Timeless

Schindehütte Zeitgeist WhiteFoil, E-Gitarre im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Das modulare Grundprinzip der Schraubhalsgitarre ist offenbar von geradezu zeitloser Qualität. Durch die Variation und Fortschreibung von Form und Funktion gewährt es die Anpassung an das sich stetig wandelnde Lebensgefühl immer neuer Generationen. Mathias Schindehütte hat mit seinem Zeitgeist-Modell eine eigene, bemerkenswert attraktive Auslegung gefunden.

Reparieren, Restaurieren, Bauen – mit diesen knapp gefassten Auskünften skizziert der Gitarrenbauer Mathias Schindehütte aus Frankfurt/Main auf seiner Website die Dienstleistungen, mit denen er sich uns zur Verfügung stellt. Seine Zeitgeist- Modellvarianten – ein Design, das in unterschiedlichen Auslegungen zu haben ist – gefallen mit bestens durchdachten Details und setzen in Sachen Klang und Handhabung einen durchaus eigenen Akzent.

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Essentielle Struktur – modernisierte Funktion

Immer wieder schön, diese enorme Vielfalt an Spielarten, die sich einer so schlichten wie funktional essentiellen Grundstruktur abgewinnen lässt. Auch der Ausgangspunkt für Mathias Schindehüttes in vieler Hinsicht eigenständig weitergedachten Zeitgeist-Designs ist die Mutter aller Brettgitarren: unsere gute alte Telecaster.

Der Korpus des vorgelegten Zeitgeist- Modells von optisch leicht exzentrischer, jedoch unbedingt praxisgerecht eingerichteter Formgebung aus zweiteilig gefügter amerikanischer Erle ist ca. 46 mm dick und verfügt im Gegensatz zum genannten Vorbild über eine Anlagebucht am oberen Korpusboden und eine höchst wirkungsvolle kleine Abgleichung im Bereich der Armauflage auf der Decke. Zudem ist der Zuschnitt progressiv spielförderlich abgestimmt. Die Linienführung gewährt nicht nur besten Komfort in jeder Spielhaltung, sondern gibt der linken Hand dank des schräg nach innen geführten oberen Horns auch besten Zugriff auf die hohen Lagen.

Glendale Bridge, Compensated Saddles (Bild: Dieter Stork)

Der Hals aus einteiligem Ahorn sitzt über vier in Hülsen geführten Schrauben fest verankert im Korpus. Im fetten Slabboard- Griffbrett aus Palisander finden 22 akkurat verarbeitete Bünde und „Clay Imitation Dots“ zur Lagenbestimmung Platz. Die parallel herausgeführte und ‚reverse‘ gestaltete Kopfplatte mit umgekehrter Reihenfolge der ansonsten klassisch 6-in-Reihe angeordneten Kluson-Style-Mechaniken (Gotoh) verlangt nach einem Saitenniederhalter für die nun oben lang nach außen geführten tiefen E- und A-Saiten. Attraktives gestalterisches Detail ist die ausgekehlte Wange des Kopfes mit dem S-Symbol für Schindehütte.

Den ausgeschriebenen Namen finden wir dann auch noch dezent auf die obere Kopfseite geprägt. Sauber bearbeitet ist auch der Sattel aus poliertem Knochen. Am Korpus werden die Saiten über eine Glendale Bridge geführt, welche längenkompensiert angeordnete Saitenreiter (1x Alu, 2x Brass) auf einer seitlich offen gestalteten Grundplatte bereit stellt.

Derzeit wieder angesagt: Gold Foil Pickup – hier von Barfuss (Bild: Dieter Stork)

Elektrik: Auf ebendieser Grundplatte finden wir den Fat Bad Twang von David Barfuss, ein Singlecoil mit dicken Polepieces und einem Plus an Wicklungen (gut 8 kOhm), in typisch schräger Anordnung platziert; am Hals ist der Barfuss-Gold- Foil-Pickup direkt in die Korpusfräsung geschraubt. Das kleine dreischichtige Pickguard muss man abschrauben, will man ihn in der Höhe verstellen. Geschaltet werden die Tonabnehmer per Dreiwege- Kippschalter, verwaltet von generellen Volume- und Tone-Reglern mit Dome Knobs, die etwas nach außen auf die herausgeführte Haifischflosse der unteren Korpuspartie gesetzt wurden. Ein Blick in das großzügig gefräste E-Fach zeigt saubere Arbeit (250k Audio CTS Vintage Taper-Pots/ CRL 3-Weg-Schalter). Der Korpus der Zeitgeist WhiteFoil wurde dünn mit Nitro in Cascade Blue lackiert und bekam ein geschmackvoll und perfekt gemachtes Medium-Aging. Auch der Hals ist leicht mit Nitro versiegelt.

Tolle Haptik – starke Elektrik

Mit 3,2 kg ist die Zeitgeist WhiteFoil zunächst einmal schön leicht. Darüber hinaus hat Mathias Schindehütte ein schlüssiges und optisch zeitgemäßes Design gefunden, das mit besten Handhabungseigenschaften aufzuwarten vermag. Die Korpustaille wurde zweckmäßig gesetzt und auch die Korpuskonturen tragen zur optimalen Ausrichtung am Spieler bei. Und dann dieses Hälschen: absolut gefällig gestaltet, mit einem wunderbar verrundeten Medium C-Profil, aufsteigend genau richtig zunehmend fällt es schmeichelnd in die Hand. Nicht zu vergessen die perfekt gemachte Medium-Jumbo-Bundierung (6105) mit sauber abgefasten Kanten und der durch abgeschrägt gestalteten Hals/Korpusübergang optimal freigestellte hohe Tonraum. Das alles fühlt sich einfach perfekt an!

Akustisch: Die Tonentfaltung ist spritzig schnell, die glockenhell aufleuchtende Klangfarbe attraktiv, das Sustain fabelhaft. Ein guter Draht im Ton sorgt zudem für griffig konturierte Darstellung. Das ist nun wirklich kein schlechter Start! Elektrisch: Die Pickups kommen von David Barfuss, was schon mal eine gute Wahl ist. David gehört zu den erfahrenen Spezialisten im Lande, beschäftigt sich schon seit Langem mit Pickups und deren Instandsetzung und bietet ein weit greifendes Programm auch spezieller Tonabnehmer, wie eben den Gold-Foil-Pickup beim Testmodell in der Halsposition.

Der jedenfalls bietet in der Zeitgeist ein wunderbar offenes und obertonreich brillantes Klangbild an, klar differenziert in der Darstellung von Mehrklängen, knackig konturiert in den nicht zu stark ausgebauten Bässen und mit einem besonderen Schimmer in den freien und sanft gerundeten Höhen. Das ist nicht nur beste Grundlage für harmonisches Spiel mit transparent ausgeleuchteten Akkorden in klaren Einstellungen. Dank der wohldosierten Bässe sind überdies im Overdrive Riffs und Powerchords mit einem gewissen Knack-Faktor zu haben. Hat das schon große Klasse, so ist im Solospiel ein ausdruckstark singender Ton zu erreichen, der fast schon wie von innen beleuchtet erscheint. Der Gold Foil läuft übrigens für möglichst große tonale Offenheit nicht über das Tone-Poti.

Sehr schön gestaltete Reverse-Kopfplatte (Bild: Dieter Stork)

Wechseln wir auf den Fat Bad Twang Singlecoil am Steg, so kommt der erwartungsgemäß mit etwas engerem, mittig kompakterem Ton in Stellung. Trotzdem kann auch er in der Abteilung Clean mit immer noch ordentlichen Höhen aufwarten, was rhythmisches Spiel mit griffiger Akkorddarstellung und einem netten Quack ausstattet. In Zerrpositionen wird er dann natürlich seinem Namen gerecht und drückt mit Schmackes aus der Mitte heraus. Die lebhafte Obertonentfaltung sorgt für farbreiches Spiel, Pinch Harmonics sind leicht zu provozieren. Schön dabei ist, dass der immer noch präsente Draht im Ton für eine bemerkenswert straffe und plastische Umsetzung sorgt, aber so gut wie nichts mit dem Rasiermesser- Sound von so mancher Tele gemein hat. Tatsächlich ist auf den Basssaiten auch ein leichtes Plus in Sachen Twang über den einzelnen Alu-Saitenreiter der Glendale Bridge für die E- und A-Saiten zu erzielen (Billy Gibbons lässt grüßen).

Mit dem Anschlag lassen sich überdies der Zerrgrad und vor allem auch die Peaks noch dynamisch steuern. Kurz: Solospiel unter Dampf macht einfach Spaß! Twang-Kultur deluxe eben! Als absolut starke Klangoption erweisen sich dann auch noch die zusammengeschalteten Pickups. Diese Melange aus Klarheit und Kontur, aus Kehligkeit und Strahlkraft ist schlagend. Im Clean-Sektor sowieso, aber auch bei leicht anzerrenden Crunch-Strukturen oder auch saftigerem Overdrive.


Gold Foil Pickups?

Vielleicht ist dieser Begriff dem ein oder anderen noch aus der Erinnerung bekannt, aber er begegnet uns in letzter Zeit auch wieder verstärkt. Gold Foil wurden die Pickups wegen ihres Looks mit unterlegtem Goldvlies im teiloffenen Cover genannt. Man fand sie in billigen japanischen Gitarren, etwa von Teisco, aber auch in amerikanischen Kaufhausgitarren (Harmony, Silvertone u. a.), DeArmond hatte welche im Programm. Letztere waren jedoch anders konstruiert und klangen auch anders. Der Mantel des Schweigens hätte sich wohl über die wenig beachteten Cheapos gesenkt, hätte nicht der mit den Pickups in seiner Strat unzufriedene Ry Cooder auf Anregung von David Lindley einen Valco-Oahu-Lap-Steel-Pickup am Steg und einen Gold Foil am Hals eingebaut. Die Kombination von Flatwound-Saiten mit diesen Pickups in seiner ‚Coodercaster‘ brachte Sounds hervor, die Interesse erregten und Nachahmer fanden. Der auf Grundlage von billigen ‚Rubber‘-Ferrit-Magneten mit 44-gauge Draht gewickelte flache Gold-Foil-Tonabnehmer verfügt über weniger Windungen als ein Strat-Pickup, aber da mit der großen Grundplatte relativ viel Stahl im Spiel ist, wird das magnetische Feld entsprechend erweitert. Mit ihrer breitbandigen Frequenzübertragung klingen Gold Foils relativ laut, kristallklar und rund, sind jedoch frei von Mulm. Heute gibt es eine ganze Reihe von Herstellern, die diesen mittlerweile wieder „ganz heißen Scheiß“ im Programm haben und das auch in unterschiedlichen Größen, die gängigen Pickup-Maßen entsprechen: Jason Lollar, GFS, Mojotone oder eben auch David Barfuss.


Resümee

Mit seinem Modell Zeitgeist WhiteFoil legt Mathias Schindehütte ein richtig starkes Stück Brettgitarre vor. Stimmig und originell vom Design her, leicht an Gewicht, praxisgerecht in der Handhabung, aber vor allem elektrisch stark ausgelegt, verblüfft die Gitarre mit einem tendenziell günstigen Preis für ein von Hand gebautes Einzelstück dieser Klasse. Neben dem formidablen Spielgefühl – der rundum großartig gestaltete Hals ist einfach ein Gedicht – sind besonders die sehr guten Pickups von David Barfuss hervorzuheben, welche die sympathische Zeitgeist-Gitarre mit klangfarblicher Kraft, aber auch Raffinesse ausstatten. Aber allein schon als allzeit-bereit-Sofagitarre macht sie ihre Sache gut, da man sie einfach gar nicht wieder aus der Hand legen will. Kann das denn sein? High-End-Instrument von einigem Suchtpotential und oben drauf noch mit tollem Aging-Flair zum moderaten Preis? Schindehütte macht’s möglich!

PLUS

  • originelles Re-Design
  • Schwingverhalten
  • Dynamikverhalten
  • Barfuss-Pickups
  • Sounds
  • Hals & Handhabung
  • Aging
  • Verarbeitung
  • Preis/Leistung


(erschienen in Gitarre & Bass 05/2017)

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