Crunch oder Hi-Gain?

Rodenberg BL800 & BLDeluxe im Test: Silber oder Gold?

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(Bild: Dieter Stork)

Das Konzept „Marshall in a box“ ist wahrlich kein neues. Der hessische Tüftler Uli Rodenberg ist bei der Entwicklung seiner jüngsten Kreationen jedoch besonders tief in die Materie eingetaucht. Vier Jahre hat die Entwicklung und Realisation seines Vorhabens gedauert. Der Einsatz war nicht umsonst, das Ergebnis kann sich sehen und hören lassen. Vorhang auf für zwei außergewöhnliche Pedale mit dem Motto „Gain to go“.

Uli Rodenberg hat sich seinen guten Ruf mit eigenen Amps und Pedalen erarbeitet, die er in kleinen Stückahlen und mit einem noch kleineren Team in Fulda herstellt. Aktuell sind die GAS-Pedale (Varianten von Anpust-Drives im grünen Stil) seine Verkaufsschlager, doch mit den beiden Neulingen, die einem gänzlich anderen Konzept folgen, könnte sich das bald ändern.

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Die Frage, die sich Uli – wie andere Entwickler vor ihm – stellte, war: Wie kann ich den berühmten britischen Rocksound in ein Pedal packen, das nicht nur klingt wie die Vorlage, sondern auch noch dynamisch wie ein Amp reagiert und dazu bequem vor einen beliebigen Verstärker geschaltet werden kann.

Die Lösung: eine aufwendige Hochvolt-Schaltung mit einer internen Betriebsspannung von 280 Volt (wofür das Pedal 250mA am Netzteil benötigt), eine komplexe Röhrensimulation namens „AVTC“ (Analog Virtual Tube Circuit), die mit mehreren Bauteilen exakt eine ECC83-Röhre nachbilden soll, sowie ein aktiver 3-Band-EQ, der die Anpassung an das vorhandene Equipment ohne Einschränkungen ermöglichen will – dies alles gepackt in ein nicht zu kompaktes Pedal mit einer sehr ansprechenden Optik, das sich auf wesentliche Bedienelemente beschränkt.

Hier konnte der Namensgeber seine ganze Erfahrung in Sachen Amp-Bau einbringen – und auf Vorhandenes zurückgreifen, denn das BLDeluxe ist bis zur EQ-Sektion inhaltlich identisch mit einem Kanalzug des hauseigenen BLC 100 Amps, nur dass hier, wie erwähnt, keine Vorstufenröhre ihren Dienst tut, sondern die AVTC-Schaltung. In der langen Entwicklungsphase stand das Projekt übrigens mehrfach vor dem Abbruch, denn der Aufwand überstieg den zu erwartenden Ertrag bei Weitem. Am Ende siegten jedoch, glücklicherweise, Leidenschaft und Pioniergeist über die kaufmännische Ratio.

ANSATZ & DIFFERENZEN

Was unterscheidet die Pedale – und wie werden sie nach dem Konzept des Erfinders eingesetzt? Das BLDeluxe kann man als die Version eines heiß gemachten, modernisierten Briten bezeichnen, das BL800 hingegen trägt seinen Namen zurecht, denn es packt Marshalls legendären JCM 800, mit dem mindestens eine ganze Generation von Gitarristen in den 1980ern aufgewachsen ist, in ein kompaktes Gehäuse. Einen ersten Hinweis auf das Anwendungsgebiet mag die Tatsache liefern, dass Uli die beiden Pedale vor seinem persönlichen Fender The Twin in einem cleanen Setting abgestimmt hat. Heißt: Man kann seinen Amp für Anwendungen nach Wunsch einstellen, und dann, vereinfacht gesagt, einen 800er oder Hot Rod Marshall daraus machen. So viel zunächst mal grob zum Ansatz.

Die beiden Newcomer ähneln sich in Sachen Abmessungen und Bedienelemente wie fast ein Ei dem anderen, das eine Gold, das andere Silber. Für einen authentischen „Look and Feel“ sind sie mit fünf passenden Poti-Knöpfen versehen (3-Band-EQ, Zerrmenge, Pegel), dazu kommt je ein Boost-Schalter sowie ein Fat-Switch beim Deluxe. Die Potis sind leicht unterschiedlich benannt, auch die Position der Regler Pre-Amp (800er) bzw. Gain (Deluxe) sowie Master/Volume sind vertauscht, was sich laut Uli Rodenberg schaltungstechnisch ergab. Beim BL800 lässt sich die Drive-Menge rechts unten einstellen, gemäß dem Vorbild bleibt diese im übersichtlichen Rahmen, mit moderaten Singlecoils kann man grob von „Heavy Crunch“ mit viel Biss und Durchsetzungsvermögen sprechen, das Deluxe bietet da einiges mehr an Gain, mit dem zusätzlichen Fat-Switch lassen sich sehr satte und saftige Leadsounds erzeugen, wobei man natürlich immer ein Auge auf die Zerrmenge des Pedals – und ggf. des nachgeschalteten Amps – haben sollte, damit es nicht zu viel des Ganzen wird.

Soundcheck und Resümee auf Seite 2

(Bild: Dieter Stork)

IM EINSATZ

Im Test wurden die Pedale über einen clean eingestellten Fender Pro Reverb gespielt – also ziemlich exakt so angewendet, wie es der Hersteller vorschlägt. Das Ergebnis war beeindruckend. Die Dynamik und das Spielgefühl sind sehr Amp-artig, die Sounds beeindruckend. Ein direkter Vergleich zwischen dem BL800 und einem Marshall JCM 800 Studio Combo ergab zwar Unterschiede, aber die rühren vor allem daher, dass im Marshall ein 10“-Speaker sitzt und im Fender ein 12-Zöller. Von daher: Der 800er-Ton ist sehr gut getroffen.

Mit dem Boost-Schalter lässt sich die Gain-Menge dezent erhöhen und der Ton etwas andicken, ein großer Sprung ist jedoch vom Entwickler nicht beabsichtigt, das Pedal behält stets seinen rohen und rauen Grundcharakter. Mit dem effektiven EQ lässt sich der Sound sehr gut anpassen, sodass auch, als Beispiel, eine Esche-Tele gezähmt werden kann und es nicht zu schneidig klingt. Äußerst hilfreich greift der Mittenregler in den Ton ein, hier lassen sich sowohl ausgehöhlte Rhythmus- als auch satte Leadsounds erzeugen – das aber natürlich im Rahmen des eher moderaten 800erKonzepts.

Wer es üppiger mag, ist beim Deluxe wahrscheinlich besser aufgehoben. Der hat dafür nicht die direkte Geradlinigkeit des 800ers. Die beiden Pedale unterscheiden sich im Charakter also schon deutlich. Dem einen oder anderen dürfte beim 800er eine Presence-Regelung abgehen, Uli Rodenberg stellte nach eigenen Angaben jedoch fest, dass sich dieser Bereich gut über das Treble-Poti kontrollieren lässt und verzichtete daher auf eine entsprechende Option.

Das kommt der Übersicht zu Gute, mit fünf Potis weiß man eigentlich immer, wo man dran ist, die beiden Minischalter dienen eher der Grund-Abstimmung und werden in der Live-Anwendung wohl eher selten bedient. Für Menschen mit nicht den allerbesten Augen gibt es eine kleine Einschränkung: So schön und authentisch die Poti-Knöpfe auch sind – in Sachen Ablesbarkeit aus zwei Metern Höhe gibt es übersichtlichere Versionen.

CRUNCH ODER HI-GAIN?

Zurück zum Sound des BL800: Neben dem grundsätzlichen Charakter gefällt besonders, dass die Abstimmung sehr praxisnah gewählt wurde und man die Regelwege mehr oder minder komplett ausnutzen kann, ohne dass es extrem wird oder sich der Gain-Pegel nicht mehr groß verändert. Das hört sich jetzt nicht unbedingt nach einem besonderen Feature an, aber es gibt konzeptionell verwandte Pedale auf dem Markt, die dies eben nicht bieten. Vor allem in Sachen Drive lässt sich das Pedal sehr feinfühlig anpassen.

Das Spektrum reicht dabei vom leichten Kratzen bis hin zur mittelheftigen Verzerrung – und das stets sehr nah am Vorbild. Mit dem Volume-Poti der Gitarre lässt sich die Zerrintensität sehr gut kontrollieren, das Pedal klart dabei sehr angenehm auf. Fazit: Viele Gitarristinnen und Gitarristen, die auf den 800er-Crunch stehen, aber auch andere Sounds aus ihrem Amp holen wollen, finden mit dem BL800 ein perfektes Tool für ihre Bedürfnisse.

Das BLDeluxe geht in Sachen Zerrmenge einen deutlichen Schritt weiter, es liefert dazu einen fetteren, runderen Ton mit mehr Saft, der Gain-Switch wirkt sich hier auch stärker auf den Sound aus. Das kann man moderner oder zeitgemäßer nennen, jedenfalls bedient dieses Pedal eine andere Klang-Klientel, die eher saturierter zur Sache geht und die entsprechende Menge Drive gerne aus dem Amp bzw. einem entsprechenden Pedal holt. Das Resultat sind deftige Riff- und Solosounds, die etwa Heavy-Rockern sehr viel Spaß bereiten dürften. Also: Silber oder Gold? Oder vielleicht sogar beide? Immer diese Luxusfragen …

RESÜMEE

Chapeau, Uli Rodenberg. Beide Pedale überzeugen auf ganzer Linie – sie liefern authentische, dynamische Drive-Sounds, sind einfach und übersichtlich zu bedienen und lassen sich dank ihres Konzepts in die verschiedensten Setups integrieren. Dazu kommen eine sehr angenehme Haptik und ein vergleichsweise moderater Preis. Ob man sich für das straffer gehaltene 800er-Pedal oder das saftigere Deluxe mit seinen deutlich höheren Gain-Reserven entscheidet, ist reine Geschmackssache. Bei diesen beiden sollte es übrigens nicht bleiben: Zum Guitar Summit hat Uli Rodenberg das dritte Pedal dieser neuen Serie vorgestellt. Wohin da wohl die Reise geht? Über den großen Teich. Mehr sei an dieser Stelle noch nicht verraten.

PLUS

  • authentische Brit-Sounds
  • Spielgefühl sehr Amp-artig
  • Praxistauglichkeit
  • aktiver EQ
  • Preis-Leistungs-Verhältnis


(erschienen in Gitarre & Bass 10/2023)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Uli Rodenberg weiß was er baut! Und..er hat ein Ohr für den Gitarristen.
    Egal ob GAS Overdrive, Luke OD, Tom Tone oder jetzt die BL 800er
    Serie, alle seine Pedale sind 100% Top verarbeitet, sind authentisch
    und bieten Sound pur. Dazu ein Preis/ Leistungsverhältnis was einfach
    unschlagbar ist. Made in Germany via Made in USA..?

    Ja es gibt viele sehr gute seltene Pedale, man braucht nicht alle. Aber
    am Uli Rodenberg kommt man nicht vorbei. Diese Pedale machen wirklich
    süchtig. Absolute Spitzenklasse!

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