Nomen Est Omen

Rodenberg British Legend Neo, Classic + 2×12-Cab

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Jeder kennt Rodenberg als Hersteller von Effektpedalen. Stoff der Spitzenklasse nebenbei bemerkt. Doch das weckt in gewisser Weise einen falschen Eindruck. Uli Rodenbergs Wurzeln liegen nämlich woanders, im Bau von Verstärkern. Was wir hier sehen ist also nicht ein Erstlingswerk nach Jahren der Pedalfabrikation, sondern quasi ein Kapitel der Selbstverwirklichung: Er kann es nicht lassen, Ulis Herz schlägt nach wie vor heftig für die Röhrentechnik. Und er hat jetzt sogar eine neuartige Leistungsreduktion, die er Power Wizard getauft hat, erfunden. Frohlocken…

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Wer aufmerksam beobachtet, was sich in der Szene tut, weiß sicher, dass Uli Rodenberg nie ganz aufgehört hat, Verstärkermodelle vorzustellen. Aber der Boom in seinem Pedal-Geschäft hat dem halt stets enge Grenzen gesetzt. Spätestens seitdem er Lee Ritenour und Steve Lukather als User im Boot hat, genießen die Pedale höchstes Ansehen und erfreuen sich anhaltend großer Nachfrage.

vintage high tech …

… bringt die Gegebenheiten auf den Punkt. Das Konzept zielt im Kern darauf ab, klassische Sound-Bereiche aufs Äußerste optimiert bereitzustellen. Der British Legend Neo hat dafür drei Kanäle zu bieten. Channel 1 orientiert sich an Fenders Twin-Reverb, Channel 2 an der ersten JCM800-Serie von Marshall, Channel 3 soll ebenfalls auf der Basis von Marshall-Charakteristika moderne High-Gain-Sounds liefern.

Dazu gesellen sich, wie es sich für einen technisch anspruchsvollen Verstärker gehört, ein D.I-Anschluss mit Level Poti (Abgriff hinter dem Ausgangstrafo) sowie ein serieller Einschleifweg (Röhren-Buffer), den man bei Bedarf ganz aus dem Signalweg herausnehmen kann. In den drei Vorstufen sollen Sound-Schalter die Klangvielfalt erweitern, mit dem Damping-Schalter kann die Gegenkoppelung in der Endstufe verändert werden, die natürlich mit vier EL34 bestückt ist, eben britisch, legendär. Arbeitet natürlich, wie schon ehedem Marshalls Plexi-Ikone Superlead, im Class-AB-Gegentaktbetrieb. Eigenartig jedoch, dass weder der klassische Presence-Regler, noch das Pendant Resonance vorhanden sind, die man bei Amps dieser Kategorie eigentlich erwartet.

Rodenberg British Legend
Nixie-Röhren zeigen die Leistung an (Bild: Dieter Stork)

Damit man den British Legend Neo fernbedienen kann, wird ein sehr hochwertiges dreifach Fußschaltpedal mitgeliefert, das über optische Anzeigen verfügt und mit einem professionellen XLR-Kabel (fünfpolig) Verbindung zum Verstärker findet. Über die ebenfalls an der Rückseite zugängliche Klinkenbuchse Remote, lässt sich der Status des FX-Loop kontrollieren.

So weit so gut und zumindest bis hierher noch nicht sonderlich aufregend. Aber, ich habe es ja oben angedeutet, der British Legend Neo ist mit einer einzigartigen Innovation ausgerüstet – dem sogenannten Power Wizard. Dieses Modul, das hier als Powerattenuator die Leistung der Endstufen reduziert, ist laut Uli Rodenberg eine ganz und gar neuartige Erfindung. Die Aufgabenstellung bei der Entwicklung lautete, die Kraft und das Klangverhalten der Endstufe in jedweder Betriebssituation hinsichtlich der Lautstärke optimal variabel im Griff zu haben. Ohne klangliche Einbußen! Schon das erfordert technisch einigen Aufwand. Uli Rodenberg hat es sich nicht nehmen lassen, trotzdem noch einen Luxus-Gimmick in den Power Wizard einzubauen. Drei sogenannte Nixie-Röhren zeigen den Betriebsstatus des Power Wizard, die augenblicklich gewählte Leistungsreduktion als Watt in Zahlenwerten an (0 – 100). Die Abstimmung erfolgt mit dem unscheinbaren, unauffälligen Fader-Potis unterhalb des Logos. Die Frage danach wie gut das funktioniert wird natürlich gleich im Praxisteil ein Schwerpunkt sein.

Üblicherweise komme ich an dieser Stelle auf die Substanz in der Verarbeitung der Testkandidaten zu sprechen. Was natürlich voraussetzt, dass ich die Geräte demontiere. Hier beim British Legend Neo war das eine eigentlich überflüssige Pflichtübung, denn ich weiß, wie kompetent und super akkurat Uli Rodenberg arbeitet. Andererseits trieb mich natürlich doch die Neugier, zu sehen wie er dieses Mal vorgegangen ist und welche interessanten technischen Details es vielleicht zu sehen gäbe; Stichwort wieder Power Wizard.

Das etwas besonders Edles vor einem steht, strahlt bereits die äußere Anmutung aus. Es gehört zu Rodenbergs „Corporate Identity“, dass die Metallteile an Front und Rückseite aus Edelstahl sind. Wohin man blickt, am Gehäuse zeigt sich sauberste Verarbeitung. Und als dann das Chassis rauskam … nun ja, wie immer, dieselbe Leier mit diesem Herrn Rodenberg, alles obertop bei ihm: Der fabriziert Amps wie Schweizer Uhrmacher edle Chronometer. So etwas von sauber gelötet, total cleaner Aufbau.

Rodenberg British Legend
(Bild: Dieter Stork)

Als Basis fungiert eine Art Printplatte mit Lötpunkten. Die Bauelemente – die typischen Boutique-Produkte, nichts wirklich exotisches dabei – ruhen darauf, ähnlich kontaktet wie bei einer PTP/Point-to-Point-Verdrahtung. Die Röhrenfassungen sind am Gehäuse verschraubt und über Drähte bzw. Widerstände/Kondensatoren an der Printplatte kontaktiert. Neun Relais sind am Start, um die diversen Schaltvorgänge umzusetzen. Die Vorstufenröhren von JJ-Electronics, in der Endstufe die erprobten erstklassigen EL34-STR von Tube Amp Doctor. Machen wir es kurz, es ist nicht zu erkennen, wo die Produktqualität noch verbessert werden könnte. Dickes Lob, erstklassige Handarbeit. Noch weiter verschönern ist allerdings möglich. Gegen einen Aufpreis von € 100 kann der Kunde einen Tolex Bezug seiner Wahl ordern.

encore

British Legend ist eine kleine Serie von Amps. Das bedeutet, es gibt einen Zweikanaler namens Classic, der sich am Sound des Marshall 1959/Superlead und dem JCM800-2203 orientiert und auch ein einkanaliges Topteil, das nur den 1959-Kanal hat und Fillmore East heißt, als Hinweis auf die vielseitige Sound-Ausrichtung gen Allman Brothers/Dickey Betts.

Als Ergänzung bietet Rodenberg eine 2×12-Box eigenen Designs an. Rearmounted Lautsprecher, Reflex-Ports in der Schallwand, Celestion Vintage 30 oder andere Speaker nach Wunsch. Das Cabinet ist hochwertig(st) aus Birkenschichtholz gefertigt. Die Custom-Tolex-Option gilt auch hier.

ton sättigen

OK Uli, deine British Legends steigen hier in einen gefährlichen Ring. Harter Clinch, die von dir zitierten Vorlagen stehen schon Schlange. Ich habe aus meinem Fundus als Referenzen herausgesucht: Fender Twin Alu-Trim 1968, Superlead/1959 von 1971 (noch P-T-P), Marshall-2203 von 1981 und für britische High-Gain-Distortion einen 2203, der von dem US-Veredler Voodoo Amps das maximale Tuning-Paket bekommen hat, böse das, höchst kraftvoll bei ungeahnt heißen Verzerrungen.

Der Ansatz ist natürlich ein Stück weit akademisch. Absolute Deckungsgleichheit mit den genannten Protagonisten hatte Uli Rodenberg ja gar nicht im Sinn. Schließlich war sein Ziel ja, die betreffenden Tonwelten weiter auszureizen. Aber zur Urteilsbildung ist es doch immer wieder hilfreich, wenn man im Zweifelsfall zum Vergleich adäquates Equipment zu Rate zieht. Was sich auch hier wieder bestätigte. Langes Forschen war allerdings nicht nötig. Schon nach den ersten Tönen lässt der Britisch Legend Neo keinen Zweifel an seiner Kompetenz.

Natürlich klingt der Channel I nicht original wie ein alter Twin Reverb. Wie soll das gehen, wo doch die elektrisch andersartige EL34-Endstufe eine offensivere Note in das Klanggeschehen einbringt als die angestammte 6L6GC. Grundsätzlich ist die Attitüde aber zweifelsfrei getroffen. Strammer stabiler Ton (der Twin war immer Fenders resolutester), die eigenwillige Note in den oberen Mitten und Höhen, das Ganze mit viel Clean-Headroom … (Wir reden noch nicht davon, was der Power Wizard bewirken kann!) Die beiden Soundschalter bewirken moderate Anhebungen im Bassbereich und den Höhen (Bright) und helfen so zweckmäßig bei der Klangabstimmung, die wegen der guten Wirkung des EQ erfreulich variabel ausfällt.

Rodenberg British Legend
(Bild: Dieter Stork)

Der Leser merkt, dass ich mich knapper fasse als sonst. Aus dem einfachen Grunde, weil ich keinen Sinn darin sehe, die allerorten vielfach beschriebenen Tugenden der alten Klassiker hier nun zum x-ten Male herunterzubeten. Deswegen fallen auch nicht allzu viele Worte zum Channel II. Das Timbre des 2203 ist mit der Faust aufs Auge getroffen. Allerdings mit einer gehörigen Portion mehr Kultur in den Verzerrungen. Und mehr klanglicher Reichweite, wegen des schaltbaren Gain-Nachschubs, der die Verzerrungen intensiviert – sehr willkommen, da der 2203 im Vorstufen-Gain eher mager denn fett vorgeht – parallel aber auch in den Hochmitten für viel mehr Biss sorgt. Davon abgesehen, Transparenz und Dynamik stehen ohnehin stets auf allerhöchstem Niveau.

Channel III bringt die Verzerrungsintensität massiv über die Klippe. Das ist weit jenseits dessen, was Marshalls früher konnten und liegt qualitativ auf dem Niveau z. B. des Brown-Eyes von Friedman. Auch wenn das Soundvoicing des British Legend Neo etwas schlanker ist. Schon das Vorstufen-Gain erzeugt kraftvoll singende Lead-Verzerrungen, die trotz ihrer Dichte und Tragfähigkeit den Charakter unterschiedlicher Instrumente mustergültig zum Vorschein bringt. Das ist alles schon ganz klar Spitzenklasse.

Rodenberg British Legend
(Bild: Dieter Stork)

Doch die Soundformung wird noch um einiges aufregender, wenn der Power Wizard seinen Zauber verbreitet. Man muss das ganz klar sagen, Uli Rodenberg ist es tatsächlich gelungen, der Widerspenstigen Zähmung herbeizuführen: Vier EL34 in dezenter Lautstärke, bis hin zum Bedroom-Level, und man kommt trotzdem voll in den Genuss der Sättigungen. Und der Sound bleibt ausgewogen! Kein Vergleich zu dem, was mit Lastwiderständen erreichbar ist. Dieses Überfetten der Höhen und oberen Mitten, das die Sound-Formung im Spielgefühl sensibler, ja fast berührungsempfindlich macht, dass Obertonspektrum verdichtet und dem Ton diese einzigartig singende Note verleiht, stellt sich bei jedweder Lautstärke ein. Irre. Das Thema Gain bekommt dadurch auch eine ganz andere Note. Unter Nutzung des Power Wizard kann man den Charakter der Verzerrungen ganz anders dosieren. Gain in der Vorstufe zurücknehmen, dafür Volume hochdrehen, der Ton nimmt an Fülle massiv zu.

Das unterschiedliche Auspegeln der drei Parameter Power Wizard, Volume und Gain erzeugt wunderbar kontrollierbar unterschiedlichste Sound-Facetten. Perfekt!? Naja, nicht ganz vielleicht, denn der Power Wizard zieht natürlich automatisch auch die Clean Reserven nach unten. Wer also den Channel I (beider Amps) wirklich Clean hören will wird wohl schon gewisse Kompromisse eingehen müssen. Wäre vielleicht besser, wenn man den Power Wizard für die Clean-Vorstufen wahlweise deaktivieren könnte. Das spezielle 2×12-Cabinet für die British Legend Amps, macht einen hervorragenden Job. Es klingt voluminös, mit satten Bassanteilen, bleibt aber stets kontrolliert. Gehäusevolumen und Bassreflexöffnungen sind offensichtlich günstig abgestimmt. Sehr zu empfehlen. Aber natürlich klingen die Amps auch an anderen adäquaten 2×12- oder 4×12-Boxen ganz und gar überzeugend.

Zum British Legend Classic ist zu sagen, dass er auf eigentümliche Weise etwas muskulöser klingt also der dreikanalige Neo. Der Channel I/1959 packt sehr markant, kraftvoll und maximal „britisch“-kultiviert zu. Derart speziell, das mancher den BL-Classic bevorzugen wird, obwohl er damit einen Kanal „verliert“.

alternativen

Keine Alternativen. Der Power Wizard ist ein dermaßen potentes Alleinstellungsmerkmal, dass beide Amps ohne Konkurrenz dastehen. Die BL-Box bewegt sich zwischen den hochpreisigeren Cabs auf dem Markt und steht qualitativ in der ersten Reihe. Macht keinen Sinn, eine andere zu kaufen, passt quasi perfekt zum British Legend. Übrigens kann man sie auch nicht einzeln kaufen, nur zusammen mit einem der Amps.

resümee

Bringen wir es kurz und knapp auf den Punkt: Uli Rodenberg hat mit dem Power Wizard respektive den British Legend Amps eine beeindruckende Innovation hervorgebracht. Die edelst in Handarbeit gefertigten Verstärker bewegen sich tonal auf allerhöchstem Niveau. Und den Arbeitspunkt der Endstufe maximal kontrollierbar in der Hand zu haben, macht aus den Amps ein schier unschlagbares Soundtool. Keine Frage, Preis und Leistung stehen ganz klar in einem gesunden Verhältnis. (Antesten, sonst Bildungslücke!)

Rodenberg British Legend

Rodenberg British Legend


Hinweise zu den Soundfiles:

Die Soundfiles stellen den dreikanaligen British Legend Neo vor. Für die Aufnahmen kamen zwei Mikrofone mit Großflächenmembran zum Einsatz, ein AM11 von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, nahe platziert vor einem der beiden Vintage 30/Celestion der BL-2×12-Cab.

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.

Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) und eine Steinberger GL4-T. Es ist

Bedeutung der Buchstabenkürzel:

OD: Overdrive Gain, leichte Anzerrungen.

HG: High Gain, Distortion nahe am Maximum des hier (in diesem Kanal) Möglichen.

Git-Vol: Im Clip wird das Guitar-Volume-Poti benutzt, um die Verzerrungsintensitäten zu ändern.

Die Clips 1 und 2 stellen den Clean-Kanal vor. Groß, fett, transparent, eine würdige Hommage an Fenders Twin Reverb. Dem hat der British Legend Neo allerdings voraus, dass man die Sound weit in den Crunch-Bereich aussteuern kann.

In den Clips 3 bis 5 hören wir den British-Kanal. Im Gain weit variabel, schon ohne den Power Wizard.

Die Clips 6 bis 8 zeigen anhand des im Gain sehr heißen Channel III/Legend wie effizient sich der Power Wizard bemerkbar macht. Eingestellt auf acht Watt, fast schon Wohnzimmer-tauglich, hören wir im Clip 6 zunächst ein kurzes Riff, dann fettet sich der Ton an weil ich den Volume-Regler hochdrehe und dadurch Phasentreiber und Endröhren satt unter Druck gesetzt werden. Hört sich an wie ein voll aufgerissenes Fullstack.

Leicht veränderte Einstellung im Clip 7.   Die Unterschiede in der Distortion-Intensität rühren allein daher, dass ich das Git-Vol benutzt habe (250kOhm log, kein Treble Bypass Kondensator!). Unglaubliche Dynamik. Und das bei sich kaum ändernder Lautstärke.

Clip 8 zeigt ein Extrem, full Gain. Man hört ab und an wie sich Feedback ins Tonbild drängt. Höreindruck und Spielgefühl gleichen erneut der Performance eines laut in der Sättigung arbeitenden Amp-Stacks.

Die Clips 9 (Clean Channel) und 10 (Legend-Channel präsentieren mein Referenz-Riff“ (Ref-Riff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den Charakter (die Verzerrungen selbst sind hier gemeint) der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann.

Ich wünsche viel Vergnügen, und…,  wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).

Fragen, Anregungen  und  ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de.  Es klappt nicht immer,  aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.

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(erschienen in Gitarre & Bass 11/2017)

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