Nachdem wir nun schon mehrfach über die vielen Innovationen kleiner Custom Shops und ihren Einfluss auf die Gitarrenindustrie gesprochen haben, ist es an der Zeit, endlich mal ein Ergebnis eben dieses Fortschritts auf Herz und Nieren zu prüfen. Konkret heißt das, dass wir heute eine äußerst erschwingliche 8-String mit gefächerten Bünden testen. Der Einstieg in die Welt der Fanned-Fret-ERGs ist mittlerweile wirklich fast für jedermann realistisch, denn den Weg über den teuren Custom Shop muss man im Jahre 2018 schlichtweg nicht mehr gehen.
das shredder gen
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Den ganzen Vorschusslorbeeren muss ich jetzt aber direkt mal einen Dämpfer versetzen: Bei all dem Willen zum Fortschritt bei den Spezifikationen ist in der Finish-Abteilung von dieser Attitüde anscheinend noch nicht viel angekommen. Die Jackson SLAT8 FF X ist, wie soll es auch anders sein, in einem glänzenden Schwarz gehalten. „Metal Gitarre = schwarze Gitarre“ scheint hier noch immer das Motto zu lauten.
Das langweilt mich persönlich schon seit mindestens 10 Jahren und ist einfach nicht zeitgerecht – schon gar nicht im Extended-Range-Bereich, wo die Zielgruppe offen für alle möglichen Finishes und Hölzer ist. Immerhin hat man dem Griffbrett ein weißes Binding gegönnt – eine Kombination, die mit dem schwarzen Hochglanz-Finish durchaus classy ist. Auch wenn die Lackierung vielleicht nicht spannend ist, muss man doch anerkennen, dass sie absolut hochwertig ist. An dieser Stelle hat Jackson ganze Arbeit geleistet.
Konsequent wäre es gewesen, wenn man der SLAT8 FF X ein Ebenholzgriffbrett gegönnt hätte, aber immerhin ist das verwendete Palisander angenehm dunkel ausgefallen und sticht somit nicht unangenehm aus dem Gesamt-Look der Gitarre heraus. Leider endet es allerdings nicht bündig am Sattel – dieser ist schräg in das Reststück des Griffbretts eingelassen. Dies sieht man bei günstigen Multiscale-Gitarren häufiger, aber z.B. auch Mayones machen es bei Instrumenten, die das Vielfache kosten, nicht anders. Bei einer Gitarre unter € 1000 darf man an dieser Stelle einfach nicht zu viel erwarten.
Die gefächerten Bünde verleihen der SLAT8 einen gewissen Vorwärtsdrang, der sie einfach „schnell“ aussehen lässt. Und dieser Eindruck wird bestätigt, wenn man das Instrument in die Hand nimmt: Diese Gitarre hat nicht nur ein wirklich angenehm geringes Gewicht für ihre Größe – der Hals ist auch ultraflach und lädt somit einfach zum shredden ein.
Meine Skepsis bzgl. des lackierten Halses war übrigens unbegründet – aus irgendeinem Grund will dieser auch nach längerem Spielen einfach nicht klebrig werden. Auch sonst fühlt sich das gute Stück wirklich wertig an. Man hat jedenfalls nicht das Gefühl eine Budget-Gitarre in der Hand zu haben, was in dieser Preisklasse in Kombination mit solch exotischen Spezifikationen nicht selbstverständlich ist.
Die Hardware ist zwar nicht viel mehr als solide, aber die in der gewölbten Decke leicht versenkten Potis sind ein edler Touch, der Pickup-Schalter wirkt unverwüstlich und alle Winkel an der SLAT 8 FF X wirken gut durchdacht und präzise gebaut.
Die Saiten verlaufen von individuell auf dem Korpus verschraubten Einzelreitern über die gefächerten Bünde zur 4/4- Kopfplatte – auf der tiefsten Saite hat man es bei der 8 FF X mit einer Mensur von 28’’ zu tun, auf der hohen E-Saite sind es immerhin noch 26’’. Ein straffer Saitenzug sollte demnach kein Problem sein, hätte Jackson nicht auf eine viel zu dünne Werksbesaitung gesetzt.
Die Gitarre ist mit einem .009 – .065er-Satz bespannt und die tiefste Saite schlabbert doch ein bisschen vor sich hin, was sich auch durch ein gewisses Bund-Schnarren bemerkbar macht. Natürlich kann der richtige Saitensatz hier Abhilfe schaffen. Für erfahrene Extended Range Gitarristen stellen solche Mankos natürlich keine Herausforderung dar, aber bei einem in Masse produzierten Instrument wie diesem, muss man eben auch davon ausgehen, dass auch ein paar ERG-Neulinge unter den Käufern sind. Und als solcher ist man bei Problemen wie diesem mangels Erfahrung schnell überfordert.
Die Saitenlage ist hingegen schön flach eingestellt und macht flinke Läufe mühelos möglich. Da schließt sich wieder der Kreis zu den Shreddern. Ich glaube wirklich, dass diese ihre helle Freude an der SLAT8 FF X hätten. An sich ist das natürlich keine Überraschung, schließlich sprechen wir hier über Jackson. Das Shredder-Gen ist bei dieser Gitarrenschmiede schließlich schon in der DNA verankert.
Die gefächerten Bünde sind wie immer Gewöhnungssache und auch wenn ich persönlich eine herkömmliche Bariton-Mensur bevorzuge, habe ich dennoch keinerlei Probleme, mich auf dem Griffbrett zurechtzufinden. Auch im Vergleich zu deutlich teureren Multiscale-ERGs finde ich bei der Jackson keine wirklichen Mängel. Die Gitarre hängt ausgewogen am Gurt; der schlanke Hals, die flache Saitenlage und die ausgezeichnet abgerichteten Bünde machen diese Gitarre leicht zugänglich. Und mit den richtigen Saiten sollte die SLAT8 FF X auch auf der tiefsten Saite ein tightes und straffes Attack haben. 28’’ sind für mich das Ideal für ein Tuning zwischen F# (8-String Standard) und F (Meshuggah-Tuning). Das passt! Jackson haben hier definitiv ihre Hausaufgaben gemacht und das Ergebnis kann sich sehen lassen.
x marks the sweet spot
Endlich liegt mir mal eine Testgitarre mit den in dieser Kolumne schon so oft erwähnten EMG X Series Pickups vor – in diesem Fall zwei 909X. 9-String-Pickups mussten an dieser Stelle verbaut werden, damit das Magnetfeld der unter dem Soapbar-Cover versteckten Pickup-Klingen trotz des angewinkelten Einbaus auch wirklich alle Saiten abdeckt. Grundsätzlich sollte sich der 909X aber nicht vom 808X unterscheiden.
Den herkömmlichen EMG 808 finde ich übrigens ziemlich furchtbar. Dieser Pickup klingt in meinen Ohren dumpf, zu bassig und irgendwie einfach etwas flügellahm. Die X-Serie behebt so ziemlich all meine Probleme mit dem regulären 808: Zunächst mal ist der Preamp nicht so heiß, was für deutlich mehr Headroom und Dynamik sorgt. Großflächige Akkorde verkommen so nicht zum Soundbrei, sondern lösen deutlich transparenter auf. Auf das eigene Spiel reagiert die X-Serie im Grunde mehr wie ein passiver Pickup. Überhaupt klingt sie einfach offener und darüber hinaus auch weniger ausgedünnt in den Mitten. Selbige braten dank EMG 909X im Linde Korpus der Jackson richtig schön satt und fett.
Auch im Clean-Betrieb klingt die Gitarre passabel, wenn auch nicht wahnsinnig brillant. Mit zurückgedrehtem Tone-Poti sind in Verbindung mit dem Hals-Pickup allerdings schön warm-jazzige Sounds möglich, die sich durchaus hören lassen können. Und auf der tiefsten Saite lassen sich auch ausgezeichnet ein paar Basslines spielen, ohne dass die Gitarre dabei zu dünn klingen würde. Für wirklich fitte Gitarristen eröffnet das vielfältige Möglichkeiten über den üblich verdächtigen Metal-Sound hinaus. Aber Letzteres ist natürlich trotzdem die eigentliche Baustelle der SLAT8 FF X. Und da liefert sie wirklich ab. Ich bin vom Sound dieser Gitarre definitiv positiv überrascht.
fazit
Abgesehen von dem etwas herkömmlichen Look kann mich die Jackson SLAT8 FF X so ziemlich auf ganzer Linie überzeugen! Und es ist nicht so, dass die Gitarre schlecht aussieht: Natürlich kann man mit einer schwarzen Gitarre in der Regel relativ wenig falsch machen, aber ein bisschen mehr Mut hätte ich mir an dieser Stelle von Jackson gewünscht. Die SLAT ist auch in keinem anderen Finish erhältlich. Immerhin ist die Lackierung wirklich hochwertig und die Gitarre sehr gut bespielbar. Zu guter Letzt klingt die Gitarre auch noch wirklich fett. Die EMG X Series Pickups sind eine wirklich gute Wahl für die SLAT8 FFX, sie lassen genügend Luft für Spieldynamik und den Charakter der Tonhölzer.
Für eine in Serie produzierte ERG mit Mulstiscale-Konstruktion auf dem hier gebotenen Qualitätslevel ist der Preis von unter € 1000 absolut gerechtfertigt. Es geht natürlich noch billiger – Ibanez hat kürzlich die RGMS8 zum halben Preis der Jackson auf den Markt gebracht und damit den Einstieg in die Welt der gefächerten Bünde zusätzlich erleichtert.