Modern Mainstream

Test: Cream-T Polaris

Anzeige
(Bild: Dieter Stork)

Der gebürtige Norweger Thomas Nilsen hat sich mit der von ihm gegründete Firma Cream-T in England einen hervorragenden Ruf durch authentische Nachbauten legendärer Pickups erworben. Warum dann also nicht auch gleich noch die passenden High-End-Solidbodies dazu fertigen?

Nilson hat das von ihm groß und erfolgreich gemachte Unternehmen unlängst verlassen, um sich wieder mehr der maßgeschneiderten Pickup-Produktion zu widmen. Cream-T fertigt weiterhin die von Thomas entworfenen Pickups, hat das Programm aber auch noch um eine Reihe elektrischer Gitarren erweitert, „hand-built in The United Kingdom“.

Anzeige

DOUBLE CUT AMBITION

Das Modell Polaris lässt sich einordnen in die Reihe populärer Double Cutaway Electrics. Modellvarianten, welche allesamt Leo Fenders ikonischen Stratocaster-Entwurf in ihrer Genetik tragen. Bei der vorliegenden Polaris haben wir es mit einer besonderen Ausführung mit Hardtail Bridge (gibt es selbstredend auch mit Tremolo) und zwei Humbuckern inklusive Single-Coil-Schaltebene zu tun.

Überdies ist auch noch ein Pickup Swapping System installiert, das mit wenigen Handgriffen einen Austausch der Pickups erlaubt. Näheres zu dieser interessanten Option, hier nicht Thema des Tests, ist im Artikel über das Cream-T Aurora-Modell von Michael Dommers in der G&B-Ausgabe 11/2022 zu lesen.

Die Basics: Als Material für den 4,4 cm starken Body kam mit Polyurethan deckend schwarz lackierte Obeche (Abachi, afrikanisches Malvengewächs) mit einer aufgesetzten Decke aus Ahorn (Quilted Maple) in Sirius Blue zum Einsatz. Obeche ist ein leichtes, eng gemasertes Holz von guter Straffheit und Stärke, weshalb es etwa auch für den Rahmenbau bei Rennbooten (Hydroplanes) genutzt wird.

Bis auf den Bereich der Armauflage wurde die Decke plan belassen. Optisch effektiv gerahmt ist das Top durch ein umlaufendes Fake Binding. Drehen wir das Instrument, so fallen uns neben der weit geschnittenen Anlagebucht die großzügig in den Korpus geschnittenen Öffnungen für die Pickups ins Auge.

Die durchstochene Korpusmitte gibt nicht nur den Blick auf die Rückseiten der montierten Humbucker frei, sondern auch auf Halterungen für einen schnellen Wechsel der Pickups. Da Pickups und Steuerung beim vorliegenden Modell nicht auf ein Pickguard montiert sind, finden wir Zugriff auf die Elektrik über ein vom Boden zugängliches Elektrofach.

(Bild: Dieter Stork)

Der angenehm griffig matt versiegelte Hals aus geröstetem Ahorn (roasted Flame Maple) ist in den Korpus geschraubt. Die vordere, leicht angeschnittene Korpuspartie wurde zusammen mit dem Halsfuß in geschmeidiger Linienführung ins untere Cutaway geführt. Die vier Schrauben sind demgemäß auf der daran angepassten Halsplatte versetzt angeordnet.

Die 22 medium-Bünde im Griffbrett aus Palisander erweisen sich mit höchst akkurat abgefasten Kanten als sorgfältig verarbeitet. Dots markieren die Lagen. Am letzten Bund erlaubt ein Spoke Wheel spontanen Zugriff auf den Halsstab. Auf der pointiert gestalteten Kopfplatte sorgen Locking Tuner für verlässliche Stimmung. Eine Fixed Bridge mit einzelnen, individuell justierbaren Reitern kontert die Saiten in Strings-thru-body-Manier.

(Bild: Dieter Stork)

Zwei Cream-T Humbucker in Hals- und Stegposition stehen in Verbindung mit einem 6-Way-Toggle-Switch mit Kippfunktion, der die Pickups in zwei Ebenen als Humbucker oder Single Coils schaltet und generellen Volume- und Tone-Reglern. Der kleine Schalter zwischen den Potis dient als Kill Switch. Im E-Fach finden wir unter dem mit Kupferfolie isolierten Deckel ordentlich verarbeitet CTS 500K Pots und einen Cream T Oil & Paper Cap. Die Polaris kam perfekt eingestellt zum Test. Geliefert wird sie in einem Deluxe Softcase.

CREME DE LA CREME

Dem cremigen Firmennamen will man bei Cream-T nicht nur durch die entsprechend sahnige Tonwandlung seiner Pickups sondern auch mit besonders geschmeidigen Electrics gerecht werden. Der Anspruch wird bei letzteren durch exzellente Spieleigenschaften auch mühelos erfüllt.

Die zum Test vorliegende, wunderbar resonanzstarke und erfreulich leichtgewichtige Gitarre (2,9 kg) liegt perfekt an und der fluffig profilierte, dazu bestens ausgerichtete Hals ist mit tief gehaltener Saitenlage, glanzpolierten Bünden im aufsteigend flacher werdenden Griffbrett mit Compound Radius und samtigem Griff einfach ein Gedicht.

Klanglich bewegen wir uns im Bereich von Leichtigkeit und Schnellkraft. Der Ton reagiert unmittelbar und akzentuiert auf den Anschlag, Akkorde springen klar durchzeichnet und vital vom Griffbrett. Nicht der kraftvolle Tritt in den Unterbauch einer fetten Les Paul ist hier Thema, eher mag man da schon die bewegliche Eleganz eines Turnierpferdes ins Spiel bringen. Auch über Tonfestigkeit und Schwingverhalten gibt es nur Bestes zu berichten.

(Bild: Dieter Stork)

Hören wir nun aber mal, was die Gitarre mit ihren recht gegensätzlich ausgelegten Polaris Humbuckern – 9,5 kOhm am Hals und 16,5 kOhm am Steg – über den Amp zu sagen hat:

In der Humbucker-Ebene (Kippschalter in Außenstellung) kommt der Hals-Pickup mit sattem Volumen, aber guter Durchsicht und harmonischem Ausdruck ans Ohr. Schön gestaffelt in stimmlicher Transparenz lassen sich Akkorde aufrufen. Nach markant herausgestelltem Anschlag federt der Ton spontan in Position, lässt sich dynamisch gestalten.

Eigenschaften, die im Overdrive nochmals deutlicher herausgestellt werden. Untenrum sorgen Powerquinten dann für gehörig Alarm, aber in Zerre kann Polaris über diesen Pickup auch mit ausdrucksstarker Stimme singen. Tonale Eleganz und enorme Standfestigkeit unterstützen dabei.

Der Humbucker in der Stegposition kneift die Backen dagegen deutlich stärker zusammen. Obwohl mit gut runden Höhen gesegnet, zeichnet ihn eine deutlich gesteigerte Mittenkompression aus, was zusammen mit dem zurückhaltenden Basstransport ein schmackiges Tonverhalten offeriert. Funky und leicht knochig ist flexibles Comping bei cleanem Amp angesagt.

Die Akkorde kommen kompakt und präzise. Schön und gut, aber eigentlich wartet dieser Steg-Humbucker doch nur auf den Feuerbefehl. Gimme Gain scheint er zu rufen und lässt man ihm den Willen, so feuert der im Zerrkanal auch gleich aus allen Rohren. Zu martialisch ausgedrückt? Werden wir wieder sachlich: bemerkenswert straff und kraftvoll drückend lassen sich über diesen höher gewickelten Pickup Powerchords realisieren, dynamisch und anschlagssensibel reagiert die Polaris auf das Plektrum.

Gehaltene Noten entwickeln langen Atem mit starker Obertonentfaltung und schnelles Linienspiel setzt dieser Humbucker mit scharfem Anriss absolut konturstark um – eine Macht! Wechseln wir auf die Single-Coil-Ebene (Kippschalter nach innen), so ändert sich das Tonambiente natürlich deutlich. Der Coil Split kommt in der Abteilung Clean mit ausgesprochen kehligen Sounds von tendenziellem Strat-Appeal ans Ohr.

In der Halsposition sorgt der halbierte Tonabnehmer für drahtige Stringenz mit guter Klangfarbe, am Steg kommt er uns dann zwar recht twangy, aber auch kaum weniger intensiv im Ausdruck. Erstaunlich! Schön dann auch noch der Spagat von Hals- und Steg-Pickup.

Vor allem im Overdrive differenziert sich das Klanggeschehen dann eher klangfarblich, ist in dieser Schaltebene den Humbucker- Sounds aber kaum unterlegen. Weniger haben wir einen dynamischen Verlust hinzunehmen, als dass zwei Sounds auf Augenhöhe zur Verfügung stehen, was tatsächlich selten ist bei Coil Splits. Mit schnellem Griff lässt sich also das Ambiente ändern.

Was für eine erfreuliche Erweiterung des Klangrepertoires – diese Pickups sind nicht weniger als großartig! Das noch: Der bestens platzierte und satt laufende Volume-Regler lädt ein zum stufenlosen Einblenden der angeschlagenen Note (Violining) mit dem kleinen Finger der rechten Hand. Beim nützlichen Kill Switch ist die Stummschaltung in Schaltstellung vorn angelegt, ein ungewolltes Totschweigen bei schwitziger Action ist damit ausgeschlossen.

Für Interessenten einer Polaris mit Pickup Swapping: ein präpariertes Set von Cream-T gibt es ab 319 Euro, eines von Seymour Duncan ab 349 Euro; die Platte zur Selbstumrüstung von Humbuckern kostet 50 Euro.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Die Pickups von Cream-T konnten bereits viele prominente Spieler von Bernie Marsden bis Billy Gibbons für sich einnehmen, aber auch mit seinen Gitarren sorgt der britische Hersteller für Glanzlichter – nicht zuletzt durch die Kooperation auch in dieser Hinsicht mit „Reverend“ Gibbons.

Ein angenehm leichtes und schwingfreudiges Instrument wie die Polaris, erst recht mit Pickup Swapping System, zeigt den europäischen Gitarrenbau auf der Höhe der Zeit. Aber auch abgesehen von diesem besonderen Bonus, überzeugt das Modell ganz ohne Frage mit famosen Spieleigenschaften, vor allem aber durch seine ungemein starke elektrische Performance.

Die harmonisch gerundete, höchst differenzierte, aber auch ungemein kraftvoll fokussierte Tonumsetzung schiebt an und inspiriert. Die auf einen Schalter gesetzte, parallel angelegte zweite Klangebene von ebenfalls bemerkenswert intensiven Single-Coil-Sounds macht das Instrument darüber hinaus auch noch ungemein flexibel. Mit der Polaris setzt Cream-T ein großes Ausrufungszeichen.

Wer sich für ein Instrument dieser Kategorie interessiert, sollte diese potenten Electric keinesfalls übersehen!

PLUS

● Design & Flexibilität
● Schwingfreude
● Cream-T Polaris Pickups
● parallel angelegte Schalt ebenen Humbucker/Single Coil
● charaktervolle Sounds
● Pickup Swapping Option
● Hals, Handhabung
● Verarbeitung

(erschienen in Gitarre & Bass 10/2024)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.