(Bild: Dieter Stork)
Zweifellos markierte der Germanium-Transistor eine Zeitenwende im Gitarren-Sound. Mitte der Sechziger präsentierte eine britische Firma namens Dallas/Arbiter den ersten Rangemaster Treblebooster für Gitarre. Das sogenannte Frontend-Boosting sollte von da an den Rocksound prägen. Musiker wie Rory Gallagher, Ritchie Blackmore, Brian May, Tony Iommi oder Marc Bolan gelten als die Wegbereiter dieser Klänge. Die British Pedal Comapny baut diese Box exakt nach dem Vorbild der ersten Rangemaster-Modelle in gleich mehreren Versionen.
Gleich zu Beginn dieser Geschichte steht ein scheinbar unumstößliches Narrativ. Eric Clapton soll für seinen Overdrive-Sound auf John Mayalls Bluesbreaker-Album einen Dallas/ Arbiter Rangemaster verwendet haben. Kaum jemand konnte sich vorstellen, dass dafür ein weit aufgedrehter Marshall-Combo genügt haben soll. Seither streiten sich die Gemüter, ob an der Geschichte etwas dran ist. Man fragt sich unwillkürlich, warum nicht einfach jemand Clapton mal danach fragt. Offenbar geschah das schon hier und da, aber der mit Gott verglichene Begründer des British-Blues-Rock-Sound will sich einfach nicht mehr konkret erinnern.
„Vermutlich habe ich keinen Rangemaster benutzt,“ ließ er verlauten. Dennoch ist es wohl auch dieser Legende geschuldet, dass sich die Treblebooster seit jeher prima verkauften. Dabei gibt es ja jede Menge anderer Gitarrenhelden, die ihren Sound mit dieser unscheinbaren Top-Box formten. Rory Gallagher z. B. stöpselte seine Strat während den Jahren mit seiner Band Taste nicht direkt in einen Vox AC30, sondern schaltete den Rangemaster davor, was einen aggressiven Ton erzeugte. Brian May tat es seinem Vorbild Gallagher gleich und verwendet den Booster bis heute.
Auch Ritchie Blackmore begann seine Karriere mit dem Treblebooster, wenn auch schon bald nicht mehr von Dallas/Arbiter, sondern von Hornby Skewes, einer sehr ähnlichen Unit, und später der Zonk Machine des gleichen Herstellers. Und Tony Iommi „erfand“ dank des Rangemasters angeblich den Heavy-Metal-Sound. Daneben gab es zahlreiche Songs, in denen dieser Sound prägend war. ‚Aqualung‘ von Jethro Tull, fast jeder Hit der Band Sweet, Wishbone Ashs Live-Album (hier war es ein Orange Treble&Bass Booster) und natürlich dieser an ein Tenorsaxofon erinnernde Gitarren-Sound von Marc Bolan bei seiner Band T. Rex.
(Bild: Dieter Stork)
KONSTRUKTION
In Sachen Ausstattung waren die ersten Rangemaster buchstäblich von vorgestern. Doch ist es vermutlich der Einfachheit dieser kleinen Kisten zu verdanken, dass ihre Klänge so markant wurden. Man stellte ihn gewöhnlich oben auf den Amp und steckte die kleine, graue Strippe am hinteren Ende in den Amp-Eingang, die Gitarre dann in die Buchse auf der Front. Es gab einen 10K-Gain-Regler für den Grad der Übersteuerung und einen Mini-On/Off-Switch, der notgedrungen immer eingeschaltet bleiben musste. Einen Fußschalter gab es (noch) nicht.
Auch im Inneren herrschte absoluter Purismus. Da gab es den Mullard OC44 Germanium Transistor (später auch Modelle mit dem OC71), drei Widerstände und vier Kondensatoren, einer davon gleich im Eingang, der die typische Klangfarbe formte. Ein Poti, eine Input-Buchse und schließlich eine 9V-Batterie. Der Germanium Transistor sorgte für das unverkennbare asymmetrische Clipping des Trebleboosters, immer smooth, röhren-ähnlich und voller Klangfarben. Das Ganze wurde in eine kleine hammerschlaglackierte Blechdose verpackt. That’s it!
Die zahlreichen Nachteile dieser Konstruktion dachten sich die Musiker einfach weg. Da war zum einen der Germanium-Transistor, der vernehmlich stark rauschte und auch je nach Temperatur seinen Sound teils drastisch veränderte. Das ging jedoch oft im allgemeinen Getöse unter. Dann der fehlende Fußschalter – das forderte gekonntes Spiel mit den Volume- und Tone-Reglern an der Gitarre, was viele Musiker bald exzellent beherrschten. Man muss nur Rory Gallagher auf einem alten Taste-Konzert beobachten. Ein großer Vorteil dieser Schaltung war nämlich, dass der Sound beim Zurückdrehen des Volumes an der Gitarre sehr schön aufklarte. Andy Powell und Ted Turner von Wishbone Ash demonstrierten das ebenfalls meisterlich bei ihren Live-Auftritten in den frühen Siebziger-Jahren.
DAS GROSSE REVIVAL
Die Nachfrage nach allem, was „vintage“ ist, ist in den letzten zehn Jahren bekanntlich enorm gestiegen. Natürlich gab es schon länger sehr gute Repliken dieser „Pedale“ von zahlreichen anderen Herstellern. Man denke nur an das wirklich breite Angebot von BSM hier in Deutschland. Mastermind Bernd Meiser ist ein absoluter Kenner dieser Sounds und bietet wirklich erlesene Nachfolger aller möglicher Schattierungen dieser Gattung. Dennoch gab es in der berühmten Denmark Street in London die Überlegung, all diese Pedale (auch die ersten Fuzzfaces) wieder so originalgetreu wie möglich aufleben zu lassen. Und das taten sie wirklich in absolut überzeugender Weise.
(Bild: Dieter Stork)
Optisch sind sie kaum von den Vorbildern zu unterscheiden, was den Kunden einfach Spaß und diese Produkte quasi zu historischen (Kunst-)Objekten macht. Selbst das dünne, graue Verbindungskabel auf der Rückseite scheint tatsächlich aus einer anderen Zeit zu stammen. Zum Test hatte ich nicht weniger als fünf Versionen am Start, die sich trotz optischer Gleichheit im Klang teils stark unterscheiden. Darunter drei Special-Edition-Versionen, eine mit selektiertem NOS Mullard OC44 und NOS-Welwyn-Poti, zwei mit OC44- oder OC71-Transistoren, eine in der OC44N-Variante für einen milderen Boost, sowie eine komplett neue Konstruktion mit OC75-Transistor und Varitone-Schalter anstatt Volume-Regler.
(Bild: Dieter Stork)
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PRAXIS
Das Aushängeschild ist hierbei eindeutig eine Special-Edition-Version mit Mullard OC44 und einem NOS-Welwyn-Volume-Poti. Ich weiß nicht, ob das Poti allein dafür verantwortlich ist, aber in Sachen Klangfarben hat dieser Treblebooster eindeutig die Nase vorn. Mit dieser Box gelingen an meinem Marshall (1973 Marshall JMP 20) alle klassischen Rangemaster-Sounds wirklich spielend. Egal, ob man ‚Smoke On The Water‘ anstimmt (hier war es in der Originalaufnahme von Deep Purple allerdings der Hornby Skewes), ‚Aqualung‘, irgendein Queen-Riff oder ‚Paranoid‘ von Black Sabbath. Die Rauheit und Aggression spiegeln genau das Vorbild.
Man muss dabei beachten, dass man jeweils den „dunklen Kanal“ eines Marshalls, Vox oder (Tweed-)Fenders verwendet. Der Kick in den hohen Mitten ist schon recht extrem, daher ist der Normal-Channel an einem Vier-InputMarshall oder Vox absolut ideal. Diese Kanäle sind normalerweise nicht zu gebrauchen, weil sie Gitarrensignale recht mulmig gestalten. Nicht so mit dem Treblebooster. Hier stimmt der Frequenzbereich sofort wieder. Außerdem verfügen diese Kanäle immer noch über genügend Bass-Fundament, denn der kleine Kondensator am Eingang (5nF) des Treblebooster schneidet die Bässe schon sehr stark ab.
In Kombinationen mit dem Normal-Channel bringt der Rangemaster magische Sounds hervor. Man spielt alle Rockriffs, die man kennt und wundert sich, warum man die noch nie so authentisch nachbilden konnte. Mit Dioden-Clipping à la Tube Screamer geht das einfach nicht. Das Signal wird extrem kompakt und durchsetzungsstark. High-Gain ist dabei nicht drin, nur eben eine starke Übersteuerung. Man muss beim Solo schon richtig arbeiten, um ordentlich Sustain zu erhalten, oder eben den Amp so weit aufdrehen, dass dieser auch von sich aus schon übersteuert. Dann befindet man sich tatsächlich im Brian-May-Land.
Das deutlich preiswertere SE-OC44-Modell liegt klanglich wirklich nur ganz knapp hinter der Special-Edition-NOS-Version. Die unterschiedlichen Ergebnisse sind auch daher schwerlich zu beurteilen, da jeder OC44 etwas anders klingt. Die Streuungen sind hier enorm. Die OC44N-Version tönt milder und etwas leiser als die NOS-Versionen, was aber den Crunch-Liebhaber, der nicht ganz so tollwütig agieren möchte, gefallen müsste. Die SE-OC71-Version hat mehr Kompression und eine weniger aggressive Gangart. Diese Sounds erinnern sehr stark an Marc Bolans Rhythmus-Gitarre bei T. Rex. Bei Singlenotes kann man die Gitarre tatsächlich wie ein leicht angezerrtes Tenorsaxofon erklingen lassen.
Wer keinen „dunklen“ Normal-Channel im Verstärker hat, kann auf die schwarz lackierte OC75-Variante ausweichen, denn dieser Booster hat nicht nur einen anderen Transistor, sondern auch einen Varitone-Schalter, mit dem sich die ausgedünnten Bässe wieder schrittweise anheben lassen. Das ist sehr brauchbar, gerade wenn man modernere Amps spielt. Der Boost ist nicht ganz so stark wie bei den anderen Versionen, auch weil man ja hier die Lautstärke nicht mehr regeln kann.
RESÜMEE
Insgesamt versetzen einen diese Rangemaster zurück in eine andere Zeit, in der das Rockriff geboren wurde. Es macht unheimlich Spaß, damit zu experimentieren und sich klanglich in die Vergangenheit entführen zu lassen. Die Preise lassen sich vielleicht mit der aufwendigen Optik und der begrenzten Verfügbarkeit von NOS-Transistoren erklären, denn hier steckt wirklich britische Handarbeit dahinter. Es sind halt Oldtimer, und wenn man bedenkt, dass man für ein Original mehrere Tausend Euro hinblättern muss, relativiert sich das wieder. Es ist schön zu sehen, dass die British Pedal Company diese Legenden wieder so wie früher macht und in diese Aufgabe auch viel Detailliebe hineinsteckt.
PLUS
● Klangqualität
● authentische Verdrahtung
● Handarbeit
● Design/Optik
(erschienen in Gitarre & Bass 11/2022)