Analog wie digital phänomenal?

Test: Boss RE-202, SDE-3000EVH & DM-101

Anzeige

Roland und Boss haben wesentlichen Anteil daran, dass sich Delay-Effekte so verbreitet haben, ob in den Studios oder auf den Pedalboards dieser Welt. Vom legendären RE-201 Space Echo über die BBD-Pedale DM-1 und DM-2, die digitalen Rackmodelle der SDE-Serie, dem Bestseller DD-2 bis hin zum beliebten DD-500 – Delay ist eine Kernkompetenz des Unternehmens. Nun stehen drei weitere Pedale mit eigenem Vintage-Charakter und speicherbaren Presets zur Auswahl.

Anzeige

Obwohl schon das DD-500 entsprechende Algorithmen bereithielt, sollen die hier vorgestellten Modelle RE-202, SDE3000EVH und DM-101 in ihren Disziplinen noch authentischere Ergebnisse liefern. Ersteres emuliert das legendäre RE-201 Space Echo per Modeling und tritt so in die Fußstapfen des RE-20 von 2007. Auch das SDE3000EVH arbeitet mit Modeling und hat das Studiogerät SDE-3000 im Visier. Beim DM-101 handelt es sich um ein analoges Gerät ohne konkretes Vorbild. Es soll den viel gehegten Traum einer erschwinglichen BBD-Schaltung mit integrierten Speicherplätzen erfüllen.

GEMEINSAMKEITEN

Alle drei Geräte sind in einem breiten, robusten Metallgehäuse mit drei Fußtastern untergebracht. Sie benötigen die mitgelieferten Netzteile und bieten neben Audioanschlüssen 3,5mmMiniklinken für MIDI-Funktionalität. RE-202 und DM-101 erlauben den Anschluss eines Expression-Pedals und zweier externer Fußtaster, das SDE-3000EVH sogar die doppelte Anzahl. Klartext-Displays werden im Unterschied zum DD-500 nicht geboten. Alle Geräte bieten Stereoausgänge und bis auf das DM-101 sogar Stereoeingänge. Und alle warten mit vier direkt abrufbaren Speicherplätzen auf (12 im SDE-3000EVH), erlauben über MIDI aber sogar den Zugriff auf 128 Speicherplätze.

(Bild: Roland/Boss)

BOSS SPACE ECHO RE-202

Das Roland RE-201 von 1974 ist der Klassiker unter den Tape-Delays. Diese aufwändige mechanische Konstruktion wurde per Modeling-Technik digital nachgebildet und im RE-202 untergebracht. Im Original sorgte die Kombination von Aufnahme- und drei Wiedergabetonköpfen für musikalische Echokaskaden, die sich zusätzlich um Federhall anreichern ließen. Ein übersteuerbares Tonband, ein Kopiereffekt, Frequenzgangdegradationen, ein analoger Vorverstärker und mechanische Unzulänglichkeiten prägten den Klang und finden auch im neuen RE-202 Berücksichtigung. Der zentrale „Mode Selector“-Drehschalter mit zwölf Betriebsarten bestimmt die Verschaltung der Tonköpfe, deren Anzahl von drei auf vier erhöht wurde. Der Echo-Effekt ist in der Verzögerungszeit (Bandgeschwindigkeit), der Rückkopplung und im Pegel regelbar. Die Verzögerungszeit reicht bis zu zwei Sekunden – doppelt so lang wie beim Original. Hinzu kommen der Nachhall sowie Bass- und Höhenregler für die Klangabstimmung.

(Bild: Roland/Boss)

Auf eine Pegelsteuerung des Eingangs wurde zugunsten eines Instrumenten- und Line-Pegelumschalters verzichtet. Ergänzend gibt es einen Regler, der eine Übersteuerung der Vorstufe und des Bandes justiert. Ein zweiter Regler fügt Gleichlaufschwankungen des Motors hinzu. Schließlich kann man noch zwischen einem frischen und älteren Band umschalten.

Wie das Original liefert auch das RE-202 kein klangneutrales Echo. Charakteristisch ist das Verschwimmen der Echorückwürfe, die miteinander verschmelzen und sich zu einem hallartigen Klang verdichten. Dabei büßen die Rückwürfe progressiv tiefe Frequenzen ein – ganz wie beim Original. Eine weitere Filterung der Rückwürfe ist leider nicht vorgesehen. Die Reaktion auf ein Verändern der Verzögerungszeit erfolgt völlig flüssig mit einer Veränderung der Tonhöhe. Mit vier virtuellen Tonköpfen lassen sich dem Pedal interessante Multitap-Echos entlocken, die sich nach Bedarf um Hall ergänzen lassen. Das RE-202 kann dabei sogar auf alternative Halltypen umschalten.

Die Feedback-Kapazitäten sind immens, sodass man ein Signal jederzeit wieder hervorholen und in Kombination mit der gleitenden Veränderung der Verzögerungszeit zu intensiven Effekten gelangen kann, die sich nach Bedarf mit dosierbaren Unregelmäßigkeiten und einer Sättigung versehen lassen. Letztere empfinde ich eher in kleineren Dosierungen als praxisgerecht. Interessant sind zudem die Funktionen Warp und Twist, die das Effektsignal für die Dauer des Tastendrucks einfrieren oder beschleunigen und wieder verlangsamen.

So unterscheidet sich das RE-202 deutlich von konventionellen, neutralen, digitalen Echos und verleiht dem Signal deutlichen Charakter und eine Patina, die man eben nur durch Bandechos erreicht. Diese Aufgabe erfüllt das Testgerät gut.

Mit einem A/B-Vergleich zum, je nach Wartungszustand klanglich schwankenden, RE-201 kann ich leider nicht aufwarten. Dieser gilt zurecht als Klassiker und ich gehe davon aus, dass man für vollständige Authentizität schlichtweg weiter das analoge Original bemühen muss, das allerdings teurer, größer und anfälliger ist. Für das RE-202 sprechen der Preis, die erweiterte Funktionalität, Speicherplätze, der Stereobetrieb und das Kompaktformat, was insbesondere live Gold wert ist.

BOSS SDE-3000EVH auf Seite 2

(Bild: Roland/Boss)

BOSS SDE-3000EVH

Eine andere Klangästhetik verfolgt das SDE-3000 von 1983. Digitale Studiotechnik hatte damals den Anspruch an Klangneutralität und Roland platzierte dieses 16-BitRackgerät in Konkurrenz zu TC Electronic, Lexicon und Korg. Die Entwickler waren gezwungen, aus Bauteilen mit relativ geringer Auflösung durch clevere Bemühungen und ergänzende Analogtechnik studiotaugliche Klänge zu erzeugen, was zu Hybridkonstruktionen mit herstellerspezifischem Klang führte. Eigenheiten des SDE-3000 waren z.B. die Filterung und die Taktung.

(Bild: Roland/Boss)

Das Alphatier der SDE-Serie kam nicht nur im Studio sondern auch bei erfolgreichen Musikern zum Einsatz. Eddie Van Halen nutzte live zwei SDE-3000 für die linken und rechten Seiten seines Wet-Dry-Wet-Verstärkersystems. In Zusammenarbeit mit EVH eifert Boss genau diesem Setup nun nach. Die Pedalversion SDE-3000EVH soll die alte Rack-Einheit in doppelter Ausführung und mit stereophonem Signalweg nachbilden. Die Einheiten sind seriell oder parallel verschaltbar und vollständig in Stereo nutzbar. Ein exklusives Feature dieses Signature-Modells ist der zusätzliche Dry-Ausgang, um einen dritten Verstärker einbinden zu können. Um dabei Brummen zu verhindern, liefert Boss zwei passende Adapter für die Effektkanäle mit.

Das originale Roland SDE3000 Digital Delay als Rack-Einheit, aus dem Jahr 1983 (Bild: Roland/Boss)

Die Funktionalität des monophonen Originals war überschaubar: Es gab einen Delay-Tap und eine Modulationsschaltung. Die Verzögerungszeit reichte von 1,5 bis 3 Sek. bei reduziertem Frequenzgang. Feedback und Delay waren in der Phase drehbar und ein festes Filter in der Rückkopplungsschleife zuschaltbar. Die Bedienung erfolgte über ein Display mit Werteanzeigen und mehrere Tasten.

Bei der Bedienung der Neuauflage klammert sich Boss meiner Meinung nach zu sehr an das Original. Das blaue Display ist zweifellos dekorativ, aber der Hersteller bringt nunmehr vier Kanäle und erweiterte Funktionen im Pedal unter. Das macht es bei der Programmierung weniger zugänglich als erwartet. So kämpft man mit Abkürzungen im Großbuchstaben-Display und muss sich mit Untermenüs arrangieren. Ergänzend sind die Up/Down-Tasten für die Hauptparameter weniger für spontane Eingriffe geeignet als eventuelle Regler oder Encoder, die dem Testgerät (und Original) gänzlich fehlen.

(Bild: Roland/Boss)

Die Klangqualität ist allerdings überzeugend. Die Delays sind transparent und im Unterschied zu Band- und BBD-Echos unverfälscht. Insbesondere bei Stereoeffekten und rhythmischer Unterstützung des Hauptsignals spielen diese klaren Transienten ihre Stärken aus. Rauschen ist kein Thema, hierfür sorgt eine integrierte Rauschunterdrückung.

Mit dem SDE-3000EVH eröffnen sich kurze, präzise justierbare, resonante Klänge, ergiebige Chorus- und Flanger-Sounds, Slapbacks sowie rhythmische und spektakuläre Stereoklänge. Die Stereophonie, Ping-Pong-Fähigkeiten und mögliche Offsets zwischen den Kanälen sorgen für weitere Flexibilität, ebenso wie die Möglichkeit, die Hoch- und Tiefpassfilter zu konfigurieren.

Wie nahe das Testgerät an das Original herankommt, kann ich ohne A/B-Vergleich nicht beantworten. Wie beim RE-202 gehe ich von gewissen Unterschieden aus. Bezüglich der Funktionalität ist das Testgerät allerdings bis auf zwei Ausnahmen klar im Vorteil: So bot das Original einen Regler, mit dem sich die Verzögerungszeit auf 4,5 Sekunden verlängern ließ, und der externe Loop des Originals erlaubte es, externe Signalprozessoren wie Phaser oder EQs in die Rückkopplungsschleife einzubringen. Das alte Konzept wurde bei der Pedalversion durch einen programmierbaren Loop ersetzt, mit dem sich ein externes Pedal an einer Position vor dem Delay im Signalweg einfügen lässt.

BOSS DM-101 auf Seite 3

(Bild: Roland/Boss)

BOSS DM-101

Mit dem Neuzugang DM-101 dürfte Boss dem Wunsch vieler Musiker nach einem programmierbaren, bezahlbaren echten Analog-Delay nachkommen. Satte acht Eimerkettenspeicher-Chips à 2048 Stages lassen sich hier in zwölf Betriebsarten, sechs davon für den Stereobetrieb, miteinander verschalten. Geboten werden Verzögerungszeiten bis zu 1,2 Sekunden, eine Modulationssektion und Tap-Tempo. Der Klang kann dabei über sieben Regler und zwei Taster intuitiv gesteuert werden. Neben den Standardparametern widmet sich der Regler „Variation“ interessanten Klangänderungen. Das reicht von der Modulationswellenform über eine Auswahl von Tonköpfen bis zu unterschiedlichen Rückwurfmustern.

Die Bedienung ist geradlinig und man kann direkt loslegen. Mein einziger Kritikpunkt: Die Umschaltung zwischen Speicherplätzen ist unzureichend langsam und vermutlich in einer Neukonfiguration der Eimerkettenspeicher begründet. Als etwas sparsam fällt mir auch die externe Steuerbarkeit auf: Eine Hold-Funktion, aber auch die Funktionen Hold und Twist aus dem RE-202 hätte ich mir hier durchaus vorstellen können.

(Bild: Roland/Boss)

Das DM-101 bietet den erhofft warmen Sound einer BBD-Schaltung und dazu eine wirklich hervorragende Bandbreite von Echo-Sounds, die sich zudem fließend über die Regler verändern lassen. Dank einer möglichen Verzögerung von über einer Sekunde sind rhythmische Delays kein Problem, ebenso wenig wie Slapbacks, Dopplungen sowie füllende Unterstützung für den Soloeinsatz. Modulationsklänge gelingen ebenfalls mit Bravour und sogar hallartige Nachklänge. Schließlich liefert der mögliche Stereobetrieb breite Klänge, die man von BBDs eher selten hört.

Wenn man Kritik üben wollte, dann müsste man das obligatorische Rauschen der Schaltung nennen. Abhängig von der Betriebsart fällt mir auch die Höhenbedämpfung etwas zu kräftig aus. Überhaupt wäre eine regelbare Tief- und Hochpassfilterung für die Feedbackschleife das i-Tüpfelchen für mich gewesen, die man etwa im Suhr Discovery findet. Dennoch ist das DM-101 wirklich großartig.

RESÜMEE

Bei den drei hier vorgestellten Pedalen handelt es sich um erstklassig klingende, flexible Spezialisten, die sich in den Kategorien Bandecho, Analog-Delay und Vintage-Digital platzieren. Wer einen Partner zum breit aufgestellten DD-500 mit seinen dynamischen und ungewöhnlichen Echoeffekten und Pitch-Delays sucht, wird in allen Fällen fündig und hat die Qual der Wahl. Den wohl konsequentesten Gegensatz findet man im real-analogen DM-101, das in seiner Preisklasse ohne Konkurrenz ist.

PLUS

  • Speicherplätze
  • Stereoausgänge
  • umschaltbare Halltypen, verlängerte Delayzeit (RE-202)
  • Twist und Warp-Funktionen (RE-202)
  • doppelte Stereodelays (SDE-3000EVH) plus Dry-Ausgang

MINUS

  • träge Speicherumschaltung (DM-101)
  • reglerlose Bedienung (SDE-3000EVH)
  • fehlender externer Feedback-Loop (SDE-300EVH)
  • kein regelbarer Filter im Feedback-Weg (RE-202, DM-101)
  • keine mitgelieferten MIDI-Adapter

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2024)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.