Von Fisch-Bienen und seekranken Robotern

Test: Beetronics Seabee

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Kaum habe ich mich von dem völlig verrückten Zzombee der Pedalschmiede Beetronics halbwegs erholt, summt hier schon der nächste Streich der Insektenfreunde zur Tür herein: Mit dem Seabee legen sie nun erstmals einen Chorus vor – und der hat es in sich.

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Das Seabee dürfte das erste Pedal von Beetronics ganz ohne Overdrive oder Fuzz sein – ist die Firma doch seit ihrer Gründung vor ein paar Jahren vor allem mit ihren hochwertigen Dirtboxes bekannt geworden. Doch bereits mit dem vor Kurzem veröffentlichten Zzombee beschritten die Kalifornier neue Wege.

Natürlich ist das Seabee nicht „nur“ ein Chorus-Pedal, sondern viel mehr. Da bei derartigen Geräten besonders im Vibrato-Modus so ein schauriges Eiern zu hören ist, das mitunter beinahe seekrank machen kann, kamen die Sound-Imker wohl auf die Idee mit dem maritimen Namen …

Ehrlich gesagt war ich etwas eingeschüchtert, als ich das Pedal auspackte. Viele Knöpfe, viele Schalter, doppelte Belegung der Regler, ein auf den ersten Blick nicht besonders übersichtliches Design – das beunruhigt, wie dieses bedrohliche Summen, wenn sich eines der nützlichen Tierchen im Sommer ins Musikzimmer verirrt hat und man denkt: Der Amp spinnt doch mal wieder rum. Doch wir wollen mutig sein und begeben uns mitten in den Bienenstock (passenderweise heißt eines der Soundbeispiele im Handbuch „Lost in the Hive“).

KONSTRUKTION

Wie immer bei Beetronics ist auch das Seabee massiv und solide sowie optisch ansprechend gestaltet. Auch hier ist das Gehäuse aus gebürstetem Stahl unkaputtbar. Erneut befindet sich im Innern eine lustig gestaltete Platine, dieses Mal in Gestalt einer Fisch-Biene. Ja, ihr habt richtig gelesen, eine Fisch-Biene! Das setzt bereits so ziemlich den Ton.

Das Seabee bietet 16 Presets, ist voll MIDI- und stereofähig und befindet sich ausgeschaltet im True Bypass; ein externes Tap-Tempo- oder Expression-Pedal kann ebenfalls angeschlossen werden.

Eine Übersicht der Regler und Schalter beschreibt am besten die unzähligen Möglichkeiten des Pedals: Der rechte Fußtaster schaltet an/aus, der linke steuert einen „Ramp“-Modus, der für das Verständnis des Pedals ganz entscheidend ist. Denn hier verändert man nicht nur das Tempo der Modulation mit einem Fußtritt – das kennt man ja von Rotary-Speaker-Simulationspedalen. Je nach Modus kann man auch andere chorustypische Parameter „rampen“!

Über dem Schalter sieht man einen kleinen Toggle, mit dem sich das „Ramping“-Verhalten des Fußschalters verändern lässt. Mit dem Toggle auf links steigt der gewählte Parameter an, wenn man den Fußschalter drückt, und sinkt, wenn man erneut drückt. Toggle in der Mitte: Parameter steigt an, so lange man gedrückt hält und sinkt mit der gleichen Geschwindigkeit, wenn man loslässt – also ein „Momentary Mode“. Toggle rechts: Der Parameter steigt nur an und schnalzt sofort zurück auf den vorherigen Wert, sobald man den Fußschalter freigibt. Damit nicht genug, auch die Richtung des Rampings lässt sich umschalten. Dieses Füllhorn an Möglichkeiten beim Ramping habe ich so noch bei keinem Modulations-Pedal gesehen.

Der Toggle in der Mitte schaltet durch die verschiedenen Modi des Pedals, ein Multieffektpedal ist das Seabee aber nicht: Die Modi legen eher fest, wie sich die Dopplung des Signals verhält und wie man dieses mit dem „Ramp“-Switch manipulieren kann. Der Toggle auf der rechten Seite schaltet dabei zwischen den beiden Modus-Ebenen Harmochorus und Chorus. Man hat also 2×3 verschiedene Modi, die ich im Praxisteil näher beschreibe.

Zu den drei Potis: Links „Ramp“ steuert die zwölf verschiedenen Pattern, die je nach Modus etwas anderes bewirken. Mittig regelt man die Geschwindigkeit der Modulation, die sich mit dem linken Footswitch auch tappen lässt. Rechts stellt „Depth“ die Intensität des Effekts ein. Wichtig: Auf einer zweiten Ebene – die man mittels längerem Drücken des rechten Fußschalters aufruft, was dann per LED angezeigt wird – lassen sich mit den drei Reglern Tonhöhe/ Pattern, Mix (zum trockenen Signal) und Feedback einstellen. Mit dem Mix-Poti in der Mitte lässt sich stufenlos von „Dry“ über „Chorus“ bis „Vibee“ ansteuern. Man kann also auch den Effekt ganz runterregeln und nur mit dem Ramp-Taster einblenden – eine tolle Idee! Ganz rechts, im Vibee/Vibrato-Modus, ist kein trockenes Signal mehr mit im Spiel. Seid ihr noch bei mir? Gut, wir kommen nun zum Praxisteil …

Praxistest und Resümee auf Seite 2

 

PRAXIS

Mir wurde ganz ohne Wellengang ob der Funktionen erst mal schwindlig, aber das Studium des Handbuchs sowie der auf YouTube verfügbaren Demo-Videos hilft wie immer enorm; „Plug & Play“ ist das Seabee jedoch eher nicht. Am besten ruft man zunächst den Live-Modus auf und experimentiert mit den Soundbeispielen aus dem Handbuch. Dabei lernt man auch die Handhabung schnell. Ich beschreibe die Soundmöglichkeiten am besten mit den Modi. Dem gesamten Geschehen liegt ein fetter, schöner „Bucket Brigade“-Chorus zugrunde.

ROTO: In diesem Modus steuert man mit Ramp die Geschwindigkeit der Modulation. Von quasi „nicht vorhanden“ über „leiert und blubbert“ bis hin zu Ringmodulator-artigen Tönen.

DEPTH: Hier manipuliert man mit dem Ramp-Schalter die Intensität des Effekts, also von „kaum hörbar“ bis hin zu „ganz schön wet“. Das ist ideal, wenn man nur an ganz bestimmten Stellen im Riff oder Lick kurz einen deutlich hörbaren Chorus oder ein schauriges Vibrato einblenden will.

STING: Hier lässt sich mittels „Ramp“ die Verzögerung, mit der das Signal gedoppelt wird, anpassen. Hinter dem mit Chorus verzierten Signal kann bei Betätigung des Ramp-Tasters gewissermaßen plötzlich ein schaurig-schönes Vibrato-Gehäul daherschleichen. Klingt gruselig? Ist es auch!

Schaltet man den rechten Toggle nun in die „HARMOCHORUS“-Ebene, wird die Sache vollends verrückt. Dieses zweite Hauptfeature des Seabees treibt das Prinzip Chorus auf die Spitze, indem es einen Pitchshifter mit Step Sequencer bzw. Delay und Arpeggiator daraus baut. Je krasser man die Potis stellt, desto mehr schleichen sich auch Bitcrusher-artige verzerrte Töne rein. Ich muss hier mal wieder die viel zitierten „Träume des (seekranken) Roboters“ lautmalerisch erwähnen, aber auch das aus vielen alten Science-Fiction-Streifen wohlbekannte „Alien-Geblubber“.

DUAL: Das Seabee spielt in diesem Modus neben dem Ton noch einen weiteren ab (und wiederholt das je nach Einstellung endlos), der sich in der Höhe vom ursprünglichen Ton unterscheidet. Diese Form des Step Sequencing besteht also aus zwei Tönen, deshalb „Dual“. Wie kaputt das Ganze klingt, regelt man nun mit den Potis oben.

ARP: Dieser Modus geht noch einen Schritt weiter als Dual und fügt dem gespielten Ton mehrere hinzu – auch hier ist von „harmonisch einleuchtend“ bis „der Roboter muss repariert werden“ alles drin. Für diesen Modus empfiehlt sich das genaue Studium der Akkord-Diagramme im Handbuch – damit man weiß, bei welcher Einstellung des Pattern-Potis welche Akkorde ausgespielt werden.

MAD: Wie Arp, allerdings erfolgen die hinzugefügten Tonsprünge völlig chaotisch. Endlich kann ich die Soundkulisse, die ich in meinem Kopf nach einem langen Arbeitstag voller Online-Meetings höre, auch mit der Gitarre nachspielen – hurra!

RESÜMEE

Ich gebe es zu: Zu Beginn hat mich das Seabee etwas überfordert, genau wie zuletzt das Zzombee. Für jemanden mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne ist das Seabee nichts. Eine gewisse Einarbeitungszeit muss man aufbringen, ebenso wie das genaue Studium des englischen Handbuchs. Dann erfolgen viele „Aha-Momente“, und Spaß stellt sich ein. Klanglich bleibt, wie von Beetronics gewohnt, kein Auge trocken. Der Chorus klingt dick und wohlig, die Rotary-Simulation ist mit eine der besten, die ich je gehört habe. Das Herzstück ist für mich das Ramp-Feature, mit dem sich viele tolle Sachen mitten im Riff machen lassen.

Die ganzen verrückten Modi sind natürlich ein Ozean an Möglichkeiten für Forscher:innen des Klangs. Der zweite Haupt-Clou des Geräts: Das Seabee kann als Standard-Chorus dienen, aber dafür wäre es quasi wie die Kanone zur Spatzenjagd. Das Feature-Paket ist umfangreich – MIDI, Tap Tempo, Stereo, Presets, viele Einstellmöglichkeiten, Ramp-Modus und und und … da steckt viel drin. Beim Preis wird mir aber ein bisschen flau, ähnlich wie bei einer Überfahrt mit der Speed-Fähre von Dänemark nach Norwegen (auch ohne im Schnaps-Shop auf Level 2 gewesen zu sein). Wer sich aber immer schon gefragt hat, ob Roboter seekrank werden können, findet hier die Antwort.

PLUS

  • tadellose Verarbeitung
  • wunderschönes Design
  • hervorragende Sounds
  • Ramping-Möglichkeiten
  • Funktionsumfang

MINUS

  • alle Anschlüsse an den Seiten
  • Einarbeitungszeit
  • Preis


(erschienen in Gitarre & Bass 12/2023)

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