(Bild: Dieter Stork)
Im Jahre 1987 baute Mike Soldano einen der wegweisendsten Gitarrenverstärker und zog damit die Aufmerksamkeit der Crème de la Crème der Gitarrenprominenz an der U.S.-Westküste auf sich – nun gibt es den Sound dieses Meilensteins auch im Pedalformat.
Der SLO100, kurz für „Super Lead Overdrive“ mit 100 Watt Leistung, wurde in den späteren Achtzigern zu einem der begehrtesten Gitarrenverstärker überhaupt und hat einen ganz neuen Standard für moderne High-Gain-Sounds definiert.
AOR-Saitenzauberer wie Mick Mars (Mötley Crüe), Warren DeMartini (Ratt) und Howard Leese (Heart) konnten dem Verstärker genauso viel abgewinnen wie die zeitlosen Blues-basierteren Meister Eric Clapton, Mark Knopfler, Warren Haynes, Gary Moore und Lou Reed. Neben vielen weiteren sei aber hier noch ein ganz bestimmter Name aufgeführt: Eddie Van Halen – der lange zu den wichtigsten Soldano-Stammkunden gehörte, bevor er sich später von anderen Herstellern Verstärker bauen ließ, um diese auch mit seinem Namen verkaufen zu lassen.
ALSO EINE LEGENDE ZU FÜSSEN?
Das detaillierte direkte Ansprechverhalten, die cremige Obertonstruktur, ein Hauch Kompression und entgegenkommendes Sustain bei trotzdem nuanciert ausspielbarer Dynamik – das sind die tragenden Säulen des Soldano-Sounds.
All diese Eigenschaften waren bisher schwer bis gar nicht gemeinsam in einem Pedal zu finden. Fast jede Amp-Modeling-Gerätschaft der letzten Jahre bietet teils unter kryptischen Spitznamen versteckt die SLO-Klangfarbe näherungsweise an – aber bisher fehlte mir hier irgendwie immer die eindeutige Differenz zu den beinahe unzähligen Interpretation getunter Marshalls, die quasi obligatorisch ebenfalls offeriert sind in den digitalen Sound-Chamäleons. Aber nicht so bei diesem Pedal – das Attack und die Transparenz haben eine ganz klare Signatur.
Das Schaltbild des SLO100 besteht für seinen differenzierten Ton seit jeher aus mehreren kaskadierten Gainstufen und einer untereinander unabhängigeren Klangregelung, was deutlich mehr Justiermöglichkeiten erlaubt als bei den vielverehrten Amp-Designs aus den Sechziger- und Fünfzigerjahren. Soldano hat Stück für Stück alle Tricks des Verstärkers in das komplett analog aufgebaute Pedal übernommen und bei dem Umbau von Röhrentechnik zu Transistor-basierten Schaltungen überführt, was den SLO-Sound ausmacht. Wie der Verstärker bietet so auch das Pedal mühelos eine Bandbreite von leichtem bluesigen Crunch bis zum großen Heavy-Metal-Brett und spielend leicht jede Nuance dazwischen.
(Bild: Dieter Stork)
DIE HARDWARE
Das Pedal hat ein robustes Stahlblechgehäuse im ikonischen Weiß der Soldano-Amp-Panels – penibel sauber lackiert und mit maximalem Kontrast beschriftet. Die schwarzen Potiknöpfe für Gain, Volume, Bass, Middle, Treble und Presence sind schlicht und markant mit ihren kleinen grauen Kappen und deutlichen Zeigerstrichen. Man hat sofort einen angenehmen Überblick über die eingestellten Parameter … und JAAAAA, man sieht richtig auf den Fotos: Dieses Pedal geht bei allen Reglern tatsächlich bis ELF – und (dazu später mehr) das nicht nur optisch!
Auf der rechten Seite findet man in der Nähe des Bass-Potis den Deep-Schalter, der dem gesamten Sound optional deutlich mehr Fundament verleiht. In- und Out-Klinkenbuchsen sowie der Anschluss für ein 9V-DC-Netzteil sind praktischerweise auf der Stirnseite untergebracht; das spart Platz auf dem Pedalboard. Auf ein Batteriefach wurde bewusst verzichtet. Der leise Fußschalter für den True-Bypass ist gut zugänglich und eine violette Status-LED rundet das Bild im Stil des Vorbilds ab.
Soundcheck und Resümee auf Seite 2 …
(Bild: Dieter Stork)
SOUND TUNING ODER AMP ERSATZ?
Das Pedal wurde von Soldano als Vorschaltgerät für cleane Amps konzipiert und genau hier zeigt es auch all seine Stärken. Ich habe kurzerhand zwei klassische Wald-und-Wiesen-Verstärker als Testplattformen vorgeheizt. Ein älterer Fender Hot Rod Deluxe II Combo und ein 1998er Marshall DSL100 an einer 1960AV-4×12-Box. Jeweils alles mit gut eingespielten Celestion-V30-Lautsprechern. Um ein paar der anfangs genannten Referenzen anzuspielen, kamen eine PRS Singlecut, eine Telecaster und eine heftig modifizierte „Floyd Rose Classic“ HSS Stratocaster zum Einsatz.
Da der Hot Rod ja nun wirklich einen „berüchtigt speziellen“ Overdrive-Kanal besitzt, wollte ich sehen, bzw. eher hören, ob sich dem Amp mit dem Pedal endlich ein Sound entlocken lässt, der vergessen lässt, was der Amp sonst selber beim Verzerren getan hätte. Da sowohl der Hot Rod als auch das SLO100-Topteil mit 6L6-getriebenen Endstufen aufgebaut sind, nahm ich einfach mal an, dass es zum Charakter des Pedals passen könnte. Und man höre und staune: ein Hot Rod – aber endlich mit blumigen, tighten Overdrive-Sounds ohne das „fuzzelige“ Sägen und die matschigen Sounds auf den Basssaiten. Eine am Finger klebende Dynamik in den oberen Mitten, als hätte man dem Blues-Amp endlich etwas echten Rock eingeflößt. Phänomenal – unbedingt ausprobieren!
Und was kann ein SLO-Pedal an einem der verbreitetsten Marshalls seit der Jahrtausendwende tatsächlich noch ausrichten? Und ist es dann besser, anders oder doch eher homöopathisch? Die stärker färbende, mittigere EL34-Endstufe des DSL100 verschluckt auf Anhieb etwas mehr Details des SLO-Sounds als es beim Hot Rod der Fall war. Im Vergleich zum DSL-eigenem „Ultra Gain“ fällt jedoch sofort angenehm auf, dass mit dem Pedal vor dem cleanen „Classic Gain“-Channel plötzlich eine definierte Substanz des Sounds zum Vorschein kommt, die ich sonst immer etwas vermisst hatte, vor allem im Vergleich zu so manchen Verstärkern aus den bekannten Boutique-Werkstätten. Die sanft gequetschen Mitten des Mittelklasse-Briten bekommen offenbar die Ergänzung, nach der sie gerufen hatten.
Die mit klassischen Overdrive-Pedalen sonst gewohnten Workflows mit gemischten Verzerrungsanteilen aus Pedal und Amp-Kanal bilden auch mit dem SLO interessante neue Möglichkeiten – man kann ganz nach Geschmack nachwürzen. Als Ausgangsposition kann ich absolut dazu raten mit 12-UhrStellung an allen Reglern des Pedals und deaktiviertem Deep-Schalter anzufangen und dann passend zum angeschlossenen Verstärker nachzuregeln. In meinen Fällen war ich selten weiter als zwei Skalenstriche entfernt vom Mittelpunkt bis ich das Gesamtklangbild als rund empfand.
Als Preamp kann man das SLO leider nicht nutzen – direkt in die Endstufe gespielt, klingt es für meinen Geschmack etwas zu dunkel.
RESÜMEE
Das Soldano-Pedal übertraf schon im ersten Versuch meine Erfahrungen mit so mancher SLO-Modeling-Konkurrenz. Anfangs denkt man vielleicht, es wäre etwas nüchterner und unspektakulärer als manche der gehypten Imitationen aber nach längerem Testen merkt man deutlich die Qualitäten des sorgfältig hauseigen nachgekochten Rezepts. Das SLO-Pedal bleibt immer ehrlicher, homogener und musikalischer – und das auch zuverlässig beim Gitarrenwechsel. Man erreicht völlig intuitiv einen Einstellpunkt, der mit dem bisherigen Lieblingsverstärker eine Symbiose eingeht und somit entweder einen ordentlich Soldano-gefärbten Hybriden züchten lässt oder sogar einen kompakten Ersatz für einen weiteren Amp im Bandbus darstellt.
PLUS
- authentischer Sound
- exzellente Verarbeitung
- kompaktes Format
- kompletter 3-Band-EQ plus Presence-Regler
- gradliniges Konzept
- 5 Jahre Hersteller-Garantie
MINUS
- nicht als eigenständiger Preamp verwendbar
(erschienen in Gitarre & Bass 01/2023)
Hallo, würde das Pedal evtl. direkt an einer Mooer Tube Engine funktionieren? Diese hat ja eine Eingangspegelanpassung und Presenceregelung.