Null Schnickschnack

Stripped to the bone: Slick SL 60 TV im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Klassisch zugeschnittene Brettgitarre, optisch rustikal und von der Ausstattung her rudimentär. Geradezu mormonisch schlicht kommt die SL 60 TV daher. Kann es da vielleicht innere Werte geben, oder ist das alles nur Aberglaube?

Slick Guitars? Denk den Vornamen Earl dazu, dann fällt der Groschen. Earl Slick, Gitarrist bei David Bowie, John Lennon u.a., hat sein gestalterisches Interesse für Gitarren-Designs zuvor schon durch eine Zusammenarbeit mit Framus gezeigt. Ergebnis war das Earl-Slick-Signature-Modell. Nun hat er also eine Reihe unter seinem eigenen Namen herausgebracht. Entworfen in New York, gefertigt in China.

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NULL SCHNICKSCHNACK

Mit dem Modell SL 60 TV liegt uns eine klassisch angelehnte und mit zwei Pickups bestückte Double-Cutaway-Brettgitarre im Slick Style vor. Slick Style? Earl Slick bevorzugt einfache, gradlinig ausgerichtete Gitarren ohne Schnickschnack. Das ist auch die Formel, nach der er seine schlichten, eher rustikal gehaltenen Instrumente gestaltet. Motto: die bestmögliche Gitarre für das kleinstmögliche Geld. Bescheiden tritt man bei Slick Guitars nicht gerade auf, wenn man verspricht, die besten Hölzer, die beste Hardware, die besten Mechaniken und die besten Tonabnehmer für einen unglaublichen Gitarrensound zu verwenden. Zum Schluss noch „das dünnste Finish, handmassiert, um dir das warme, seidige Old-School-Gefühl einer Gitarre zu geben, die schon eine Weile auf Tour ist.“

Gut gebrüllt, Löwe! Schauen wir uns die Sache einmal näher an: Der plane Korpus mit einer Brettstärke von 4,5 cm besteht aus solider, aus drei Teilen gefügter Sumpfesche. Der Hals aus Canadian Hard Rock Maple ist in Höhe des 16. Bundes über eine Neck Plate mit eingestanzter Seriennummer auf den Korpus geschraubt – ein gravierender Unterschied zu den vergleichbaren kleinen Gibson-Les-Paul-Modellen mit geleimtem Hals.

Schraubhals aus Ahorn (Bild: Dieter Stork)

Der Halsfuß wurde altmodisch eckig belassen, aber die tief geschnittenen Cutaways stellen die hohen Bünde dennoch gut frei. Das Griffbrett mit 12“-Radius aus indischem Palisander beherbergt 22 bemerkenswert gut bearbeitete Bünde (Neusilber 6105 Medium Jumbo); das Griffbrettende steht für die Aufnahme des letzten Bundes etwas über. Dot Inlays kennzeichnen die Lagen.

(Bild: Dieter Stork)

Die im Bereich der ersten drei Bünde großflächig angeschäftete Kopflatte trägt das Slick-Logo auf geschwärzter Front. Die Tuner, ein eigenes Slick-Design mit Bronze-Kronrad, Bronze-Ritzel und Messinggriffen, arbeiten praktisch spielfrei, leichtgängig und stimmstabil. Über den 43 mm breiten Graphitsattel laufen die Saiten mit 628 mm Mensurlänge (Gibson-Standard) hinüber zur versenkt montierten Wraparound-Bridge mit einzeln justierbaren Böckchen. Sie ist, wie die Saitenreiter auch, aus einem massiven Messingblock gefräst und wurde roh, also ohne Finish belassen. Der Potiknopf des Volume-Reglers wurde passend dazu ebenfalls aus Messing gefräst.

Wraparound Bridge mit justierbaren Böckchen aus massivem Messingblock gefräst (Bild: Dieter Stork)

Elektrik: Auch bei den zwei „Slick Junior“-Pickups mit AlNiCo-V-Stabmagneten, Delrin-Spulen, Formvar-42-Gauge-Draht, Neusilber-Grundplatten und Vintage-korrekten, schwarzen Kunststoffkappen handelt es sich laut Slick Guitars um „maßgeschneiderte Slick-Designs, von Hand gealtert und entmagnetisiert, um den bei Vintage-Tonabnehmern so begehrten Sag zu erzeugen.“ Die beiden P90-Pickups sind in der mittleren Position reverse, also geräuschunterdrückend verschaltet. Über den 3-Weg-Schalter lassen sich die Pickups wie üblich einzeln und in Kombination aufrufen.

Die Farbgebung soll natürlich an Gibsons alte „Limed Mahogany“ TV Color erinnern, ist dafür aber eine Spur zu grell ausgefallen und auch anders bewerkstelligt: „Wir beizen das Holz, sprühen dann eine einzige Schicht altmodischen Autolacks auf und schleifen es ab. Die Poren werden nicht verstopft, damit das Holz atmen kann.“

Was soll man sagen? Rudimentär gefertigt im Prinzip, aber von den Parts her durchaus interessant und in der Verarbeitung des entscheidenden Komfortelements, des Halses und seiner Bundierung, erstaunlich seriös ausgeführt – das macht neugierig auf die Handhabung und elektrische Umsetzung.

Haptik und Sound auf Seite 2

(Bild: Dieter Stork)

DIE WÜSTE LEBT

Die Slick SL 60 TV ist mit gut 3,7 kg nicht gerade leicht, fällt aber doch sofort animierend in eine überraschte Hand, die sich unerwartet wohlfühlt mit diesem sauber bundierten und griffig profilierten, dazu matt, aber schön glatt versiegelten Hals ohne scharfe Ecken und Kanten. Auch die akustischen Grundeigenschaften kann man alles andere als schwächlich nennen. Akkorde werden gut durchzeichnet umgesetzt, die allgemeine Darstellung ist straff und griffig und auf den Anschlag reagiert die Gitarre schnell und präzise. Diese lobenswerten Grundlagen für die Umsetzung in elektrische Bilder sprechen im Grunde dem verlangten Preis Hohn. Ist es wirklich möglich, zu solch niedrigen Preisen funktionstüchtige Instrumente anzubieten? Wer zahlt da drauf?

Mal Leo Fender fragen, der verfolgte im Grunde ähnliche Ziele: günstige Gitarren für jedermann, zusammengeschraubt von schlecht bezahlten Latino-Arbeitskräften (in der ersten Werkhalle gab es nicht einmal eine Toilette) für den Volkswagen unter den Electrics. Andere Zeit, andere Zone, verändert hat sich nicht viel.

Nun aber ab in den Amp und hallo: in klaren Einstellungen präsentiert sich die kleine Gelbe als jenes vom Ei – als runde, gehaltvolle Sache also. Alle drei Schaltpositionen bringen souveräne Sounds ans Ohr, der P-90-Typ am Hals saftig-volltönend, dabei leicht hohl, aber knackig im Bass, warme Mitten heben dazu das Zentrum hervor und selbst die Höhen erscheinen wohlgerundet zum Appell. Damit ist griffiges Akkordspiel leicht zu haben, aber im Overdrive auch gut Singen!

Gut klingende AlNiCo-Pickups (Bild: Dieter Stork)

Beim Umschalten zum Kollegen am Steg macht der sofort einen leichten Satz nach vorn. Genau richtig bringt er komprimierte Mitten in Stellung, beißt aber von den Höhen her gut zu, ohne dieses gefürchtete Fingernägelkratzen auf der Tafel. Mit dem feinen Näschen lässt sich im Overdrive, ab durch die Mitte, bestens operieren und das Skalpell effektiv setzen. Obwohl hier vielleicht intendiert eher die Rockattitüde hauwegmäßig anliegt, sind neben knarzend verlegten Powerchord-Brettern aber auch Soloeskapaden schön präsent singend in Szene zu setzen. Drückend, frech, auch gut von der Farbe her und richtig lang hingestreckt im Sustain.

Die mittlere Schaltposition zieht Profit aus der Zusammenschaltung dieser gut tönenden AlNiCo-Pickups und gibt uns noch einen beeindruckend offenen, leicht glasigen Kehl-Sound an die Hand, der dank RW/RP-Verschaltung und im Gegensatz zu den einzeln aufgerufenen Singlecoils so gut wie nebengeräuschfrei rüberkommt, im Zerrkanal dann aber auch bestens knurrt.

Sonst noch? Das Master-Volume läuft etwas schwer, auch mag man die Tonblende gelegentlich vermissen (lässt sich nachsetzen, Platz im Elektrofach wurde dafür gelassen), aber ansonsten: Tolle Ausbeute in der Gesamtsicht und man muss jetzt nicht einmal das übliche „für dieses Preisniveau“ anfügen.

Letzte Bemerkung: Die von Hand sowohl magnetisch als auch kosmetisch gealterten Tonabnehmer sollen angeblich alten Tonabnehmern ähneln und optisch gelingt das auch, aber am Ende will man den Dom dann ja doch lieber in Köln lassen. Sagen wir so: diese „Slick Junior“- Pickups sind gut, sogar besser als man eigentlich erwarten dürfte, aber ein bisschen Spielraum nach oben hin dürfen wir zugunsten alter P-90-Pickups schon noch einräumen.

RESÜMEE

Earl Slick ist ein alter Haudegen des Rock’n’Roll und so gradlinig wie er seine Riffs raushaut, so unkompliziert und direkt tönt auch das von ihm entworfene Modell Slick SL 60 TV. Das Augenmerk lag bei der Auswahl der Komponenten, sowie bei der spieltechnischen Einrichtung offenbar auf kompromisslos praxisgerechte Auslegung unter Verzicht auf jeglichen Schnickschnack. Die nicht gerade filigran, aber doch recht ordentlich verarbeitete Gitarre ist nicht ganz so leicht wie sie aussieht, bietet aber ein bemerkenswertes Klangvermögen, setzt Akkorde in harmonisch-straffer Auflösung um, verfügt über ein achtbares Sustain und nicht zuletzt über gut klingende Pickups mit Vintage-Flair. Dass sie sich am Ende auch noch bestens spielen lässt, ist fast schon zu viel des Guten. Die SL 60 TV ist auf jeden Fall ein richtiggehendes Rock’n’Roll Animal der alten Schule. Ob das für dich passt? Na, krieg’s einfach selbst mal raus!

PLUS

  • Design
  • Basismaterialien
  • Hardware mit Messing-Komponenten
  • AlNiCo-Pickups
  • Sounds
  • Handhabung
  • praxisgerechte Einstellung


(erschienen in Gitarre & Bass 09/2023)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Earl SLICK ist zweifelsfrei ein top Gitarrist.Ich sah ihn vor etlichen Jahren zusammen mit den kultigen New York Dolls als versierten Musiker in Berlin-Kreuzberg im berühmten SO36 Club. Bereits damals machte er neben Sylvain Sylvain (R.I.P.) eine sehr gute Figur. Er ist noch ein Gitarrist der schönen „Old School Aera“,wo echter uriger Rock & Roll im Vordergrund steht!

    Schade,daß diese SLICK SL 60 TV Gitarre derzeit leider nur in diesem grellen Zitronengelb angeboten wird. Mir wäre es viel lieber gewesen,wenn sie einfach naturbelassen ohne jedweden Farbauftrag geblieben wäre.

    Sie scheint jedoch durchaus eine sehr schlichte,aber top klingende Solid-E.-Body Guitar mit guten Hardware-Komponenten zu sein. Der Preis ist daher sowieso absolut fair. Aber die schrille Farbe ist mit ehrlich viel zu krass. Zudem hätte diese SLICK Gitarre wirklich gar keine „künstliche Nachbearbeitung“ im Style einer gebrauchten Elektrischen nötig!

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    1. Hallo Zylinderhut!
      Die Gitarre gibt es in vielen Farben, schau mal hier:
      https://musikwein.alphaplanweb.de/main/gitarren-und-baesse/slick-guitars/sl-60
      Schöne Grüße

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  2. Den Zeilen meines Vor-Redners schließe ich mich in allem Umfang an.
    Nur eine Bemerkung zur Farbe: Das ist ganz im Sinn der PR von Slick.
    Jeder soll bereits am Farbton und auch von weiterem Abstand zum
    Musiker entfernt auf den allerersten Blick erkennen, dass dieses Instrument eine SLICK ist. Klar stehe auch ich auf naturbelassenes Klangholz, mit etwas Wachs vor den Immissionen geschützt….

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    1. Als ich meine Slick SL 60 vor ca 2 Jahren gekauft habe, gab es sie auch in weiß, schwarz, mintgrün und natur. Meine ist schwarz mit cremefarben P90-Humbuckern. Ob es diese Farbauswahl jetzt noch gibt kann ich nicht sagen.

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    2. Hallo Rudolf!
      Die Gitarre gibt es in vielen Farben, schau mal hier:
      https://musikwein.alphaplanweb.de/main/gitarren-und-baesse/slick-guitars/sl-60
      Schöne Grüße

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  3. Hallo. Ich habe eine Slick dieser Art mit schwarzem Korpus. Es gibt das gleiche Modell auch in Natur, weiß oder mintgrün. Zumindest als ich sie vor ca 2Jahren gekauft habe.

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  4. Sehr schön, der Satz über Leo Fender! Und die Idee der 6 verschiebbaren Einzelböckchen kommt übrigens von Hagstroems aus den 60ern.

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