Blackface-Essenz

Test: Captain Black Betty 1×12 Combo

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(Bild: Dieter Stork)

Neben Reinkarnationen alter Amp-Klassiker, authentischen Reproduktionen von Verstärkerlegenden und Modifikationen nach Kundenwünschen bietet der Captain Tube Amp Service auch eigene modifizierte Amp-Schaltungen und zahlreiche Optionen an.

Auf dem Prüfstand steht die (!) – der Captain legt Wert auf den femininen Artikel – Black Betty, und zwar in der Combo-Version. Selbstredend ist sie auch als Top erhältlich. Mit dem Anhängsel „Combo“ wird Black Betty dann wieder maskulin, sonst würde man hinter Black Betty Combo eher eine Band vermuten. Das wäre also schon mal geklärt …

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Der Black Betty Combo basiert auf dem mid-60s Fender Princeton Reverb Amp der Blackface-Ära. Allerdings hat der Captain ihm auch Schaltungsteile aus den Modellen Deluxe Reverb, Concert, Super Reverb und Bassman spendiert und das Ganze mit einem 12″-Speaker garniert. Somit bildet die Black Betty quasi die Essenz aus den Amps der Blackface-Reihe. Lieferbar ist sie wahlweise mit je zwei 6V6-Endröhren und 22 Watt Power oder, wie unser Test-Amp, mit zwei 6L6 und 35 Watt. Der Captain rät jedoch zur stärkeren Variante, da sich die Endlautstärke mit dem Master-Poti sehr gut regulieren lässt.

ZUTATEN

Im Grunde könnte man von einem extensiv gepimpten Princeton Reverb Amp sprechen. Im vorbildlich verarbeiteten massiven Piniengehäuse mit schwarzem Tolexbezug und klassischer Frontbespannung hausen ein mittels vier Gewindeschrauben, Muttern und Lock-Unterlegscheiben montierter Celestion-G12-ClassicLead-80-12-Zöller und am Boden das große TAD Typ4 Spring Reverb. Wie das verzahnte Gehäuse und der Federhall, kommen viele der High-End-Komponenten vom Zulieferer Tube Amp Doctor.

Auf Eckenschoner hat man verzichtet, nicht jedoch auf gummigedämpfte Metallfüße und einen großen komfortablen Tragegriff. Das Amp-Chassis aus Alublech lässt der Captain extern anfertigen. Es ist hängend montiert, daher werden die Vorstufenröhren mittels Alukappen, die Gleichrichter- und Endröhren von Sockelklammern gegen Herausfallen gesichert. Das fest installierte Netz- und die Braided-Shield-Kabel zum und vom Hallsystem sind mit Schellen fixiert, der Speaker-Anschluss, der einen der beiden Ausgänge belegt, lautsprecherseitig verlötet.

Die Chassis-Unterseite ist üppig mit Röhren, den Cinch-Anschlüssen des Federhalls, vier Trafos aus dem Hause Mercury Magnetics und einem geräuschlos arbeitenden, die Endröhren kühlenden 80-mm-Radiallüfter bestückt. Nicht weniger Platzmangel herrscht im Innern, wo ich auf eine große, mit hochwertigsten TAD-Komponenten handbestückte Platine treffe und die Schalter und Potis handverdrahtet wurden. Das erinnert ein wenig an die ersten Verstärker von Randall Smith, die später unter Mesa/Boogie bekannt wurden.

Kam der original Blackface Princeton Reverb Amp noch mit sechs Reglern aus, hat der Captain seiner Black Betty zusätzliche Middle- und Master-(Volume)-Potis sowie einen Dreiwege-Bright-Minischalter spendiert. Die hohe Qualität der verwendeten Bauteile wird schon beim Betätigen der Schalter, Drehen der Potis und Anschließen des Gitarrenkabels deutlich, weil sich alles sehr stabil und robust anfühlt.

(Bild: Dieter Stork)

Die Bedienfläche startet links mit den Inputs 1 (Hi) und 2 (Low), gefolgt von den Reglern Volume, Treble, Middle, Bass, Reverb, Speed, Intensity und Master. Zwischen den ersten beiden findet man den winzigen Bright-Schalter, dessen Höhenanhebung in Mittelposition inaktiv ist, nach rechts quasi Stufe 1 liefert, nach links Stufe 2, in Worten „Bright“ und „More Bright“. Reverb mischt dank paralleler Signalführung das Hall- dem Direktsignal zu, Speed und Intensity kontrollieren derweil den Tremolo-Effekt. Bei diesem hat sich der Captain bewusst für ein Bias- anstelle eines Optokoppler-Tremolos entschieden, weil es schöner und runder klingt.

(Bild: Dieter Stork)

Master(-Volume) bestimmt die Gesamtlautstärke unabhängig vom Verzerrungsgrad. Auf der Rückseite finden wir Main- und HT-Sicherungshalterungen, die Schalter Power und Standby, zwei parallel verdrahtete Speaker-Ausgänge und den TRS-Anschluss des zum Lieferumfang zählenden Fußschalters für Reverb und Tremolo, welcher übrigens mit wunderbar weich und geräuschfrei agierenden Switches bestückt ist.

Reverb ist klar, aber Vibrato oder Tremolo? (Bild: Dieter Stork)

Wie schon bei Fender üblich, ist dieser mit VIB(rato) und REV(erb) beschriftet, obwohl wir es hier de facto mit einem Tremolo-Effekt zu tun haben. Das hat der gute Leo bekanntlich konsequent verwechselt. Wie beim Original der 60er gibt es hier weder schalter- noch amp-seitig Status-LEDs.

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(Bild: Dieter Stork)

POWER ON, STANDBY ON

Ob man sich für Input 1 oder 2 entscheidet, hängt davon ab, wie viel Clean-Reserven gewünscht sind. Für weniger Zerre bieten sich eher output-arme Pickups oder/und Input 2 an, für heftigere Zerre heiße Pickups oder/und Input 1.

Vintage-style PAF-Humbucker entlocken dem Combo an Input 1 bei Volume-Setting 4 bereits leichtes Anzerren, auch als Breakups bezeichnet. Sollen die Pickups gleiches am zweiten Eingang bewirken, muss Volume auf 7 erhöht werden. Darüber hinaus nimmt die Verzerrung kontinuierlich zu und endet bei homogenem, gemäßigtem Crunch.

Drehe ich indes an Eingang 1 Volume ab 4 weiter auf, nimmt die Zerrintensität bis 7 kontinuierlich zu, vollzieht dann einen leichten Gain-Sprung, um danach bis 10 gleichmäßig zuzulegen und bei fettem, sahnigem Crunch mit Lead-Ambitionen zu enden. Um an Input 1 mit Vintage-Strat-Einspulern Breakups zu generieren, muss Volume auf etwa 7 eingestellt werden. Dennoch bleiben noch genügend Gain-Reserven, um der Black Betty lebendige, transparente, dynamische Rhythm-Crunchsounds zu entlocken.

Dreht man an Input 2 Volume voll auf, lassen sich mit denselben Singlecoils maximal Breakups erzeugen, die sich wunderbar für drahtig rockiges, ausdrucks- wie durchsetzungsstarkes Spiel empfehlen.

Die passive, interagierende 3-Band-Klangreglung (alle Regler auf Null = Amp stumm), zeigt hinreichende Wirkung. Schon das Start-Setting – alle drei Potis auf 5,5 – liefert beeindruckende praxisorientierte Ergebnisse, die sich effizient bearbeiten lassen. Bei hohen Treble- und Middle-Settings zeigt Bass nur noch marginale Wirkung. Ebenso nimmt die Effizienz von Treble und Bass und des Bright-Schalters mit zunehmender Volume/Gain-Einstellung ab.

Den Schaltkreis des Middle-Reglers hat der Captain so modifiziert, dass der typische Fender-Mid-Scoop aufgefüllt wird und so den angezerrten Sounds mehr Druck verleiht. Der Dreiweg-Bright-Schalter bewirkt eine zusätzliche Anhebung der oberen Frequenzen. Kippt man ihn nach rechts, werden wirkungsvoll Höhen angehoben, nach links sogar noch nachgelegt, was dem Sound mitnichten unangenehme Schärfe sondern lebendige, luftige Frische, Transparenz und Glanz verleiht, einhergehend mit einem leichten Pegelanstieg.

Der röhrengepufferte Federhall liefert mit seiner Decay Time von vier Sekunden eine wunderbar dichte, homogene, natürliche Räumlichkeit, der keine digitale Simulation das Wasser reichen kann. Selbst bei Vollaussteuerung hält sich etwaiges Scheppern der Federn in Grenzen. Der Bias-Tremolo-Effekt klingt geschmeidig und warm und lässt sich per Intensity-Regler von subtil bis nahezu An-Aus-An-Effekt variieren.

Obgleich der Captain eine ganze Palette alternativer 12-Zöller für den Black-Betty-Combo anbietet, kann ich mir kaum einen passenderen als den verwendeten Celestion G12 Classic Lead 80 vorstellen. Mit Bravour meistert er das, was ihm auf die Membran kommt, selbst wenn man den Amp mit Stompboxes in die Pflicht nimmt.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Captains Black Betty ist eine überaus ehrliche und gleichzeitig laute Haut, die spielerische Defizite gnadenlos aufdeckt, klangliche wie charakterliche Eigenschaften der angeschlossenen Gitarre 1:1 überträgt und jede Nuance der Spieldynamik und Arbeit mit den Gitarrenpotis bestens unterstützt.

Ohne zusätzliches externes Gear pur betrieben, liefert der Amp exzellente Clean- bis homogene sahnige Crunchsounds, bei Humbuckern und Input 1 sogar mit Lead-Ambitionen. Der Amp überzeugt mit beeindruckender Dynamik, Durchsetzungskraft und Lautstärke, geringsten Nebengeräuschen, tollen Tremolo- und Federhall-Effekten und nicht zuletzt erstklassiger Verarbeitung. Vintage hin oder her: Ich würde mir Status-LEDs für die Effekte wünschen, vorzugsweise am Fußschalter.

Da man die Betty auch als Custom Black Betty bestellen kann, bietet der Online-Konfigurator die Möglichkeit, neben den Endstufenröhren auch Tolex, Frontbespannung, Griff und Lautsprecher auszuwählen. Ein klasse Amp zum fairen Preis, handgefertigt in Upper Bavaria.

PLUS

● Sounds
● charaktervolle, harmonische Breakups und Crunch-Verzerrung
● Dynamik & Ansprache
● Klang Federhall und Tremolo
● Qualität der Fußschalter
● nebengeräuscharm
● geräuschloser Lüfter
● Handhabung
● Qualität Gehäuse und Bauteile
● Verarbeitung
● Preis/Leistung

MINUS

● keine Status-LEDs für Tremolo und Reverb

(erschienen in Gitarre & Bass 11/2023)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Ganz sicher wohl leider kein Vollröhren Combo Amp für annehmbare Zimmerlautstärke in einer Mietwohnung im Mehrfamilienhaus,ohne daß die netten Nachbarn sofort wegen Ruhestörung die freundlichen Gesetzeshüter holen.

    Der Amp hat ja anscheinend auch einen Master-Regler-Poti,dieser wird aber
    in eurem Bericht gar nicht erwähnt.Mal ernsthaft,bei Einstellung 10 wird es schon richtig laut,und satte 2.877,-€uro sind ein Haufen Geld.Die Qualität der verwendeten Bauteile und die Handverdrahtung wollen schließlich auch bezahlt werden,ist ja klar.

    Nicht jeder hat eine luxuriöse Stadtvilla am See ohne geräuschempfindliche Nachbarschaft,oder einen komfortablen Übungsraum wo der Valve-Amp bis zum Anschlag aufgedreht werden darf.

    Die Realität zeigt uns,daß der größte Teil in einer (noch) bezahlbaren Mietwohnung haust,und die „Geräuschkulisse“,die von uns als sehr angenehm empfunden wird,von anderen Leuten jedoch erfahrungsgemäß kaum toleriert wird.

    Ein solider Vollröhren-Verstärker mit immerhin etwa 35 Watt Leistung,wie der hier vorgestellte Combo,scheint eher für kleine Live-Gigs in einem Club geeignet zu sein. Ein zusätzlicher Lüfter scheint beim Captain Combo angebracht,damit das Teil nicht überhitzt. Die fehlenden Metallecken wurden bedauerlicherweise total vergessen. Insgesamt betrachtet aber anscheinend ein guter Boutique Amp in modifizierter Manier eines guten alten Fender Reverb Combos zu einem recht hohen Anschaffungspreis. So toll dieser Captain Black Betty Combo auch sein mag,ich bleibe auch zukünftig lieber bei meinem Laney LC 50 Valve Combo (Made in the United Kingdom) den ich mit 50 Watt Leistung und 12“ Zoll Celestion Vintage 80 Speaker via Master Poti auf gedämpfte Lautstärke fahren kann,der dann trotzdem immer noch schön kernig britisch klingt,ohne daß es gleich die Nachbarn auf den Plan ruft. Ja,stimmt,mein Laney LC 50 ist ein Serienmodell mit amtlich britischem Klang,der unverständlicherweise seit einigen Jahren bei Laney nicht mehr im Programm geführt wird,dafür aber ein sehr solider und top klingender Vollröhren Verstärker zu einem damalig sehr fairen Preis!
    Wer braucht da eigentlich noch unbedingt einen teuren Boutique Amp aus dem Land der Weißwürschtel,blau-weiß-karierter Tischdecken Dekorationen und kurzer Hirschleder-Hosen? Jedem das Seine,so gefällt es uns.

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  2. Die technischen Daten überzeugen und die Fertigungs- und Klangqualität wird auch top sein, aber das Problem mit Verstärkern in dieser Preisklasse ist, daß wenn nicht einer der großen Namen draufsteht, der Wiederverkauf nur unter großem Verlust möglich ist. Man muss das Teil wirklich mögen und auch behalten wollen, und/oder darf es einem nichts ausmachen 2/3 Wertverlust einzukalkulieren.

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    1. Hallo Bernd Leydecker,da stimme ich dir voll und ganz zu!
      Aus diesem plausiblen Grund kaufte ich mir lieber gleich einen neuen „kleinen“ Fender Hot Rod Vollröhren-Combo mit 40 Watt und 12“ Celestion Lautsprecher/Baujahr 2023 für knapp unter 1.000,-€ anstatt des doch sehr teuren Boutique-Amps aus dem Raum Nieder-Bayern.Mit den Fender Combos macht man absolut nichts falsch,da kennt man die Materialqualität und den legendären Fender Sound. Und der fabelhafte Fender Federhall ist sowieso Kult! Daß die neuen Fender Hot Rod´s in Mexico gefertigt werden,sollte wirklich kein Grund zur Besorgnis sein,denn der Qualitätsstandard bei Fender Made in Mexico Valve Combo Amps ist mittlerweile sehr hoch.

      Relativ unbekannte Handwired Boutique Combos wie der „Captain Black Betty Verstärker“ haben trotz ihrer hochwertigen Bauteile und der sauberen Verdrahtung faktisch einen recht hohen Wertverlust beim Wiederverkauf,und das rechnet sich nun wirklich gar nicht.

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  3. Danke an den Captain, dass man sowas für Geld kaufen kann!

    Ob es einem zu teuer ist, entscheidet am Ende jeder selbst.

    Doch wenn es einfach um den Ton und die Ansprache geht, bin ich sehr dankbar dass wir innerhalb Deutschlands so hohe Qualität angeboten bekommen.
    Gleiches Niveau an Bauteilen aus den USA wäre für uns ja noch weniger erschwinglich. Man sieht es doch am 64er Handwired Deluxe Reverb, bzw. 64er Princeton. Nur hat man dann trotz super Ton noch keinen Master und keinen Mittenregler und beim Princeton auch keinen 12er Speaker.

    Dieser Amp hier hat doch absolut seine Berechtigung auf dem Markt für jeden der Ton auf höchstem Level sucht und genau die hier gemachten Ergänzungen an den schönen Originalen vermisst.

    Klar kann ein Amp „von der Stange“ auch gut sein. Nur passt das auch zu jedem? Wird das den Ansprüchen aller Spieler gerecht? Es wurde bereits gesagt: Jedem das seine.

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