Support your local luthier: Koca Guitars Light Multiscale 7
von Simon Hawemann,
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Ich bin schon immer ein großer Fürsprecher davon gewesen, für den Bau der eigenen Custom-Gitarre einen talentierten, lokalen Gitarrenbauer aufzuspüren, statt irgendwo am anderen Ende der Welt etwas in Auftrag zu geben und überhaupt nicht persönlich involviert zu sein.
Mein erster Schritt in die Custom-Welt war 2010 der Bau eines neuen Korpus‘ für meine Ibanez RGA8. Der Gitarrenbauer Alexander Markusch hatte seine Werkstatt in meiner unmittelbaren Nachbarschaft und war in 3 Minuten zu Fuß zu erreichen.
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Auch mein erstes vollständiges Custom- Instrument kam aus meiner Heimatstadt Berlin: Die Hapas Sludge 727. Über etliche Tassen Kaffee habe ich damals das Design mit Gitarrenbauer Robert besprochen und war immer in Reichweite, wenn es etwas Neues gab. Nun lebe ich seit ein paar Jahren im Exil in Tampa, Florida, und erschließe so langsam die lokale Gitarrenszene. Hier sind nicht nur Dean Guitars und ihr Custom Shop angesiedelt, auch bei Guitar Repair of Tampa Bay, der Gitarrenwerkstadt meines Vertrauens, werden Gitarren gebaut. Und dort gibt es einen für Extended-Range-Gitarristen interessanten Neuzugang!
Von Istanbul nach Tampa
Einige meiner Gitarren hatten mal wieder ein professionelles Setup nötig, also machte ich mich vor ein paar Wochen auf zu Guitar Repair of Tampa Bay. Dort hatte ich schon oft kleine bis große Arbeiten in Auftrag gegeben, aber dieses Mal musste ich direkt drei Gitarren für Setups abgeben und ließ bei der Gelegenheit auch gleich ein paar neue Pickups verbauen.
Bei Guitar Repair of Tampa Bay arbeiten ehemalige Gitarrenbauer von Washburn und Dean, ihr könnt euch also vorstellen, dass dort nicht nur repariert, restauriert und kalibriert wird, sondern auch diverse Instrumente gebaut werden. Da wäre zum Beispiel die Crackercaster aus komplett einheimischen Hölzern, außerdem dient die Werkstatt als Zentrale für Electra Guitars, die Import-Modelle und Custom-Instrumente anbieten. Seit Kurzem weht aber ein ganz frischer Wind in dieser umtriebigen Gitarrenschmiede! So wurde mir beim Abliefern meiner Gitarren der türkischstämmige Neuzugang Erdem Koca vorgestellt, der nicht nur Teil des Teams ist, sondern auch unter dem Namen Koca Guitars Custom-Instrumente baut. Wie der Zufall es so wollte, kannte er mich bereits durch Instagram und hatte darüber hinaus gerade die Arbeit an einer 7-String Multiscale begonnen, die er mir im Rohzustand direkt in die Hand drückte.
Erdem versprach mir, dass die Gitarre fertig sein würde, wenn ich meine eigenen Klampfen abholen komme, und so war es dann auch! Die Zeit für ein Review war zwar knapp, da das Teil nur drei Tage später per Flugzeug nach Istanbul reisen sollte, aber Erdem stimmte zu. Schön, mal wieder etwas komplett Neues und außerordentlich Exotisches testen zu dürfen!
Exotischer wird’s nicht
Schon der erste Blick auf die Koca Light Multiscale 7 ist beeindruckend. Die Holzauswahl ist atemberaubend und sollte Liebhaber spektakulär gemaserter Hölzer zur Verzückung bringen. Aber womit haben wir es hier eigentlich zu tun? Eine fette Cocobolo-Decke ist auf einen Korina-Korpus geleimt, der mit seiner teilweise orangen Maserung wirklich was her macht. Auch der Hals ist aus Korina und kommt mit einem sehr schicken Ziricote-Griffbrett daher, welches der Gitarre das gewisse Etwas verleiht. Die Korpusform der Koca Light Multiscale 7 ist schwer einzuordnen. Das Doublecut- Design sieht schnittig aus, aber ohne dabei an die üblichen Superstrat-Formen zu erinnern.
Die Gitarre hat einen unübersehbaren Vorwärtsdrang, der durch die Multiscale-Konstruktion unterstützt wird. Bei all den exotischen Hölzern könnte man meinen, dass Pickups mit Chrom-Kappen zu viel des Guten wären, aber die glänzenden Fishman Fluence Moderns stehen der Cocobolo-Decke wirklich ausgezeichnet. Die schwarze Hipshot-Brücke und die sehr dunklen Holz- Potis entschärfen den Gesamtlook ein Stück weit, was die Gitarre angenehm harmonisch wirken lässt. Auch die Kopfplatte mit Cocobolo-Furnier trägt neben dem eleganten, silbernen Logo offene schwarze Hipshot- Mechaniken, die dem ganzen Boutique- Flair eine eher industriell anmutende Ästhetik entgegensetzen.
Maßgeschneidert
Koca Guitars ist ein Customshop im ursprünglichsten Sinne. Der Kunde kann grundsätzlich alles mitgestalten: Formen, Materialien, Dimensionen, Pickups, Hardware… you name it, Koca builds it! Somit ist jede Gitarre von Erdem ein ganz individuelles Einzelstück. Unsere Siebensaiter mit den gefächerten Bünden ist weder leicht- noch schwergewichtig, dafür aber auf dem Schoß sowie am Gurt ausgesprochen gut ausbalanciert.
Der Hals fühlt sich mit seinen 20mm am Sattel und 21mm am Hals-Korpus- Übergang allerdings einen Hauch voluminöser an, als ich es erwartet hatte. Nach ein paar Minuten Eingewöhnungsphase fühle ich mich allerdings schon wohl. Etwas länger musste ich mich daran gewöhnen, dass der gerade Bund – also der Bund, der wie bei normalen Gitarren in einem 90°-Winkel zur Griffbrettkante steht – in der 12. Position verbaut worden ist. All das ist ganz nach den Vorlieben des Kunden konstruiert, der wohl eher Lead- als Rhythmusgitarrist ist. Und ja, dem Leadspiel tut die Position des geraden Bunds keinerlei Abbruch, das Rhythmusspiel in tieferen Lagen erfordert aufgrund des zunehmend extremeren Winkels in Richtung Sattel eine leichte Anpassung der Spielposition. Für Rhythmusgitarristen empfehle ich eher eine Konstruktion mit geradem Bund zwischen der siebten und neunten Position – aber das nur am Rande.
Bleiben wir direkt bei den Bünden – die sind nämlich ziemlich massiv! Grundsätzlich spielt sich das sehr gut und man muss auch sagen, dass die Bünde ausgezeichnet abgerichtet sind, aber ich würde mir definitiv stärker abgerundete Bundenden wünschen. Wenn man nämlich die Halskante beim Spiel auf und ab gleitet, spürt man jeden einzelnen Bund in der Handfläche. In dieser Preisklasse sollte da noch mehr gehen, schließlich habe ich hier ca. $ 3500 auf dem Schoß. Dafür muss eine alte Frau lang stricken… ganz zu schweigen vom jungen ERG-Enthusiasten.
Die 27 Zoll auf den Bass- und 25.5 Zoll auf den Hohen-Saiten sind mittlerweile ja der goldene Standard für siebensaitige Multiscale-Gitarren und fühlen sich auch bei der Koca genau richtig an. Die Gitarre wurde mir im Standardtuning zum Testen übergeben; der Saitenzug ist straff und sorgt für einen ausgewogenen Ton mit ordentlich Sustain. Die ganze Gitarre schwingt sehr intensiv und klingt schon unverstärkt ziemlich massiv. Die momentan sehr im Trend liegenden Fishman Fluence Moderns tun da ihr Übriges!
Wie es der Zufall so will, habe ich just einen dieser Tonabnehmer in meiner Ibanez DCM100 installiert, ich muss jedoch neidlos anerkennen, dass das Teil in der Koca 7-String noch um einiges satter klingt – überzeugen könnt ihr euch mit den Vergleichs-Clips! Die Clips sollten Leute, die behaupten, aktive Pickups klängen in allen Gitarren gleich, erst mal zum Schweigen bringen. Mit dem passiven Voicing, das mittels Push/Pull-Tone- Poti anwählbar ist, klingt die Gitarre noch wärmer, aber auch etwas leiser. Das zwischen den beiden Voicings ein Lautstärkeunterschied besteht, finde ich nicht ideal, da könnte man im Hause Fishman noch etwas nachbessern. Ansonsten hält das passive Voicing grundsätzlich was es verspricht – ich weiß jedoch nicht, ob ich „passiv“ auch automatisch mit „dumpfer und bassiger“ gleichsetzen würde, denn diese Attribute schleichen sich etwas ein.
Fazit
Der Gang zum lokalen Gitarrenbauer war mal wieder spannend! Vielleicht wärt ihr ja überrascht, was für talentierte Gitarrenbauer sich in eurer Nachbarschaft so rumtreiben. Also recherchiert ruhig mal ein bisschen und schaut, was eure Stadt zu bieten hat! In all meine positiven Erfahrungen mit lokalen Gitarrenbauern reiht sich auch Koca Guitars nahtlos ein.
Die Light Multiscale 7 ist ein spektakuläres Instrument, das mit exotischen Hölzern Aufsehen erregt. Auch die Bespielbarkeit lässt wenige Wünsche offen – wobei die Spezifikationen natürlich nicht auf mich, sondern auf den Kunden zugeschnitten sind. Somit wäre mein einziger konkreter Kritikpunkt, dass die Fret Ends dieser Multiscale nicht abgerundet sind, aber ich bin mir sicher, dass man da mit entsprechendem Feedback nachhelfen kann.
Mal sehen, was ich sonst noch so an Gitarrenbauern in Florida auftreiben kann. Wäre doch gelacht, wenn es in diesem Staat nicht noch ein paar Geheimtipps zu entdecken gäbe!