(Bild: Dieter Stork)
Das goldene Kaluna High Voltage Tube Overdrive gibt es schon seit 2020 und es hat sich innerhalb eines Jahres zum absoluten Geheimtipp gemausert. Zuletzt legte Henning Vahlbruch mit einem auf 100 Stück limitierten, roten Kaluna nach.
Frei nach Yngwie Malmsteens Theorie „Mehr ist mehr!“ hat Vahlbruch den Verzerrungsgrad im 2021 Limited Kaluna um etwa ein Drittel erhöht und reagiert mit dem roten Teufel auch auf die von seinen Kunden vorgetragene Bitte nach noch mehr Kompression. Der reguläre, goldene Kaluna, liefert nämlich einen gar nicht so wahnsinnig hohen Zerrgrad und trumpft dafür allerdings bei der dynamischen Wiedergabe des Signals auf.
HARDWARE
Beide Kaluna-Varianten unterscheiden sich äußerlich nur durch die Gehäusefarbe und den auf dem Boden angebrachten Aufkleber mit der Seriennummer. Beim goldenen Kaluna gibt es eine reguläre Produktionsnummer, bei der streng limitierten, roten Auflage eine handschriftliche „X/100“.
100 Stück sind – das wird jetzt schon klar – sehr schnell ausverkauft. Unser Testgerät hat nämlich die Seriennummer 73/100 und ist ebenfalls bereits vergeben.
Das Vahlbruch Kaluna bietet neben einem für den Hersteller typischen „MagTrab“-Fußtaster, lediglich die Potentiometer für Drive, Bass, Middle, Treble und Volume, und auch die auf der Stirnseite befindlichen Anschlüsse sind mit einem Eingang, einer Ausgangsklinkenbuchse und dem 9-Volt-DC-Stromanschluss mit genügsamen 500 Milliampere, sehr überschaubar.
Die Verarbeitung des Pedals ist, so wie man es von Vahlbruch nicht anders kennt, wirklich vorbildlich. Die Potiachsen wackeln nicht und auch der „MagTrab“-Schalter lässt sich nahezu geräuschlos bedienen und qualifiziert den Kaluna Limited Edition damit ausdrücklich auch für den Gebrauch bei Theater- und Musicalproduktionen, bei denen keine Nebengeräuschkulisse aus dem Orchestergraben erwünscht ist.
SOUNDS
Zum Test liegen beide Varianten des Pedals vor. Im direkten Vergleich wird schnell klar, dass die ungefähr 30% mehr Gain den roten Kaluna ganz anders klingen lassen als das reguläre Serienfertigungspedal.
Mit der stark erhöhten Kompression bietet der Limited-Edition-Kaluna ein sehr angenehm tragendes Spielgefühl, verleitet sofort zu kleinen Stunts auf dem Griffbrett und bietet sich eher als Leadgitarren-Booster an.
Viel Klarheit in den oberen Mitten, ein schmissiges Attack und dennoch ein angenehm schmieriges, mit Weichzeichner nicht geizendes Klangbild, sorgen beim roten Kaluna dafür, dass man sich einerseits an typisch deutsche Verstärker von Engl oder Diezel erinnert, und dennoch bleibt dieser Sound eigenständig, wirkt frisch und zeitgemäß, ohne starke 80er-Anleihen. Selbst über einen Fender ‘65 Deluxe lassen sich mit diesem modernen Kaluna-Sound Ergebnisse erzielen, für die man eigentlich einen Tube Screamer und einen Marshall JCM 800 kombinieren möchte.
(Bild: Dieter Stork)
EXPERTEN-TUNING
Das Innenleben des Vahlbruch Kaluna lädt zum schnellen Röhrenwechsel ein, denn um an die eingebaute 12AX7 heranzukommen, muss man lediglich die Bodenplatte abschrauben. Die bei Auslieferung angeschlossene JJ ECC83S steckt, geschützt mit einem kleinen Gummiring, der mechanische Schwingungen und somit unerwünschte Mikrofonie minimiert, mitsamt ihres Novalsockels an einem kleinen Steckschuh auf der Platine und somit lässt sich die Röhrenfassung mitsamt der Röhre entnehmen. Das ist vorbildlich gelöst.
In seiner Bedienungsanleitung schweigt sich Henning Vahlbruch über die kompatiblen Röhrentypen aus, und wer bei seinem eigenen Kaluna Ltd. Edition oder auch bei dem regulären Kaluna Experimente macht, darf getrost davon ausgehen, dass etwaige Gewährleistungsansprüche zumindest teilweise erlöschen, sofern man selber an diesen Teil der Schaltung Hand anlegt.
Dann machen wir jetzt also etwas Verbotenes? Das klingt nach Spaß. Los geht’s!
Bevor die Bodenplatte abgenommen wird, sollten selbstverständlich die signalführenden Kabel und die 9-Volt-DC-Stromzufuhr abgenommen werden – sicher ist sicher – und erst dann greift man an den Röhrensockel.
Mit etwas Sachverstand lässt sich aus der Schaltung des Kaluna-Ltd.-Edition-Pedals ableiten, dass sowohl 12AX7-Typen, wie auch ECC81, ECC823, ECC832 und 5751 Doppeltrioden für ein Finetuning der Gain-Reserven geeignet sein können, und noch bevor ich Henning dazu per Mail ausgefragt und mir seinen Segen geholt habe, sind auch eben diese Typen der Reihe nach ganz schnell ausprobiert. Und tastsächlich stellt sich schnell heraus, dass mit 5751- und ECC81-Typen eine Annäherung an das klangliche Verhalten des regulären Kaluna machbar ist. Das darf nicht verwundern, denn beide Röhrentypen leisten nur ungefähr 60 bis 70 Prozent der Verstärkung einer 12AX7 und sind daher auch beliebt bei Gitarristen, die gerne sehr cleane Fender-Amps spielen.
Die ECC823- und ECC832-Typen liefern im Kaluna beide einen guten Kompromiss aus Kompression im Attack, bei sehr energetischer Spielweise und dennoch einer sehr dynamischen Reaktion auf behutsames, leises Anspielen der Saiten, klingen aber merkbar dunkler als eine ECC83 in dem Schaltkreis.
Alle Versuche, dem roten Pedal genau den gleichen, extrem detaillierten und dynamischen Klangcharakter des regulären Kaluna entlocken zu wollen, sind nur eingeschränkt erfolgreich. Erheblich sinnvoller ist dieses Experten-Tuning, sofern man ein paar richtig schöne, alte (Mullard) Blackburn, (Philips) Heerlen oder (Siemens) München I61-, I62- oder I63-Typen, Sylvania Long Plate oder RFT ECC83 im Kaluna Ltd. Edition 2021 benutzt und dem roten Teufel einen nochmals moderneren Anstrich für Rock- und Metal-Rhytmusgitarren verpassen möchte.
In unserem Testgerät verbleibt letztendlich die RFT CV4004, die als NOS-Röhre (New Old Stock) derzeit noch beim Tube Amp Doctor oder bei sehr gut sortierten Einzelhändlern erhältlich ist und sich als pragmatische, tighte und mit hohen Gain-Reserven glänzende Wahl im Schaltkreis des roten Pedals entpuppt.
Wem die Gain-Reserven des regulären, goldenen Kaluna zu knapp sind, dem sei die Sylvania Black Plate ECC83 oder die alte, in Peking gefertigte ECC83 mit dem rechteckigen Gitter aus den späten Achtzigern ans Herz gelegt. Mit diesen Röhren quetscht man das Maximum an Kompression in den Tiefmitten aus dem Schaltkreis heraus und erhält einen etwas tragfähigeren Sound für Legato-Spieltechniken.
ALTERNATIVEN
Kingsley Amplification bietet neben den V2s des Page und des Constable vor allem auch den Jester und den Harlot, die beide nicht wirklich weniger Gain liefern als das Vahlbruch Kaluna Limited Edition 2021 Overdrive. Sofern etwas weniger tighte und kompakte Mitten gefragt sind, kann Simon Jarrett aus Canada mit seinen Produkten echte Alternativen im hochpreisigen Boutique-Segment liefern. Allerdings bietet keines seiner Pedale die enorme Unterstützung des Gitarristen bei technischen Spielweisen durch eine moderne, tighte Klangfarbe und hohe Kompression, die das Kaluna Limited Edition Pedal auszeichnet.
(Bild: Dieter Stork)
RESÜMEE
Beim Vahlbruch Kaluna Limited Edition 2021 Pedal kommt reichlich Freude für alle Flitzefinger, Metal-Gitarristen und Legato-Fans auf. Viel Spielhilfe, enorm sportliche obere Mitten, gepaart mit schmeichelnder Kompression, laden zu schnellem aber dennoch ausdrucksstarkem Spiel ein. Vox AC30- und Hiwatt-DR103-Fans dürfen allerdings getrost weiterhin auf das goldene Kaluna-Pedal aus der regulären Serienfertigung zurückgreifen und sich darüber freuen, dass man trotz aktiviertem Pedal und voll aufgedrehtem Volume-Poti noch nahezu vollkommen klare Sounds produzieren kann, wenn man sehr sanft spielt, denn genau das kann der streng limitierte, rote Teufel leider nicht mehr so gut wie das Original.
PLUS
- Heavy-Rhythm-Sounds
- Lead-Sounds
- geräuschloser MagTrab-Taster
- Spielspaß
MINUS
- etwas geringere Dynamiktreue
(erschienen in Gitarre & Bass 02/2022)