Die Schlagzahl der Blackstar-Kreativabteilung ist wirklich beeindruckend. Gefühlt alle paar Wochen kommt der britische Hersteller mit neuen Produkten um die Ecke. Seitdem er erstmals 2007 mit Effektpedalen und Röhren-Amps auf sich aufmerksam machte, ist dessen Produktpalette förmlich explodiert.
Das neue Flaggschiff der 2019 vorgestellten Modellreihe Silverline ist der Stereo Deluxe Combo, ein aus den Serien ID: und ID:Core weiterentwickelter Modeling-Bolide mit analoger Endstufe mit 2×100 Watt, zwei 12″-Celestion-G-12-VType-Lautsprechern und Blackstars Super-Wide-Stereo-Technologie.
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WAS GIBT ES?
Wie seine kleineren Kollegen basiert der überraschend schwergewichtige Stereo Deluxe klanglich auf sechs Blackstareigenen Preamp Voices, erzeugt mittels bewährtem, seit gut 30 Jahren bekanntem, leistungsstarkem SHARC-Prozessor (Super Harvard Architecture) und der Emulation von sechs klassischen Endstufenschaltungen per patentierter TVP-Technologie (True Valve Power). Der Voices-Drehschalter übernimmt quasi die Kanalwahl (Clean Warm, Clean Bright, Crunch, Super Crunch, OD1 und OD2), und der ISF-Regler blendet stufenlos von amerikanischem (knackige Bässe, aggressive Mitten) bis zu britischem Klangcharakter (erdiger, weniger aggressiv) über.
Ansonsten mutet die Vorstufensektion mit Gain, Volume, Bass, Middle und Treble eher traditionell an. Response wählt die Endstufen-Emulationen EL84, 6V6, EL34, KT66, 6L6 und KT88. Über die Taster Modulation, Delay und Reverb aktiviert man die Effekttypen (LED weiß) bzw. setzt sie in Editierbereitschaft (LED orange). Der Regler „Effects Type“ hält innerhalb seiner vier Sektionen jeweils folgende Effekte bereit:
Modulation: Phaser, Flanger, Chorus und Tremolo
Delay (100-2000 ms): Linear, Analog, Tape
Multi Reverb: Room, Hall, Spring und Plate
Innerhalb der Segmente werden die Werte einzelner relevanter Parameter erhöht. Effects Level kontrolliert bei Delay und Reverb die Effektpegel, bei Modulation deren Tiefe. Per Tap-Taster, der synchron zum eingestellten Wert blinkt, gibt man Mod Speed bzw. Delay Time ein.
Die Master-Sektion bilden die Regler Resonance (Ansprache in den Bässen), Presence (Ansprache in den Höhen) und Master Volume, deren Settings global und nicht speicherbar sind. Input und Power-Schalter rahmen die Bedienfläche ein. Eine weiße LED oberhalb des Voice-Schalters blinkt zweimal auf, wenn eines der Bedienelemente seine gespeicherte Position erreicht (Recall). Unterhalb der Preamp-Potis findet man die Taster Manual (sämtliche Parameter-Werte entsprechen den aktuellen Reglerpositionen und Tastereinstellungen), Bank (1 = grün, 2 = gelb, 3 = rot) und Channels 1-4 sowie den USB-Anschluss.
Sich tief bücken oder den Combo aufs Gesicht legen muss man, wenn man die rückseitigen Anschlüsse erreichen möchte: Emulated/Phones Out (Mono/Stereo), MP3/Line In, Footswitch (FS-4 oder FS-10, optional), MIDI In (MIDI-Fußleiste, optional), zwei belegte Speaker Outs sowie die Buchse des Netzkabels. Mit der kostenlos downloadbaren Blackstar-Architect-Software lassen sich nicht nur Patches erstellen, laden, verwalten und sichern, sondern auch das interne Noisegate, die MIDI-Kanäle und das USB-Audio-Interface konfigurieren, u. a. für Re-Amping. Dies alles ermöglicht auch die ebenfalls kostenlose Blackstar-Insider-Software, die u. a. die Emulated/Phones- und MP3/LineIn-Anschlüsse zu einem schaltbaren FX Loop umfunktioniert und erweiterte Steuerung bietet.
AUSSEN & INNEN
Das mit grau meliertem Kunstleder bezogene Gehäuse aus 18 mm Schichtholz macht einen schlichten aber eleganten, auf jeden Fall aber stabilen Eindruck, obgleich gänzlich auf Eckenschoner verzichtet wird. Vier große Gummifüße garantieren sicheren Stand, der Kunstledergriff nimmt die für einen Modeling-Combo stolzen 23,5 kg gelassen hin. Vorne schützt eine halbwegs straffe Textilbespannung die Speaker, hinten verschließt eine 13-mm-MDF-Platte das hängende Stahlblechchassis, und ein Lochblech verhindert die Unterbringung von Zubehör.
Dass die mit jeweils 3,3 kg nicht gerade leichtesten Celestion-Speaker verwendet werden, spricht für den Hersteller. Keine klanglichen Kompromisse also, auch wenn der Combo dadurch schwerer wird. Im Innern des Amp-Chassis trifft man auf sorgfältige, solide Verarbeitung. Sämtliche Platinen hat man auf Distanzstücken verschraubt bzw. werden von Buchsen und Potis gehalten. Massive Aluprofile kühlen die Endstufentransistoren, gesteckte Flachbandkabel und Einzellitzen wurden zu Kabelbäumen zusammengefasst, Netzteil und -schalter über isolierte Steckschuhe angeschlossen. Mechanisch alles bestens.
WATT AUF DIE OHREN
Es war zu erwarten, dass Blackstar bei den Silverline-Amps auf die höchst erfolgreiche Klangerzeugung seiner ID:-Reihe zurückgreift, allerdings nicht ohne sie noch zu optimieren oder weiterzuentwickeln. So lässt auch der Stereo Deluxe diese – wohlgemerkt hervorragenden – Klangcharakteristiken erkennen und liefert mit seinen beiden Celestion-V-Lautsprechern ordentlich Schalldruck, optimierte Dynamik und präzise, stabile Darstellung im Mittenbereich, speziell im unteren.
Die sechs Preamp-Models decken ein extrem breites Spektrum von warmklaren (AC30) über glasklare Sounds (Twin) bis zu High-Gain-Metal-Zerre ab. Erfreulich ist, dass der Amp die individuelle Klangcharakteristik der Gitarre beibehält und nicht alles glattbügelt. Ebenso überzeugend emuliert Response die sechs Endstufenschaltungen, die auch hinsichtlich Leistung, Sättigung, Ansprache und Auflösung beeindruckend authentisch ans Ohr dringen. So erreicht beispielsweise die EL84 bei gleichen Gain- und Volume-Settings eher die Sättigung als die leistungsstärkere und differenzierter klingende KT88. Einfach klasse, wie man allein mit den Endstufen-Emulationen Klänge beeinflussen und für den jeweiligen Einsatzzweck optimieren kann.
Während Vintage-Strat-Pickups den Clean-Kanälen selbst bei voll aufgedrehtem Gain Twin- bzw. AC30-klare Sounds entlocken, erzeugen PAF-type Humbucker natürlich und harmonisch klingendes Anzerren. Man könnte wirklich meinen, hier seien Röhren im Spiel. Dank der Effizienz der drei sich gegenseitig beeinflussenden Klangregler und des ISF-EQs, der mit dem Trio interagiert, steht umfassenden Sound-Korrekturen nichts im Weg.
Mit ihren Keramikmagneten und dem Frequenzgang von 70-5000 Hz liefern die Celestion-V-Types einen recht mittigen, leicht komprimierten aber dennoch transparenten Grund-Sound, der dem Silverline Stereo Deluxe gut zu Gesicht steht und ihm in Kooperation mit der leistungsstarken Stereo-Endstufe hohen Schalldruck und Durchsetzungsvermögen verleiht.
Die Stereoeffekte des großen Blackstar-Combos klingen wirklich ansprechend und besitzen fast Studioqualität. Durch den SuperWide-Stereo-Sound wirken die praxisorientiert und keineswegs überzogen abgestimmten Modulationen und der dichte homogene Hall extrem räumlich, und die Delays wandern im Panorama hin und her.
Der Tuner, durch Drücken und kurzes Halten der Manual-Taste aktiviert, wird von den Bank und Channel- sowie den Effekttastern angezeigt. Erstere signalisieren die angeschlagene Saite (E1 und E6 von der Bank-Taste), Letztere die präzise Stimmung bzw. Up/Down-Abweichungen. Erstmal gewöhnungsbedürftig, funktioniert aber gut. Patch-Wechsel werden nahezu ohne Latenz und größtenteils geräuschfrei ausgeführt. Allerdings erzeugen Wechsel auf die KT-66- und KT-88-Emulationen von niedrigeren Responses mitunter Umschaltgeräusche.
RESÜMEE
Der Blackstar Silverline Stereo Deluxe entpuppt sich selbst für anspruchsvolle Gitarrist*innen als Rundum-glücklich-Paket. Er punktet mit beeindruckend authentisch und musikalisch klingenden Preamp- und Endstufen-Models, exzellenter Dynamik, einer leistungsstarken Stereoendstufe und hohem Durchsetzungsvermögen. Selbst kritische Sounds wie erstes Anzerren und Low Crunch meistert er mit Bravur. Die Stereoeffekte erzeugen extrem breite Panoramen und tolle Räumlichkeit. In diesem Preissegment setzt der Silverline Stereo Deluxe nicht nur dank seiner Ausstattung und Flexibilität, sondern vor allem aufgrund seiner Klangqualitäten Maßstäbe.