Die 80er scheinen sich als „klassisches Jahrzehnt“ etabliert zu haben, aus dem genauso Inspiration für Reissues und Tributes geschöpft werden kann, wie aus den 50ern, 60ern, oder 70ern. Auch Charvel feierte seinerzeit große Erfolge, warum also nicht in der eigenen Firmengeschichte wildern?
Einer Firmengeschichte, die, wie man schon auf den ersten Blick sieht, auch damals schon eng mit der Firma Fender verknüpft war. Während aber ab Ende der 70er Instrumente im Fender-Stil mit zeitgemäßen Modifikationen verkauft wurden, ohne den Segen dafür zu haben, darf Charvel genau das als Teil des Fender-Konzerns jetzt tun.
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MYSTISCHES KARAMELL
Unschwer ist der Fender Precision Bass als Vorlage auszumachen, der auch schon für den originalen Charvel San Dimas Bass Pate stand. Klassisch aus Erle besteht der Korpus mit den vertrauten Kurven und Shapings. Für den Rippenspoiler nimmt Charvel das scharfe Fender-Shaping der Fünfziger zum Vorbild – bevor es bis in die Siebziger immer plumper wurde –, das untere Cutaway ist etwas tiefer, um den Zugang zu den letzten Bünden zu erleichtern. Ganz modern ist dagegen der Hals aus geröstetem Ahorn, Charvel nennt das „karamellisiert“. Das gilt auch für das aufgeleimte Griffbrett, in dem Dots oben und Luminlay-Punkte in der Flanke für Orientierung sorgen.
Mit 38 mm hat der Hals Jazz-Bass-Breite am Sattel, eine Mensur von 34 Zoll, und einen Compound-Radius, wobei diese abnehmende Griffbrettwölbung (von 12 Zoll am Sattel auf 16 Zoll am Halsende) ebenso für eine flotte Bespielbarkeit sorgen soll wie der Halsschnitt – dazu später mehr. Die Kopfplatte hat die amtliche Fender-Form und darf das, wie ein Aufkleber auf der Rückseite stolz verkündet.
Die generischen Mechaniken funktionieren ordentlich, für Andruck im Sattel sorgt ein Niederhalter für D- und G-Saite. Ich hätte auch nichts dagegen, den auf drei Saiten erweitert zu sehen, auch wenn beim Testbass die notorisch schwierige A-Saite so gewickelt ist, dass nichts rasselt. Eingefädelt werden die Saiten in der Fender-HiMass-Brücke, hier natürlich mit Charvel-Logo. Die ist die legitime Nachfolgerin der früher gerne zum Modden genommenen BadAss-Brücke. Hatte der von mir in Ausgabe 09/2021 getestete Fünfsaiter goldene Hardware, ist sie beim Vierer nüchtern in Chrom, was dem astrein in fein sparkelndem Mystic Blue lackierten Bass exzellent steht.
Ebenfalls schon beim ersten San-Dimas-Bass am Start waren DiMarzio-Pickups, damals wie heute in einer Reverse-P/J-Kombination. Die cremefarbenen Gehäuse unterstreichen den gemoddeten Eindruck und fügen sich farblich gut ein. Weder beim alten Charvel noch bei den damaligen Fender-Bässen gab es eine aktive Dreiband-Klangregelung, wie sie der Pro-Mod an Bord hat. Die ist in Betrieb, wenn der Volume-Regler gedrückt ist, gezogen funktioniert der Bass passiv und neben Volume ist dann nur der Balance-Regler zu nutzen.
Die nötige Stromversorgung liefert ein 9V-Block, die Klappe des Batteriefachs ist ohne Werkzeug zu öffnen, die Batterie wird einfach ins Fach gedrückt ohne lästigen Clip. Ein Blick ins E-Fach zeigt, wie so oft, gefühlt einen Kilometer Kabel, den man sich hätte sparen können. Die Verlötung ist aber sauber gemacht. Die eigentliche Elektronik sitzt auf einer Platine und ist eine andere als im Fünfsaiter. Hier fehlt das Trimpoti zum Angleichen von aktiv zu passiv. Wie beim Fünfer ist der E-Fach Deckel innen mit leitender Folie beklebt, das E-Fach mit nach Abschirmlack aussehender Farbe geschwärzt – die aber nicht leitet. Das geht besser … Also wieder zugeschraubt und ab zum Praxistest.
TIEFERZULEGEN
Mit einem Gurt an den großen, konventionellen Gurtpins hängt der Charvel mit einem leichten, beherrschbaren Drang in die Waagerechte, da schafft schon ein guter Gurt Abhilfe. Der „superthin bolt-on maple Charvel speed neck“ entpuppt sich tatsächlich als solcher und geht von einem Modern C auf ein flaches, flinkes D. Geröstete Hälse fassen sich für meinen persönlichen Geschmack großartig an, wie poliert, aber trotzdem warm und holzig. Dazu die gerundeten Griffbrettkanten, eine sehr akkurate Bundabrichtung, und eine gute Werkseinstellung: Es könnte perfekt sein.
Leider ist der Graph Tech Sattel sauber eingesetzt, aber nicht nachgekerbt. Dadurch spielt der Bass sich in den tiefen Lagen unnötig sperrig. Schade, da hat die Qualitätskontrolle gepennt und schiebt das Problem dem verkaufenden Ladengeschäft zu. Nicht wirklich hörbar und für mich auch nicht fühlbar, könnten die Kerben in den Saitenreitern etwas weiter auseinander sein, so würde die Griffbrettbreite besser ausgenutzt und die Saiten würden beim Stegabnehmer mittiger über die verstellbaren Poles laufen.
Auch mit geröstetem Hals und unterm Griffbrett eingelegten Graphitstäben zeigt der Pro-Mod ein klassisches Fender-Feature: Im sechsten Bund auf der G-Saite kippt der Ton schnell in Obertöne. Abgesehen davon ist die Ansprache knackig und gleichmäßig, was die DiMarzios mit ihrer bewährten Färbung weitergeben. Einstreuungen bleiben dabei außen vor, auch der Steg-Pickup ist als Humbucker gebaut. Entsprechend punchig kommt er rüber, der im Vergleich zum normal eingebauten P aufgeräumtere Halstonabnehmer klingt warm und rund, aber mit ordentlich Biss und Growl, wenn man härter reinlangt. Zusammen geben sie einen Ton mit ordentlichem Mitten- und Bassfundament ab, mit starker Höhenwiedergabe.
Schon passiv ergibt das eine gute Auswahl an Sounds, zumal der Balanceregler sehr feinfühlig arbeitet. Aktiv bleibt der Output gleich, minimales Rauschen gesellt sich zum Ton. Bei Boosts in Höhen oder Mitten nimmt das, voll aufgedreht, deutlich zu, soviel wird man in der Praxis aber kaum brauchen. Subtiler dosiert, machen alle drei Bänder eine gute Figur. Bassabsenkungen machen nur in homöopathischen Dosen Sinn, während der Höhenregler durchaus komplett zugedreht werden darf, ohne dass der Sound formlos wird. Wie eine gute, passive Höhenblende wird der Ton abgerundet. Interessanterweise mit einer anderen Wirkung als bei dem Fünfsaiter in der vorletzten Ausgabe, der tatsächlich eine andere Preamp-Platine verbaut hatte.
Bild: Dieter Stork
Bild: Dieter Stork
RESÜMEE
Auch als Viersaiter funktioniert die Kombination der alten San-Dimas-Vorlagen aus den 80ern, die ihrerseits auf den noch älteren Fender-Bässen fußen, mit modernen Attributen wie dem karamellisierten Hals und dem aktiven 3-Band-Equalizer. Die Optik in Mystic Blue mit der verchromten Hardware ist todschick, und auch die klanglichen Ergebnisse können sich hören lassen. Moderne Reverse-P/J Sounds hat der Pro-Mod in diversen Schattierungen auf Lager, vor allem im Rock- und Metal-Bereich kann man sich damit hören lassen. Einziger Wermutstropfen am Testinstrument ist die (Nicht-)Abrichtung des Sattels, was die Spielfreude hemmt. Antesten dennoch empfohlen!