Die Twilight- ist alles andere als eine Comfort-Zone. Wer im Zwielicht steht, bewegt sich zwischen zwei klaren Polen, und das erfordert ein starkes Rückgrat und einen ausgeprägten Charakter.
Stefan Sonntag ist in Deutschland längst eine Institution in Sachen Archtop-Bau. Und dennoch ist er vielseitiger unterwegs, als manche denken. Auf der Suche nach neuen Wegen ist er mit seinem Modell Weltklang mitten in der Twilight- Zone gelandet – zwischen Jazz und dem Rest der Welt.
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Jazzgitarre unter Rock’n‘Roll-Verdacht
Die Weltklang – was für ein vielversprechender Name! – entspricht in Form und Handling einer typischen Jazzgitarre. Im Prinzip wäre sie es auch, hätte sie nicht einen massiven Center-Block, der vom Halsansatz bis knapp hinter die Brücke durch ihren 16″ breiten Korpus läuft. Dieser Center-Block ist ganzflächig mit der Fichtendecke und dem Ahornboden (beide massiven und gewölbt) verleimt und verhindert so Eigenresonanzen des Korpus, die im Live-Einsatz für ungewolltes Dröhnen sorgen könnten. Am 14. Bund geht der dreistreifige Ahornhals und das Ebenholzgriffbrett in einem klassischen Übergangs-Szenario in den Korpus über. Auffällig die gewinkelte Kopfplatte – nicht nur wegen ihrer Größe, sondern auch der markanten Form und ihrer dunkelblauen Farbgebung. Die Brücke – ein Wraparound-Typ von ABM mit einstellbaren Saitenreitern – und die Pickups – splitbare Häussel ‘59 – zeigen auf, dass es hier wirklich nicht in erster Linie um Jazz geht, auch wenn die Gitarre auf den ersten Blick so aussieht.
Wobei: von wegen erster Blick … der neben der erwähnten Kopfplatte zweite optische Blickfang ist wegen seiner ungewöhnlichen, geradezu kühnen Form das Pickguard der Weltklang. Diese vermittelt im optischen Zusammenspiel mit dem tief geschnittenen Cutaway (florentinisch) eine gehörige Portion Offenheit, Optimismus, ein nach vorne Gehen. Stefan Sonntag sagt, dass ihn die deutsche Archtop-Geschichte der 50er-Jahre, mit all dem Nachkriegs-Spirit, den diese Zeit damals auszeichnete, zu diesem Design inspiriert hätte. Erinnern Sonntags „richtige“ Jazz-Gitarren in der Regel an die der amerikanischen Tradition – D‘Angelico, D‘Aquisto und andere –, erscheint die Weltklang da doch deutlich entstaubter. Was durchaus auch musikalisch gedeutet werden kann, denn Sonntag beschreibt die anvisierte Weltklang-Zielgruppe so: „Die Weltklang soll eine Gitarre für den Jazzer sein, der auch mal laut zur Sache muss, aber trotzdem genug Holz im Ton für den Jazz braucht. Und sie ist auch für den Rocker gedacht, der hier und da auch clean einen fetten Ton braucht oder zwischendurch jazzen will.“
Who’s the boss?
Der 65 mm starke Korpus produziert so gut wie gar keinen eigenen, akustischen Sound; tatsächlich ist die Weltklang akustisch sogar noch leiser als z. B. eine Gibson ES-335. Denn die hat zwei Schalllöcher. Aber natürlich kann man trotzdem schon den grundsätzlichen Charakter dieser Gitarre erkennen – und der lässt sich vielleicht am besten mit souverän und selbstbewusst umschreiben. Ohne einen übertriebenen Attack-Sound schwingt sich der angeschlagene Ton schnell zu voller Blüte auf, steht dort mit einem kerngesunden Sustain und klingt dann langsam und ungewöhnlich breitbandig aus. Die Abstimmung der einzelnen Saiten untereinander ist perfekt – die Trennung der Saiten (Transparenz) gerade richtig, sodass es nicht dünn klingt, aber eben auch nicht verschwommen. Komplexe Akkorde werden in vollem Bild wiedergegeben – da spürt man das Jazz- Blut, das durch die Adern der Weltklang fließt.
Am Verstärker äußert sich dann die Vielseitigkeit dieses Konzeptes in seiner Gänze. Unter Einbeziehung der beiden Regler ist so gut wie Alles in hervorragender, aber auch eigenständiger Qualität möglich. Der Hals-Humbucker liefert fette, cleane Jazz- und angezerrte Blues- Sounds; und wenn der Pickup im Singlecoil-Modus läuft, auch texanisch anmutende Blues-Rock- Klänge. Vom Steg-Pickup kommt ein knochig-cleaner, aber absolut schmerzfreier, kerniger Rockabilly/ Rock’n‘Roll-Sound, und jede Veränderung des Zerrgrades wird dankbar aufgenommen, um auch die rockige Seele dieses Instrumentes präsentieren zu können, inkl. langen, standfesten Sustains. Selbst die € 80 Aufpreis für die optionale Singlecoil- Schaltung ist jeden Cent wert, denn sie ermöglicht Sounds, die bei solcher Art Gitarren eher selten sind. Vor allem die Kombination von Humbuckerund Singlecoil-Sounds wirken interessant – egal, wie herum man die beiden Pickups miteinander kombiniert. Hier würde sich der ein oder andere vielleicht eine separate Volume-Regelung pro Pickup wünschen. Was aber kein Problem sein dürfte, denn Stefan Sonntag baut seine Gitarren nach Kundenwünschen, und da kann man eben solche Wünsche äußern. Ein weiterer interessanter Sound entsteht, wenn beide Pickukps als Singlecoils laufen und der Verstärker auf eine satte Verzerrung eingestellt ist, ein Sound, den man solch einer Gitarre nicht zutraut: transparent und hell klingend, aber dennoch mit einer warm-runden Basis, irgendwo zwischen Gretsch- und 335-Welten. Wären statt der eher dem Jazz zugewandten und daher ein bisschen spröde klingenden Saiten der Marke New Yorker in .011er Stärke typische Roundwound- Stahlsaiten aufgezogen, ließe sich ein noch stärker singender Grund-sound und ein beweglicherer Bass-Bereich umsetzen. So kann der Gitarrist eben schon mit der Saitenwahl seine Prioritäten setzen – und die Weltklang ist so nett und macht das ohne klanglich abzufallen anstandslos mit.
Alle Sounds sind dynamisch bestens steuerbar, jederzeit hat man die Weltklang, die jetzt so ganz anders wirkt als eine puristische Jazz-Box, im Griff und gibt die Richtung vor … meint man … Eine Beziehung ist ja immer eine Wechselwirkung, deren Güte sich an der Qualität von Aktion und Reaktion bemisst. Erwischt man eine Gitarre, die auf die Aktion des Spielers nichts – oder das Falsche – erwidert, kommt die Beziehung nicht zustande oder ist nicht von Dauer. Im Fall der Sonntag Weltklang ist dies jedoch nicht der Fall, obwohl auch unsere Beziehung schon bald enden wird – allerdings durch äußere Gewalt in Form des nächsten UPS-Boten. Bis dahin beantwortet die Weltklang jede meiner Aktionen, mein Spiel, auf erstaunliche Art und Weise. Sie ordnet meine Bewegungen auf dem Griffbrett, ermuntert zu erweiterten Akkorden, sie spornt zu ungewöhnlichen Melodien an. Kurz: SIE gibt den Weg vor, sie inspiriert, und das ungemein!
Alternativen
Von der Gitarrenindustrie werden kaum Alternativen zu diesem Konzept angeboten. Spontan fällt mir da nur die Gibson ES-135 ein, die es aber nur noch auf dem Gebrauchtmarkt gibt, oder aber die aktuelle Variante ES-137. Die Gretsch- Centerblock-Serie, ebenfalls Archtops mit Sustainblock, geht klanglich in eine ganz andere Richtung. Aber sehen wir es mal so: Sonntag Guitars ist ein Custom Shop, und natürlich gibt es auch andere Gitarrenbauer, die dieses spezielle Konzept umsetzen können. Das wären dann die wirklich vergleichbaren Alternativen.
Resümee
Stefan Sonntag hat mit seinem Modell Weltklang eine interessante Gitarre konzipiert. Sie erinnert nicht nur äußerlich an eine Jazz-Gitarre, sondern sie kann auch wie eine Jazz-Gitarre klingen. Und das in einer mehr als bühnentauglichen Lautstärke – mein Vox-Combo war bis zum Kragen aufgerissen, und von Dröhnen keine Spur! Sehr überzeugend ist die tonale Qualität, die den Preisbereich widerspiegelt, in dem die Weltklang angesiedelt ist. Hinzu kommt, dass sie viel vielseitiger als ein puristisches One-Trick- Pony-Modell aufgestellt ist. Und darin erinnert sie durchaus an richtig gute semiakustische Gitarren, denen sie allerdings ihre Jazz-Seele voraus hat. Wer die Gelegenheit hat, die Weltklang einmal anzuspielen, der möge es bitte tun – sie birgt einige Überraschungen, die man ihr auf den ersten Blick nicht unbedingt ansieht.
eine ebenbürtige Alternative ist die Framus ak74.