Doppelt klingt besser

Test: Crazy Tube Circuits Hi Power

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(Bild: Dieter Stork)

Der Boutique-Hersteller aus Griechenland hat mit dem Hi Power das mittlerweile dritte Duo aus Drive-Einheit und Amp-in-a-box im Programm. Diese spezielle Kombi richtet sich auf einer ersten Ebene vor allem an Fans von David Gilmour, doch sie liefert weit mehr als „nur“ dessen Ton.

Nach der Verbindung eines Blackface-Amps und eines Tube-Screamer-artigen Verzerrers im Modell „Crossfire“ und dem „Unobtanium“, das einen Dumble-Style-Verstärker mit einem Klon-inspirierten Pedal kombiniert, begibt sich das „Hi Power“ auf etwas weniger begangene Wege und bietet einen Hiwattbasierten Sound, der von einer Zerr-Einheit im Stile des Colorsound Power Boost angepustet werden kann – eine Kombi, die David Gilmour für die Aufnahmen von „The Dark Side Of The Moon“ (erschien 1973) verwendet hat, und die zu dieser Zeit das Zentrum seines Setups darstellte.

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Drei Dinge seien an dieser Stelle kurz angemerkt: Equipment-affine Pink-Floyd-Fans sollten sich für weitergehende Infos unbedingt das Buch „Alle Songs“ auf den Einkaufszettel schreiben, denn es liefert detaillierte Informationen zu den Instrumenten der Band auf jedem einzelnen Track, und das in Wort und Bild. Leider ist die deutschsprachige Ausgabe neu nur noch als Taschenbuch erhältlich.

Zweitens spielte Gilmour im Studio seinerzeit auch weitere Amps und Zerrpedale wie einen Twin Reverb oder ein Fuzz Face – was genau wo zu hören ist, weiß heute nicht mal mehr Alan Parsons, der die Aufnahmen damals als Toningenieur begleitet hat.

Und, am wichtigsten: Der Mann klingt immer grandios, egal mit welchem Equipment. Man sollte die ganze „Klinge wie dein Held“-Angelegenheit bei aller Hingabe also generell mit einer gewissen Distanz betrachten. Denn damit übersieht man leicht, dass das Hi Power weitere Optionen bietet – und dass der Ton zu großen Teilen aus den Fingern dieses Helden kommt.

Unabhängig von solchen Relativierungen haben wir es beim Hi Power mit einem runden Paket voller Möglichkeiten zu tun. Neben den klassischen Floyd-Sounds sind hier auch Klänge drin, die man eher mit dem anderen berühmten Hiwatt-Nutzer der frühen 1970er in Verbindung bringt: Pete Townshend von The Who. Auch wenn er meist ein anderes Modell als Gilmour verwendet hat (CP103 statt DR103), lassen sich mit dem Hi Power absolut auch heftig crunchende Rockriffs erzeugen.

Generell liefert das Pedal deutlich mehr Gain, als man sich vielleicht vorstellen mag – vor allem in der Kombination beider Hälften.

(Bild: Dieter Stork)

DER AMP

Der Reihe nach: Die Verstärker-Einheit sitzt links im Pedal und bietet mit Reglern für Volume, Master, Bass, Middle, Treble und Presence ein üppiges Paket an, das fast der Ausstattung des Vorbildes entspricht, dazu kommen zwei Mini-Schalter, die zwischen dem Verhalten einer 100-Watt-Version (Modell DR103) sowie einer 50-Watt-Ausführung (DR504) sowie dem belegten Input (Normal, Bright, Linked) wählen.

Die DR103-Variante liefert ein Plus an Headroom und Dynamik, beim 504 gibt es mehr Verzerrung und Kompression. Je nach Setting und Lautstärke schwankt die Veränderung zwischen gerade hörbar und ziemlich deutlich. Gravierender auf den Ton in jeder Poti-Lage wirkt sich die Wahl des Eingangs aus.

„Normal“ klingt voller und wird vom Hersteller für den Einsatz mit Singlecoil-Gitarren sowie externen Drive-Pedalen empfohlen, „Bright“ bietet sich mit seinem Mehr an Mitten und Höhen für dunkler klingende Humbucker-Modelle an. „Linked“ kombiniert beide Optionen.

Die einzige Einschränkung, die ob des kompakten Konzepts allerdings zu verkraften ist, ist das Fehlen eines zweiten Volume-Reglers, mit dem sich die Kanäle beim Original im Linked-Setting akkurat zusammenmixen lassen. Dennoch kommen wir dem Vorbild damit ziemlich nahe, denn David Gilmour hat seinerzeit bevorzugt Amps gespielt, deren Inputs per Modifikation gelinkt wurden.

DER BOOST

Auf der rechten Seite findet sich die Boost/Drive-Sektion mit vier Reglern und einem Mini-Schalter, die wie erwähnt dem Colorsound Power Boost nacheifert, doch auch hier haben die Macher ein paar Extras eingebaut: zum einen den Voicing-Toggle-Switch, der zwischen den Colorsound-Modellen Power Boost (mit 18-Volt-Versorgung der internen BC184-Transistoren) und „Overdriver“ (läuft mit 9 Volt) wechselt, sowie einen Master Volume, den die frühen Ausführungen nicht besaßen.

Auch hier gibt es also erhöhte Flexibilität und Optionen. Die Boost-Versionen unterscheiden sich vor allem durch den Headroom und somit den Schub, schon im Original war der Overdriver, der ab 1971 angeboten wurde, nichts anderes als ein umbenannter Power Boost.

Zu den Reglern Volume und Master gesellt sich ein 2-Band-EQ, insgesamt stellt das Hi Power also zehn Potis und drei Toggles zur Verfügung. Ein weiteres komfortables Feature ist ein Effektweg zwischen den beiden Einheiten, den man nicht nur zum Einschleifen von externen Pedalen nutzen kann, sondern auch, um beide Seiten getrennt zu verwenden.

(Bild: Dieter Stork)

 

DIE MÖGLICHKEITEN

… sind vielfältig. Ja, natürlich macht das Hi Power den Gilmour. Eine Strat in die Hand genommen, ein bisschen Raumatmosphäre hinzugefügt, und schon kann es losgehen mit der Reise in Richtung „The Dark Side of the Moon“. Bei cleaneren Settings unterscheiden sich die 50- und 100-Watt-Optionen kaum, erst wenn wir uns via Volume in Richtung angezerrt bewegen, werden die Differenzen nach und nach deutlich.

Der Ton kann dabei auf dem gesamten Spektrum des Regelwegs überzeugen. Dies gilt ebenso mit P90-Pickups sowie einer Les Paul Custom mit Humbuckern, die dann natürlich runder und kräftiger klingt und bei maximalem Volume-Pegel und mittig eingestellten EQ-Potis einen extrem angenehmen Crunch-Sound liefert, der wie erwähnt definitiv auch das Klangbild von The Who in den frühen 1970ern umfasst.

Dabei ist die Amp-Seite des Pedals alles andere als ein Gleichmacher, sie reagiert dynamisch auf den Input und lässt immer durchscheinen, was am Eingang anliegt. Über die Soundregler und -Minischalter kann der Ton dann feinfühlig an das Equipment und die Wunschvorstellungen angepasst werden. Für optimale Ergebnisse sollte man sich allerdings ein wenig Zeit nehmen – vor allem, wenn die Boost-Sektion ins Spiel kommt.

Hier fällt zunächst auf, dass sich die beiden Settings mit ihren unterschiedlichen Spannungen im Pegel unterscheiden – was jedoch nicht übermäßig ins Gewicht fällt, denn die Mini-Switches sind ja eher zur akkuraten Detailabstimmung als zur Soundumschaltung konzipiert. In der Kombination ist jetzt vieles möglich, das man sich nicht unbedingt unter Pink Floyd vorstellt.

Bringt man beide Seiten an ihre Zerrgrenzen, lassen sich in Kombination sogar fast Fuzz-artige Klänge erzeugen, die auch von frühen Black-Sabbath-Aufnahmen stammen könnten. Natürlich hat Tony Iommi nicht Hiwatt, sondern Laney und keinen Colorsound, sondern einen Dallas Rangemaster gespielt, aber es geht hier mehr um die Möglichkeiten, abseits der vom Hersteller besungenen Pfade.

Fazit: Von dezent bis beinahe derb ist mit dieser Kombi alles drin – David Gilmour hin, Pink Floyd her … Und noch ein großer Vorteil des Hi Power sollte in diesem Text nicht fehlen: Es ist bei weitem nicht so schwer wie ein DR103. Und es kann auch viel leiser.

RESÜMEE

Zunächst einmal ist das Hi Power ein wunderbares Doppelpedal, das als Kombipräparat einiges in petto hat. Neben den Gilmour-Sounds von „The Dark Side of the Moon“ (oder auch „Wish You Were Here“, denn dort kam überwiegend vergleichbares Equipment zum Einsatz) reichen seine Möglichkeiten auch so weit, dass sie andere Brit-Größen der 1970er wie Pete Townshend oder sogar Tony Iommi nachempfinden können – auch wenn deren Setup nicht unbedingt mit dem von Gilmour vergleichbar war.

Will sagen: Ja, das Hi Power wird gitarrespielende Pink-Floyd-Fans mit ziemlicher Sicherheit begeistern. Aber eben nicht nur die.

PLUS

● Soundqualität
● zwei Gerätetypen in einem Gehäuse
● zahlreiche Optionen
● kann nicht nur Gilmour

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2024)

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