühen – der Sound wird sofort dünner und heller. Dann den Fuzzregler voll auf, Lautstärke einstellen und fertig ist die Hippie-Säge.

(Bild: Dieter Stork)

GEHEIMTIPP FÜRS STUDIO

Ach, tut das gut – das Nichols 1966 ist wirklich mal was anderes als der ewige Fuzz-Einheitsbrei. Allein die Abstimmung von Fuzz und Drive bietet so viele Möglichkeiten – und jede klingt gut! Mit dem kleinen Stock/Mid-Cut-Schalter erweitert sich die Vielseitigkeit nochmal enorm.

Die vielen möglichen Sounds lassen das Nichols 1966 für mich fast wie einen Geheimtipp fürs Studio wirken – es sei denn, jemand dreht gerne zwischen Songs (oder gar im Song?) an den Reglern seiner Pedals. Denn wer aus dem Nichols 1966 nur einen permanenten Sound rausholt, verschenkt seine Möglichkeiten. Aber wir halten es mit Wilhelm Busch: Erlaubt ist, was beliebt. Der nicht gerade knappe Preis geht angesichts der vielen Möglichkeiten des Pedals dann auch in Ordnung.

Plus
● Toller Klang
● Verarbeitung
● Konzept

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2024)

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