Uneingeschränkt erstaunlich

Taschengeld Deluxe: Harley Benton MV4-PJ Gotoh BM im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Die Thomann-Hausmarke Harley Benton steht schon seit Jahren für erschwingliche Instrumente im unteren Preissegment. Der aktuell teuerste HB-Bass kostet gerade mal 350 Euro. Der neue MV4-PJ Gotoh ist um mehr als einen Hunni günstiger, gehört aber dennoch zur Deluxe Serie – was hat er zu bieten?

Die Liste der Features liest sich ganz und gar nicht wie ein Instrument für Einsteiger:innen. Der Korpus ist aus Erle, der Hals aus Ahorn. Das wurde gar geröstet respektive karamellisiert, eine Holzbehandlung, die vor nicht allzu langer Zeit noch teuren Boutique-Instrumenten vorbehalten war. Dabei wird Holz sehr hoch erhitzt, aber unter Ausschluss von Sauerstoff, sodass das Holz nicht einfach verbrennt. Einerseits wird es dabei sehr trocken, andererseits ändert sich die Zellstruktur so, dass sie stabiler und resonanter werden soll.

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KONSTRUKTION

Der gleichmäßig geröstete Hals des MV-4PJ zeigt die hierfür typische dunklere Färbung statt des eigentlich hellen Ahorntons. Der Skunkstripe, der die Fräsung für den Stahlstab von hinten verschließt, ist aus „Roseacer“. Den zugehörigen Baum wird man vergebens suchen – es ist ebenfalls thermobehandeltes Ahorn, diesmal so dunkel gebacken, dass es als Walnuss oder ähnliches durchgehen könnte. Man kann ihn beim Darüberfühlen leicht merken, aber nicht so, dass es stört. Eigentlich wäre ein Skunkstripe auch gar nicht nötig, hat der Bass doch ein aufgeleimtes Griffbrett aus Indian Laurel. Das ist unbehandelt, aber mit einer Einfassung versehen und mit weißen Blockeinlagen mit leichtem Perloid-Look verziert, die mit den schwarzen Dots im Binding korrespondieren. Farbe und Maserung des Lorbeers sind sehr angenehm. Ich habe schon häufiger eher grau-braune Varianten gesehen, dazu gehört der hier nicht.

20 Medium Bünde wurden eingesetzt, der Sattel ist – auch wieder ein eher in höheren Preisklassen zu findendes Detail – aus weißem Graphit. Die Halsplatte für die Vierfach-Halsverschraubung ist sogar mit einem Plastikschoner unterlegt. Die Brücke ist ein stabilerer Blechwinkel, der mit sieben Schrauben im Korpus fixiert ist, und Saitenreiter aus Messing hat. Erinnert mich von der Grundidee an die Wilkinson-Brücken, die tatsächlich aus dem gleichen Werk in Korea kommen.

Die Mechaniken an der Kopfplatte werden sogar in der Produktbezeichnung mit aufgeführt und kommen ergo von Gotoh. Die habe ich wirklich lange nicht gesehen! Nicht Gotoh-Bassmechaniken an sich, die sind ja nun zu Recht extrem verbreitet und beliebt wegen ihrer tadellosen Handhabung, aber diesen speziellen Typ – GB7 mit einer Kunststoffhülse um die Achse, zwischen Gehäuse und Flügel. Ab Anfang der 90er waren sie in dieser Form eine Zeitlang vor allem bei Ibanez-Bässen zu sehen. Sie sind mit geradem Saitenzug zum Sattel montiert, für mehr Anpressdruck sorgt ein Niederhalter für die drei hohen Saiten.

Während A und G einfach untergehakt werden, muss die D-Saite immer durchgefädelt werden. Ebenfalls an der Kopfplatte sitzt der Zugang für den Zweiwege-Stahlstab. Die Tonabnehmer in PJ-Konfiguration haben AlNiCo-Magnete, der P-Basstyp ist bauarttypisch ein Humbucker, der Jott am Steg ein Singlecoil.

Geregelt wird mit zweimal Volume, einmal Tone, die, wie auch die Ausgangsbuchse, auf dem hübschen Tortoise-Schlagbrett montiert sind. Voll aufgedreht zeigt die Markierung der griffigen Potiknöpfe in jeweils eine minimal unterschiedliche Richtung, was mich eher schmunzeln lässt, als dass ich die Malusliste auffülle. Um unter die Haube zu sehen, muss ich auch die Fingerablage unter den Saiten abbauen – ein Feature, welches kaum jemand nutzen wird, das aber einen optischen Vintage-Touch liefert. Wie erwartet sind Potis und Buchse von einfacher Qualität, die Verkabelung ist sauber gemacht und die Pickups haben sogar stoffummantelte Kabel. Der Gesamteindruck bis jetzt ist ein sehr ordentlicher, großartige Mängel sind am Testbass keine zu finden. Stattdessen muss ich noch die Genauigkeit der Fräsung für den Steg-Pickup und die Präzision erwähnen, mit der der Hals in die Halsfräsung eingepasst ist. Und nicht zu vergessen die tadellose Lackierung in feinmetallischem, recht dunklem Burgundy Mist. An der Korpuszarge lassen sich durch den Lack noch Riefen im Holz spüren, da war wohl keine Zeit für den letzten Schliff.

Wessen Tasse Tee die Farbe nicht ist, es gibt eine große Auswahl an Alternativen, inklusive traditionellem Sunburst und Schwarz.

Soundcheck und Resümee auf Seite 2

(Bild: Dieter Stork)

BESPIELBARKEIT/SOUND

Am Gurt gibt sich der MV4-PJ betont gutmütig, mit seinem relativ hohen Gewicht und den leichteren Mechaniken findet er sich knapp oberhalb der Waagerechten ein. Eingestellt ist er gut und der Sattel sauber gekerbt, ein bisschen habe ich für mich die Saitenlage noch tiefergelegt und den Stahlstab angezogen. Auch danach schnarrte und schepperte nichts – durchaus beeindruckend. Ebenfalls bemerkenswert finde ich, dass der Halswinkel so bemessen ist, dass er zur Brücke passt. Ein Shim ist nicht vonnöten, dennoch stehen die Madenschrauben nicht aus der Brücke heraus und nach unten ist noch reichlich Luft. Eine willkommene Abwechslung zu vielen Budget-Bässen, die auch mit den Saitenreitern ganz unten noch keine komfortable Saitenlage haben. Hier steht in Kombination mit dem sehr gut in der Hand liegenden, Jazz-Bass-mäßig geschnittenen Hals einer lockeren Bespielbarkeit nichts im Weg.

Schon akustisch gespielt fällt auf, dass der Bass nicht sonderlich sensibel auf Veränderungen der Anschlagsposition reagiert, was in dieser Preisklasse aber wohl auch niemand erwartet. Apropos erwartet – am Amp klingt es … unerwartet. Ich bin großer Fan von PJ-Bässen, mag AlNiCo-Pickups und habe entsprechend eine Erwartungshaltung, die der MV4-PJ so nicht bedient. Mit allen Reglern voll aufgedreht fehlt es dem Ton etwas an Substanz, er wirkt in den Mitten ausgehöhlter als es sein sollte.

Bei weitem nicht so, als wenn die Pickups out-of-phase verdrahtet wären, aber doch … Des Rätsels Lösung: So wie auch der Korpus einem Preci sehr ähnlich sieht, aber einen leicht anderen Schnitt hat, sitzen auch die Pickups nicht genau an den klassischen Stellen, sondern sind zur Brücke hin versetzt. Dem P-Pickup alleine schadet das wenig, der Ton ist sofort als preciesk identifizierbar, knurrig und mit absolut ausreichendem Fundament.

Der Jott büßt dagegen solo doch Substanz ein. Um ihn tragfähig zu bekommen ist beherzter Einsatz des Bassreglers am Amp angesagt, was er dann mit reichlichem Biss quittiert. Die beste Kombination beider Tonabnehmer ist in meinen Ohren der vollaufgedrehte vordere Pickup mit leicht zurückgenommenem Stegabnehmer. Das gibt auch ohne weiteren Equalizer-Einsatz einen großen Ton mit gutem Punch in den Mitten und Höhen, die den guten Attack des Basses sauber herausstellen. Guter Allroundton!

Die Tonblende will ich auch nicht verheimlichen, wie alle Regler läuft sie gleichmäßig und variiert den Treble-Anteil schön. Da der Abnehmer am Steg ein Singlecoil ist, ergibt sich die typische Nebengeräuschszenerie: Der Jott alleine ist am einstreuungsempfindlichsten, sind beide voll aufgedreht, reduziert sich die Einstreuungsempfindlichkeit, der P solo ist komplett still – keine unangenehmen oder sonstigen Überraschungen also. Am liebsten würde ich jeden Testbass gerne gleich mehrfach in der Hand haben, um zu sehen, ob es Streuungen gibt. Meistens ist das schlicht nicht möglich, hier hatte ich die Möglichkeit, noch ein zweites Exemplar in Augenschein zu nehmen.

Vieles ist gleich (die spür- aber nicht wirklich sichtbaren Riefen an der Zarge, die insgesamt exakte Verarbeitung, das Gewicht, der Sound); anderes besser (der leichte Deadspot des Testbasses im 6. Bund auf der G-Saite ist weg, der Skunkstreifen nicht fühlbar); manches weniger gut (die Saitenreiter sind zum Teil angelaufen, die Bünde haben teilweise auch ganz leichte Spuren wie von Flugrost).

RESÜMEE

Was der neue Harley Benton MV4-PJ Gotoh zu bieten hat, ist in der Optik und Bespielbarkeit uneingeschränkt erstaunlich. Auch die namensgebenden Mechaniken sind über jeden Zweifel erhaben. In der Verarbeitung hat der Testbass nur kleine Schwächen, macht aber an den wichtigen Stellen alles richtig, was zum Beispiel die Präzision der Halstasche angeht oder die Geometrie von Halswinkel und Brücke. Die gewählte Position der Tonabnehmer ergibt immer noch einige zum Teil sehr gut nutzbare Sounds. Im persönlichen Test sollte also geklärt werden, ob das doch recht hohe Gewicht auf Dauer, gerade für Anfängerinnen und Anfänger, tragbar ist und natürlich, wie einem die resultierenden Klänge zusagen.

PLUS

  • Optik
  • Bespielbarkeit
  • Verarbeitung (m.E.)
  • Gotoh Mechaniken
  • Balance
  • D‘Addario Saiten
  • Werkseinstellung Testbass

MINUS

  • Skunkstripe fühlbar
  • Feinschliff Korpus


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2023)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Guten Morgen Jogi,

    Chapeau. Selten so einen informativen Artikel über einen 4-Saiter gelesen. Unterhaltsam geschrieben und präzise bis in die Details. Insbesondere Dein Schreibstil fällt auf, weit weg von blumiger Werbesprache, einfach “Fakten, Fakten, Fakten … ” mit einer Bewertung von jemandem, der eine Ahnung hat. Das kam deutlichst rüber.

    Danke, ich konnte mir ein Bild machen und lass mir mal zwei ins Haus kommen.

    Gruß

    Uwe

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    1. Dem schließe ich mich absolut an. So sollten Testberichte aussehen, wenn es nämlich simpel um das geht, was ein/e User/in später auf dem Schoß bzw. um den Hals hängen hat. Und mit Gewichten von über 4,5kg – kennt man ja vom Vorbild – bleibt’s dabei. Spector rules ;⁠-⁠)

      Cheers, M

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