Der entscheidende, oft übersehene Faktor für guten Sound
Speaker Special: Gitarrenlautsprecher Teil 1
von Ignazio Vagnone,
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(Bild: Jensen)
Was macht Gitarrenlautsprecher so besonders und wichtig? Jensen-Speakers-Spezialist Ignazio Vagnone bringt Licht ins Dunkel …
Kaum eine andere Gruppe von Musikern ist derart besessen von ihrem Equipment wie E-Gitarristen. Und da ich selbst einer bin, traue ich mich zu sagen: aus gutem Grund. Mit seinem Sound zufrieden zu sein, ist wesentlich für die Spielfreude. Guter Klang lässt uns nicht nur besser spielen, sondern macht auch einfach glücklich. Ein falscher oder unschöner Sound hingegen kann das Spielerlebnis ruinieren, uns frustrieren und letztlich sogar dafür sorgen, dass die Gitarre schnell wieder im Koffer landet.
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Selten sind sich Gitarristen der Relevanz der Lautsprecher in ihren Combos und Boxen bewusst – was nach meiner Auffassung fahrlässig ist! Denn diese verkannte kleine Komponente kann den Ton eines Rigs völlig verwandeln.
Wir alle wissen, wie unterschiedlich Studioaufnahmen über verschiedene Monitorlautsprecher oder Kopfhörer klingen können. Noch drastischer erscheint der Unterschied über unser HiFi-System, die Bluetooth-Box, im Auto, am Laptop oder übers Smartphone. Am Ende des Tages wollen wir doch nur erreichen, dass alles, was wir spielen oder aufnehmen, bestmöglich von den Lautsprechern wiedergegeben wird. Doch ändert man diese, ändert man fast alles! Obwohl alle besagten Lautsprechersysteme darauf ausgelegt sind, für ihren Zweck so linear und effizient wie möglich zu performen, klingen sie in der Realität extrem unterschiedlich.
E-GITARREN-LAUTSPRECHER
In der Gitarrenwelt wird die Situation noch bunter, denn hier sind Lautsprecher nicht mal ansatzweise auf Linearität ausgelegt. Sie werden eben nicht konstruiert, um schlicht die elektrische Energie mit minimaler Färbung und Verzerrung in Sound umzusetzen.
Ganz im Gegenteil: Sie sollen das Signal mit ihrem eigenen Charakter, Farbe und Obertönen überlagern und so, wie auch ein Verstärker, integraler Bestandteil eines Musikinstruments werden. Es ist kein Geheimnis, dass einige der besten Amp-Hersteller der Welt offen zugeben, dass Lautsprecher bis zu 50% des Klangergebnisses ausmachen, vielleicht sogar mehr. Werfen wir also mal einen genauen Blick hinter die Frontbespannung unserer Boxen …
GESCHICHTE
Heute können wir uns kaum mehr vorstellen, wie verblüfft die Bürger von San Francisco waren, als Peter Jensen, ein dänischer Ingenieur, im Jahre 1915 im Golden Gate Park erstmals die Verstärkung einer menschlichen Stimme demonstrierte. Dazu nutzte er den Magnavox, der Urahn des dynamischen Lautsprechers wie wir ihn kennen: eine konische Membran, angetrieben von einer Schwingspule, eingetaucht in ein magnetisches Feld. So hat alles begonnen …
Spulen wir vor in die späten 40er-Jahre: Jensen war einer der Marktführer in den neuen Radio- und PA-Märkten und der E-Gitarrenmarkt wurde von Firmen wie Valco, Supro, Silvertone, Magnatone, Gibson, Epiphone und natürlich Fender dominiert.
Bald wurde Jensen auch Hauptzulieferer für die Gitarren-Amp-Industrie und beeinflusste fortan den Sound tausender Gitarristen und Alben, die die Musikgeschichte nachhaltig prägen sollten. Auf dem Weg dorthin traten auch andere amerikanische Hersteller in Erscheinung, darunter Eminence, JBL, EV, Utah, Oxford und viele mehr. Bis Mitte der 60er-Jahre stattete Jensen alle verschiedenen Generationen von Fender-Amps aus, von den Tweed-Amps über die Blonde- und Brown-Amps bis hin zum Blackface. Derweil startete Celestion auf der anderen Seite des großen Teichs seine Zusammenarbeit mit Vox und Marshall, Fane kollaborierte mit Hiwatt und Laney.
Als Leo Fender 1965 seine Firma an CBS verkaufte, verlor Jensen das Interesse am Gitarren-Amp-Business und zog sich langsam aus dem Markt zurück – leider pünktlich zur weltweiten Explosion des Blues- und Rock-Phänomens, mit weltklasse Acts wie den Beatles, The Rolling Stones, Cream, Led Zeppelin, Free und ikonischen Gitarrenhelden wie Eric Clapton, Jeff Beck, Jimmy Page, Ritchie Blackmore und Paul Kossof, neben etlichen anderen. Diese fragwürdige Entscheidung ließ am Markt viel Platz für Wettbewerber, besonders für Celestion. Die Briten nahmen eine führende Rolle ein, die sie bis heute aufrecht erhalten.
Spulen wir noch weiter vor in die späten 90er-Jahre: Der Trend ging zu „Vintage-Reissue“-Modellen. Fender, Gibson und andere Firmen stellten Vintage-inspirierte Gitarren, Bässe und Amps vor, was ein ganz neues Feld eröffnete. Damals arbeitete eine Gruppe von Gitarrenfans und Sammlern – darunter meine Wenigkeit – für den Jensen-Unterhaltungselektronik-Vertrieb in Italien. Wir baten Jensen um Erlaubnis, eine Vintage-Serie von Jensen-Lautsprechern entwickeln zu dürfen, mit dem Ziel die früheren Geschäftspartner und eine ganz neue Generation von Gitarristen wieder mit originalgetreuen Speakern zu beliefern.
Die Umsetzung hatten wir uns allerdings einfacher vorgestellt – kein technisches Archiv hatte die vielen Besitzerwechsel der Firma Jensen überlebt. Für die Recherche und Entwicklung waren wir daher auf das angewiesen, was das Internet der 90er-Jahre und der Gebrauchtmarkt für Vintage-Amps und -Speaker hergaben. Lange Rede, kurzer Sinn: Im Jahr 2000 stellten wir auf der Summer NAMM in Nashville unsere rekonstruierten „neuen“ Jensen Speaker vor, gebaut von SICA Altoparlanti in Italien. Der Rest ist Geschichte …
WAS MACHT EINEN GITARRENLAUTSPRECHER SO ANDERS?
Wenn man sich die einzelnen Komponenten eines Lautsprechers und deren Einfluss auf dessen Ton anschaut, muss man immer bedenken, dass der Speaker ein „System“ in sich ist – jeder Parameter beeinflusst viele andere. Man muss all diese Faktoren ausbalancieren, um beim „Voicing“ eines Lautsprechers den gewünschten Charakter zu erreichen.
Ein Gitarrenlautsprecher unterscheidet sich merklich von einem Bass- oder PA-Lautsprecher und erst recht von solchen für HiFi- oder Studiomonitor-Anwendungen. All diese Lautsprecher sollen das eingehende Signal möglichst unverfälscht und verzerrungsfrei reproduzieren und dabei den Wirkungsgrad maximieren. Sie sollen sich so linear wie möglich verhalten und im Idealfall wie die Kolben eines Motors bewegen.
Gitarrenlautsprecher reproduzieren hingegen ein relativ schmales Frequenzband, in der Regel zwischen 80 Hz und 6 kHz, wo sich die meiste Information abspielt. Ihr Frequenzgang ist keineswegs linear, und sie bewegen sich nicht wie Kolben. Zudem dienen sie als eine Komponente des Sound-Designs: Ihr Klang ist ab Werk auf einen spezifischen Charakter gemünzt, mit einem bestimmten Anteil harmonischer Verzerrung, selbst bei geringen Lautstärken.
AUFBAU
(Bild: Ulfbastel (CC))
Werfen wir einen kurzen Blick auf die Bauteile eines Lautsprechers und sehen, wie und warum die Bauweise den Ton beeinflusst.
● DIE MEMBRAN
Die sichtbarste Komponente ist die konus- bzw. trichterförmige Membran. In aller Regel besteht diese aus Papier oder eher Zellstoff. Dessen Zusammensetzung bestimmt die Masse und Stabilität der Membran. Während für Bass-, HiFi- oder PA-Anwendungen durchaus auch Membranen aus Polypropylen, Carbon oder Fiberglas zum Einsatz kommen, um maximale Steifigkeit und präzise Bewegungen zu erreichen, ist Papier für Gitarrenlautsprecher das vorherrschende Material.
Es ist leicht und trägt zur hohen Effizienz bei, die für diese Lautsprecher typisch ist. Es ist relativ weich, was zur Obertonbildung (kontrollierten Verzerrung!) beiträgt und so selbst den cleansten Gitarrensound anreichert.
Durch Druck oder eine Werkzeugform erhält dieses dünne, leichte Material seine Konusform, alternativ wird die flache Papierfolie zu einem Trichter gebogen und dann an der Naht verklebt. Viele Vintage-Style-Membranen sind auf diese Weise verklebt oder auch „seamed“, während der Großteil der modernen Lautsprecher geformt wird.
Natürlich haben unterschiedliche Bauweisen einen klanglichen Effekt. Der Kleber an der Naht fügt Gewicht und Steifigkeit hinzu, erhöht den Bassanteil, aber kann den Wirkungsgrad und somit die Effizienz des Speakers leicht reduzieren.
Membranen können auch mechanisch behandelt werden, etwa um sie mit hervortretenden oder vertieften Ringen zu versehen. Diese werden oft als „Rippen“ bezeichnet und versteifen die Membran zusätzlich, damit sie, während der drückenden und ziehenden Bewegung der Schwingspule, ihre Form halten kann. Die Größe, Zahl und Position dieser Rippen beeinflusst verschiedene Frequenzbereiche und ist ein wichtiges Werkzeug für Speaker-Designer. Vereinfacht gesagt: Eine flache Membran „flattert“ mehr und bringt mehr harmonische Verzerrung. Die Rippen helfen dabei, diese Verzerrung in dem Bereich zu fokussieren, wo der Designer es möchte.
Ein Bass- oder PA-Woofer hat meist eine viel schwerere und dickere Membran, steifer, mit ausgeprägten Rippen, um den Bassbereich mit geringer Verzerrung abzubilden. Ein viel diskutierter Aspekt ist das „Doping“ von Lautsprechern. Viele Membranen werden mit einer oder mehreren chemischen Beschichtungen behandelt, was dem Feintuning der Performance dienen kann. Bestimmte Beschichtungen können Masse und Steifigkeit addieren und die Bassansprache beeinflussen. Andere wiederum können den Zellstoff weicher und flexibler machen.
Bild: Jensen
Formgepresste Membran mit
extrem vielen Rippen, unbehandelter Sicke und Papierkalotte
Bild: Jensen
Geklebter „Seamed“-Cone mit wenigen Rippen, unbehandelter Sicke und Filzkalotte
Formgepresste Membran mit
Sicken-Beschichtung und großer
Stoffkalotte
Bild: Jensen
„Seamed“-Cone mit leichter Sicken-Beschichtung und Stoffkalotte. Die Klebenaht der Membran ist deutlich erkennbar.
Bild: Jensen
Formgepresste Membran ohne Rippen, mit Sicken-Beschichtung und Stoffkalotte
Bild: Jensen
Formgepresste Membran ohne Rippen und Sicken-Beschichtung, mit Papierkalotte
● DIE AUFHÄNGUNG
Die Membran eines Bass- oder PA-Lautsprechers ist von wellenförmigem Stoff- oder Gummi umgeben. Diese „Aufhängung“ (oder auch Sicke) verbindet sie mit dem Korb des Speakers. Sie sollte elastisch genug sein, um die Bewegung der Membran zu erlauben, aber auch straff genug, um deren Auslenkung zu kontrollieren. Fast alle Gitarrenlautsprecher haben ein anderes Aufhängungssystem: Die Membran selbst erstreckt sich bis zu den Rändern des Korbes und ist unter einer Dichtung verankert. In den Rand der Papiermembran werden mechanisch zwei oder mehr Wellen gepresst.
Der Randbereich der Membran wird so quasi zur Aufhängung, daher die Bezeichnung „integrated paper suspension“. Auch in diesem Fall wird wieder der Bassbereich beeinflusst. Eine Stoff- oder Gummisicke erlaubt mehr Auslenkung und einen saubereren Ton. Die Papiersicke ist vielleicht weniger effizient im Tiefbassbereich, kann aber zu lebendigeren, druckvolleren Tiefmitten verhelfen, die für die Gitarre von großer Bedeutung sind.
● DIE KALOTTE
Im Zentrum der Membran befindet sich die sogenannte Staubschutzkappe oder auch Kalotte, die ihrem Namen alle Ehre macht. Sie hindert Staub und andere Partikel daran, in den Spalt des Magneten vorzudringen, in dem sich die Schwingspule befindet. Größe und Material der Kalotte beeinflussen den Sound. Umso größer sie ist, desto eher verliert der Lautsprecher Energie in den Höhen.
Technisch gesehen, verringert eine größere Kalotte den Schwellenwert, ab dem ein Gitarrenlautsprecher beginnt, Energie zu verlieren. Dieser sollte, grob gesagt, irgendwo zwischen 5 und 8 kHz liegen, damit der Ton nicht zu „fisselig“ wird, vor allem bei Overdrive- oder Distortion-Sounds, die ohnehin schon reichhaltige Höhenanteile haben. Was gängige Materialien für Staubschutzkappen angeht, dämpft eine schwere Filzkappe die oberen Höhen mehr als eine akustisch eher transparente Stoffkappe, und natürlich weniger als eine Papier- oder Aluminiumkappe.
● DIE SCHWINGSPULE
Hinter der Membran finden wir die Schwingspule, die im hohen Maße verantwortlich für den finalen Klang des Lautsprechers ist. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um eine Spule aus Metalldraht auf einem zylindrischen Spulenkörper. Und – wie könnte es anders sein – ihre Größe, ihr Durchmesser und das Material des Drahtes beeinflussen den Sound. Meist wird Kupfer verwendet, es gibt aber auch gute mit Aluminium gewickelte Schwingspulen, neben anderen Metallen. Ist die Spule erst einmal gewickelt, wird sie mit Harzen und Klebern behandelt und bei hohen Temperaturen „gekocht“, um sicherzustellen, dass der Draht am Spulenkörper haftet und sich, selbst bei hoher Belastung oder Hitze, weder bewegt noch vibriert.
Der Durchmesser der Schwingspule ist sowohl für die Klangformung als auch für die Belastbarkeit des Lautsprechers relevant. Ein größerer Durchmesser sorgt für eine bessere Ableitung der Hitze, die durch die Bewegung entsteht, und erhöht somit die Belastbarkeit. Eine kleinere Schwingspule hingegen ist leichter, ergo effizienter, und klingt akzentuiert in den oberen Mitten und Höhen. Eine größere und schwerere Spule verträgt mehr Power und hat sanfter abfallende Höhen. Der Durchmesser entscheidet auch über den spezifischen und charakteristischen Fingerabdruck im Mittenspektrum.
Im Gitarrenbereich rangieren die üblichen Durchmesser zwischen 1″ (25 mm) und 2,5″ (64 mm). Fast alle Celestion-Speaker haben zum Beispiel eine 1 ¾”-Kupfer-Schwingspule (44 mm) und alle Modelle teilen sich eine gewisse Erdigkeit und Aggressivität in den Mitten – ein unverkennbarer Bestandteil des „britischen“ Rock-Tones.
Die Jensen-Vintage-Speaker haben seit jeher Schwingspulen mit kleinerem Durchmesser und bieten einen etwas helleren Ton, während einige der neuesten Entwicklungen in der JetSeries mit 2″-Spulen (50mm) ausgestattet sind, für mehr Belastbarkeit und smoothe Höhen. Der viel geschätzte EVM12L von Electro-Voice, der in vielen Boutique-Amps zum Einsatz kommt, hat eine riesige 2,5″-Schwingspule, die für enorme Belastbarkeit und massig Headroom sorgt.
Die Art des Spulenkörpers hat ebenso seine Relevanz: Die meisten Vintage-Speaker hatten Spulenkörper aus behandeltem Papier. Papier-Spulenkörper sind ziemlich hitzeanfällig, wohingegen Materialien wie Kapton, Nomex oder Fiberglas thermisch viel stabiler sind und die Belastbarkeit eines Lautsprechers signifikant erhöhen. Bei der Entwicklung der Jensen-Vintage-Reissues fiel uns auf, dass der Wechsel von Papier auf Kapton die Belastbarkeit fast verdoppelte.
Die Herausforderung war es, eine Kaptonfolie zu finden, die klanglich möglichst nah an Papier herankam. Schließlich sollte dieses, den Anforderungen der Gegenwart entsprechende, Upgrade auch für Vintage-Puristen akzeptabel sein. Der Spulenkörper wird von einer sogenannten „Spinne“ an Ort und Stelle gehalten. Das ist quasi das hintere Aufhängungssystem des Speakers, welches die Auslenkung der Schwingspule kontrolliert. Die Spinne besteht meist aus synthetischem Stoff, der zu konzentrischen Wellen geformt und durch eine Behandlung besonders flexibel wird.
● DER MAGNET
Endlich, der Magnet, der Motor des Lautsprechers. In grauer Vorzeit setzte man nicht auf Dauermagnete, sondern auf solche, die durch einen Trafo magnetisiert wurden. Erst später wurden AlNiCo-Dauermagnete die Norm. AlNiCo steht für einen Guss aus Aluminium, Nickel und Kobalt, der durch ein industrielles Werkzeug permanent magnetisch geladen wird. Von den 40ern bis in die späten 60er-Jahre war beinahe jeder Lautsprecher, ob nun für Gitarre oder andere Anwendungen, mit einem AlNiCo-Magneten ausgestattet.
Der sagenumwobene AlNiCo-Tone dieser Vintage-Speaker zeichnet sich durch liebliche und musikalische Kompression aus, die bei zunehmender Lautstärke noch ausgeprägter wird. Ebenso charakteristisch sind die glockigen Höhen und ein wärmerer, etwas sanfterer Bassbereich – beides liegt in dem speziellen Verhalten der Impedanzkurve begründet, die der Magnet generiert.
Da die Preise der Rohmaterialien für AlNiCo in den frühen 60ern explodierten, waren die Hersteller gezwungen zu Ferrit-Magneten, besser bekannt als „Keramikmagneten“, überzugehen. Auch heute noch wird der Großteil aller produzierten Lautsprecher mit solchen Magneten ausgestattet. Ein Keramikmagnet ist bedeutend billiger als ein AlNiCo, aber auch sehr viel schwerer und größer.
Klanglich bietet ein Keramik-Lautsprecher weniger dynamische Kompression, einen fokussierteren, strafferen Ton, weniger „luftig und offen“ als ein vergleichbarer AlNiCo-Speaker. Deshalb ist Keramik nicht unbedingt schlechter oder besser als AlNiCo, sondern höchstens „anders“. Und diese kleinen aber feinen Unterschiede im Klangverhalten trugen zur „In your face“- Attitüde der lauteren und härteren Rockmusik der späten 60er-Jahre bei.
Die Keramiklautsprecher sind seit der Blackface- und Silverface-Ära ein Hauptbestandteil des Fender-Tons, aber auch des britischen Sounds (mit Ausnahme der früheren Generationen des Vox AC30, die mit den fabelhaften G12-T530-AlNiCo-Blue-Celestions kamen). Beginnend mit der ersten Generation des G12M-20 Greenback über den G12-65 und den Vintage 30 bis hin zur Creamback-Familie und vielen anderen, legten Celestion-Keramiklautsprecher stets das Fundament für klassische sowie moderne Rocksounds.
AlNiCo erlebt in den letzten Jahren ein kleines Revival, da einige Marken hochpreisige Modelle an Boutique-Amp-Hersteller liefern oder als High-End-Ersatzteile anbieten: Celestion hat die Blue-, Cream-, Gold- und Ruby-AlNiCo-Speaker, Jensen die Blackbird-Range und auch Eminence, WGS, Weber und andere mischen mit. In den letzten 20 Jahren ist für Gitarrenlautsprecher auch Neodym interessanter geworden, ein neues magnetisches Material, das ein attraktives Verhältnis von Gewicht und Leistung bietet.
Ein Neodym-Magnet kann zehnmal leistungsfähiger sein als ein Ferrit-Magnet vergleichbarer Größe, oder aber gleich stark bei einem Zehntel der Größe. Der Rohstoff ist sehr teuer, dank seines hohen Potentials genügt jedoch ein kleinerer Materialeinsatz. Somit ist das Endprodukt zwar teurer als ein vergleichbarer Keramiklautsprecher, aber es werden keine Mondpreise dafür aufgerufen.
Ursprünglich wurde Neodym in den PA-Lautsprechern von Beschallungsanlagen eingesetzt, da z. B. auf Tour jedes gesparte Kilo zählt. Dann wurde das Material auch für E-Bass-Lautsprecher entdeckt, wo es sich inzwischen von der Ausnahme zur Norm mausert. Bassisten können ein Lied davon singen, wie angenehm und rückenschonend ihr Touralltag geworden ist, seit es leichte Boxen mit Neodym-Speakern sowie kompakte Class-D-Amps gibt!
Wie dem auch sei, in der Gitarren-Community hatten Neodym-Lautsprecher zu Beginn einen schweren Stand. Die Industrie hatte sich so sehr auf den Klang von Keramiklautsprechern eingeschossen, dass sie eine ganze Weile brauchte, um den Ton der Neuankömmlinge auf die Hörgewohnheiten abzustimmen. Deshalb klingen einige der frühen Neodym-Gitarrenlautsprecher etwas befremdlich, sehr zum Unmut vieler Gitarristen.
Bild: Jensen
Jensen C12K mit Ferritmagnet – ein
Klassiker in etlichen Fender-Combos
Bild: Jensen
Die Neodym-Version des C12K hört
auf den Namen N12k
Bild: Jensen
Großer AlNiCo-Scheibenmagnet
auf einem Jensen P12N
AlNiCo-Magnet in kompakter Horseshoe-Bauweise auf einem Jensen P10R
Was Jensen betrifft, kann man generell sagen, dass ein Neodym-Magnet sich klanglich irgendwo zwischen Keramik und AlNiCo bewegt, mit leichter Tendenz zu Letzterem. Als wir diesen doch speziellen Charakter erkannten, begannen wir mit dem Design und Voicing einer neuen Generation von Neo-Lautsprechern und taten dabei so, als wären diese mit AlNiCo-Magneten ausgestattet. Da wir jahrzehntelange Erfahrung auf diesem Gebiet haben, gestaltete sich der Prozess sehr intuitiv und brachte bald die zweite Generation von Neodym-Lautsprechern für die E-Gitarre hervor.
Gegenwärtig sind alle Hersteller von Gitarrenlautsprechern dazu in der Lage, Neo-Lautsprecher zu produzieren, die ihren AlNiCo- und Keramik-Geschwistern in nichts nachstehen. Ein gutes Beispiel ist der Celestion Neo Creamback, der zwar marginal anders klingt als etwa ein Creamback 65, aber tonal nichts vermissen lässt und dabei eine Menge Gewicht einspart. Noch ein gutes Beispiel ist der Jensen N12K, eine Neodym-Version des klassischen Jensen C12K, der ab Werk in unzähligen Fender-Amps untergebracht war. Fender verlangte „denselben Ton, bei halbem Gewicht“, was natürlich leichter gesagt als getan ist, aber nachdem wir unsere Hausaufgaben gemacht hatten, durfte schließlich der N12K in die neuen Fender-Tonemaster-Combos einziehen.
Ich muss dafür plädieren, dass Gitarristen ihre Vorurteile gegenüber Neodym-Lautsprechern endlich ablegen sollten. Manch einer wird ihren Klang lieben oder hassen, aber fürs Ohr macht in der Regel nicht das magnetische Material den entscheidenden Unterschied! Es ist vielmehr das Zusammenspiel aller Komponenten, das das Klangbild bestimmt. Im zweiten Teil des Speaker-Specials schauen wir uns an, wie ein Lautsprecher mit einem Gehäuse und dem Verstärker interagiert. Denn der Klang des Lautsprechers ist maßgeblich für den Ton eines Gitarren-Rigs, und der ist für viele von uns Gitarristen schließlich alles was zählt!