Dänische Krachmacher

Reuss Repeater Fuzz, Old Black Shoe, Rowland S. Howard Pedal, Goo Goo Fuzz & Muzzbomb im Test

Anzeige

Der dänische Pedal-Designer Anders Reuss baut in Zusammenarbeit mit diversen Underground-Heroes Gitarreneffektgeräte, die krachige Sounds abseits der ausgetretenen Effektpfade bieten.

(Bild: Marlon Stork)

Reuss‘ Kundenliste liest sich wie ein Who’s Who der Underground-Gitarrenszene: Alexander Hacke, PJ Harvey, Harry Howard, Mick Harvey, Against Me und die Smashing Pumpkins bedienen sich der liebevoll designten Pedale, die mit einer Mischung aus Vintage-Spirit, Custom-Anfertigung und cleveren Features und Schaltfunktionen vor allem Soundforscher ansprechen dürften.

Anzeige

Rowland S. Howard Pedal

Das erste Pedal aus der dänischen Effektschmiede ist dem 2009 verstorbenen australischen Gitarristen Rowland S. Howard gewidmet. Dessen Setup bestand neben einer Sixties-Fender-Jaguar und einem Twin aus zwei MXR-Pedalen: dem Distortion Plus und der Blue Box. Anders Reuss kombiniert beide Effekte in einem Gehäuse und verwendet NOSTransistoren, um dem Originalsound möglichst nahezukommen. Die Distortion- Abteilung bietet einen rauen, kantigen Zerrsound, der sich nicht an den bluesigen Schöngeist oder Leadgitarren- Gott richtet, sondern eher für die Alternative-/ Punk-/Sixties-Abteilung geeignet ist. Vom leichten Crunch, der intensiv auf den Anschlag reagiert, bis zur höhenreichen, fast Fuzz-artigen Verzerrung bietet er ein breites Spektrum, das aber immer einen dreckigen, krachigen Charakter beinhaltet. Das sorgt für interessante Obertöne und einen originellen Ton, fernab vom mittigen Tube-Screamer- Klang. Aktiviert man die Blue-Sektion, wird dem Gitarrensignal ein zwei Oktaven tieferer Ton hinzugefügt, was entfernt an einen Bass-Synthie erinnert.

Hinzu kommt eine brummelig-weiche Fuzz-Zerre. Für sich alleine klingt der Effekt etwas dumpf, in Verbindung mit dem Distortion-Effekt entwickelt er aber ein abgefahrenes Soundverhalten. Das Tracking des Octavers ist mittelmäßig und eher unberechenbar, was aber zum Reiz des Sounds beiträgt. Die Oktave kommt leicht verzögert, schwillt dann an und stirbt begleitet von krachigem Bratzeln und Brummen plötzlich ab. Eher traditionell veranlagten Gitarristen mag der Klang sinnlos erscheinen. Wer aber Spaß an Feedback, geräuschhaften Gitarrenparts und einer gewissen Unberechenbarkeit des Instruments hat, kommt hier voll auf seine Kosten. Den Kaputtheitsgrad kann man gut mit dem Blend-Regler der Blue-Sektion steuern. Im unteren Regelbereich klingt es recht zahm, etwa in Richtung Analog-Synth mit Seventies- Fusion-Charme, weit aufgedreht kann man viel abgefahrenen Krach produzieren. Das Tracking ist um den 12. Bund herum am klarsten, in tieferen Lagen wird es geräuschhaft und kommt nicht immer hinterher. Akkorde verwirren die Blue Box völlig, führen aber oft zu spannenden Ergebnissen. Hier hilft nur ausprobieren oder mal in ein paar Alben von Rowland S. Howard reinhören.

Muzzbomb

Aus demselben australischen Dunstkreis wie Rowland S. Howard kommt Warren Ellis, der heute Gitarrist, Geiger und Kompositions- Partner von Nick Cave ist. Der Muzzbomb ist der Nachbau eines selbstgebauten Octafuzz, den Ellis mit seinem Bruder entworfen hat. Reuss’ Version kombiniert den Octavia-Effekt mit einem Cleanboost, der dem Gain-Regler eines alten Mischpults nachempfunden ist und enorme Lautstärke-Reserven besitzt. Der Octavia-Effekt ist dreckiger, als man es von anderen Neuauflagen kennt, zum Fuzz und der höheren Oktave gesellt sich noch eine Art Ring-Modulation hinzu, die den Ton lebendig und nie statisch klingen lässt. Die höhere Oktave ist immer aktiviert, mit dem Intensity-Regler lässt sich aber die Verzerrung und der Klangcharakter beeinflussen. In der 9-Uhr-Stellung klingt das leicht nach Sitar, die Oktave ist gut hörbar und die Verzerrung beherrschbar.

(Bild: Marlon Stork)

Dreht man das Gitarren- Volume zurück, wird der Sound ungitarristischer und klingt nach einem verzerrten Moog. Besonders mit Quarten oder Quinten kann man so Sounds zwischen Orgel und Analog-Synth zaubern. Um die 12-Uhr-Stellung herum, taucht man in klassische Hendrix-Gefilde ein. Krass wird es im letzten Viertel des Reglers. Der Ton wird nicht nur verzerrter, sondern komprimiert sehr stark und entwickelt ein Eigenleben. Schon bei geringer Lautstärke kippt das Signal in Feedback, was E-Bowartige Drone-Sounds ermöglicht. Zweiklänge sind gänzlich unberechenbar und tiefere Töne zerbröseln im Ausklang, was nicht schön, aber spannend klingt. Der Clean-Boost macht den Klang nicht nur lauter, sondern verstärkt die beschriebenen Effekte. Ton anschlagen und mal schauen was passiert, heißt jetzt die Devise. Die Stärke des Boosts kann man mithilfe eines kleinen, etwas umständlichen zu bedienenden Drehreglers an der Seite des Pedals variieren. Mir persönlich reichte das erste Viertel völlig aus. Wer aber seinen Amp so richtig zum Röcheln bringen möchte, hat hier viel Headroom. Für sich alleine genommen sorgt der weitaufgedrehte Clean-Boost für eine angenehm bedeckte Anzerrung, die an Beatles-Sounds der Revolver-Phase erinnert und gerade für Aufnahmen ungewöhnliche Sounds liefern kann.

GooGoo Fuzz

Etwas harmloser klingt der GooGoo Fuzz, ein Nachbau des Univox/Shin Ei Superfuzz Pedals. Die kleine rote Kiste produziert einen stabileren Fuzz-Ton, der eher Moskito-artig wirkt als der sich ständig ändernde Ton der Muzzbomb. Regelbar sind Output-Level und die Verzerrung des Fuzz-Effekts. Der Oktav-Effekt ist immer aktiviert und hält sich etwas dezenter im Hintergrund. Mit einem kleinen Schalter kann man zwischen einem in den Mitten ausgehöhlten Scoop-Sound und einem Mitten-Boost wählen. Gerade Letzterer liefert einen trashigen Koffer-Radio-Ton, der Riffs in einem Breakdown das gewisse Etwas verleihen kann, bevor die ganze Band wieder einsetzt. Interessant ist auch wieder das Tracking-Verhalten. Besonders auf der tiefen E-Saite ist es etwas langsam, was zu einem eigenartigen Anschwellen des Tons nach dem Anschlag führt. Für einen traditionellen Octavia- Sound empfiehlt es sich, die Gitarre etwas zurückzudrehen, dann klart der Ton deutlich auf. Getreu seinem Namen, eignet sich der GooGoo Fuzz besonders für psychedelische Sixties-Sounds – Bands wie Cramps und Fuzztones lassen grüßen.

(Bild: Marlon Stork)

Anders Reuss im Interview

(Bild: Marlon Stork)

Wie kamst du dazu Gitarren/ Effekte zu bauen?

Anders Reuss: Ich habe schon immer Pedale geliebt und mir ständig neue gekauft, obwohl ich schon seit ein paar Jahren nicht mehr in Bands spiele. Vor ein paar Jahren habe ich die Pedal Kits von Firmen wie Musikding und UK Electronic entdeckt und angefangen selbst welche zu bauen und klassische Schaltungen und Boutique-Effekte wie den Klon Centaur zu untersuchen. Das war vor fünf Jahren. Ich hatte gerade eine Ausbildung als Journalist beendet, die ich neben meinem Job als Labortechniker gemacht habe und hatte plötzlich viel Zeit. Statt abends herumzusitzen, fing ich an Pedale zu bauen – als Hobby, ich wollte gar keine Pedal-Firma gründen.

Hast du eine elektronische Ausbildung?

Anders Reuss: Mein Vater hat mir in den frühen Achtzigern viel über Elektronik beigebracht, ich war damals erst 12. Er war Lehrer für Naturwissenschaften und zeigte mir, wie man Circuit Boards zeichnet und anfertigt. Damals war ich sehr an elektronischer Musik interessiert und baute viele Sound-Module und Mixer und nahm stundenlang seltsame Soundlandschaften damit auf. Das war toll, denn meine Eltern hatten kein Geld, um mir einen richtigen Synthesizer zu kaufen.

Gibt es eine Philosophie hinter den Reuss-Pedalen?

Anders Reuss: Ja, ich stelle nur Sachen her, die ich gerne selbst besitzen und benutzen möchte. Und ich will, dass meine Produkte von bestmöglicher Qualität sind. Sie sind alle handgefertigt, mit altmodischen Through-Hole-Parts, keine SMDs (Surface Mount Devices) und die Buchsen und Schalter sind nie auf der Platine. Alles ist handverdrahtet, was die Pedale stabiler und leichter reparierbar macht. Ich benutze auch viele „New Old Stock“-Parts. Ich versuche Hifi- Bauteile zu vermeiden, denn Gitarren-Pedale sind keine Audio- Geräte, die Sound reproduzieren. Sie sind klangverändernde Geräte und das Geheimnis hinter dem tollen Sound von Vintage- Geräten ist die relativ schlechte Qualität mancher Bauteile, im Gegensatz zu modernen, nebengeräuscharmen, selektierten Parts.

Bist du eher Musiker oder Techniker?

Anders Reuss: Ich bin zuerst Musiker. Ich habe meine Zwanziger damit verbracht, in diversen Bands der Kopenhagener Underground-Noise-Rock- Szene Bass und Gitarre zu spielen.

Viele deiner Pedale sind inspiriert von Musikern des Berliner Undergrounds der 80er oder sogar für sie gebaut. Welche Beziehung hast du zu diesen Musikern und ihrem Sound?

Anders Reuss: Mein frühes Interesse an elektronischer Musik wurde durch großen Enthusiasmus für Punk und Post-Punk ersetzt, als ich 14 wurde, das war 1983. The Birthday Party und die ganzen Ableger davon wurden meine Lieblings-Bands. Rowland S. Howard war mein Gitarrenheld und eine große Inspiration für mein eigenes Spiel. Es ist eine ziemlich große Sache und eine Ehre für mich, dass ich zu diesen Künstlern jetzt Kontakt habe, durch meine Pedale.

Was sind deine Zukunftspläne für Reuss Pedals?

Anders Reuss: Zurzeit verdiene ich noch kein Geld mit der Firma, sondern habe so viel investiert, dass ich sogar Schulden machen musste. Ich habe noch einen Vier-Tages-Job als Labor-Techniker und will das Geschäft weiterentwickeln, damit ich eines Tages davon leben kann. Aber das ist noch ein langer Weg. Mittlerweile arbeite ich mit einem bulgarischen Elektroniker zusammen, der mir hilft, die Platinen zu entwerfen und mit seiner Freundin einige der Pedale zusammenbaut. Sie haben aber ihre eigene Firma, sind also nicht bei mir angestellt. Die meisten Pedale baue ich selbst in Dänemark zusammen und die ganzen Vorbereitungen, wie das Bohren und Bedrucken der Gehäuse, erledigen kleine, lokale Firmen in Dänemark für mich.


Repeater Fuzz

Eine ganz andere Baustelle ist der Repeater Fuzz, der in einem Space-Age-mäßigen Design zwei Vox-Pedale vereint: Auf der einen Seite findet sich ein Nachbau des Vox Tonebenders Mark II, den schon Jeff Beck bei den Yardbirds einsetzte. Auf der anderen Seite ist ein Nachbau des Vox Repeat Percussion Effects, eine Mischung aus Tremolo und Delay mit ganz eigenem Klangcharakter. Der Fuzz allein ist schon sein Geld wert. Mit einem warmen, nicht spitz sägenden Klang zielt er in eine ganz andere Richtung als Muzzbomb und Goo Goo Fuzz. Mit fast zugedrehtem Attack- Regler erzeugt er einen bluesigen Sixties- Sound. Ab 9 Uhr beginnt er zu singen um in der 12-Uhr-Stellung in der Stoner- Rock-Wüste zu landen. In dieser Stellung fällt besonders der schöne Bass-Response auf, der Ton zerbröselt nicht, sondern behält auch bei Powerchords und tiefen Riffs Definition und Druck. Ab 15 Uhr wird es dann psychedelisch-schwirrend, mit langem Sustain. Selbst bei Rechtsanschlag bleibt der Sound noch klar definiert, die Einzeltöne von Akkorden sind zu erkennen und die Obertöne klingen harmonisch angenehm. Das wäre dann schon etwas für den traditionell angehauchten Rocker, der seinem Amp-Crunch eine interessante Nuance hinzufügen will.

(Bild: Marlon Stork)

Ganz speziell wird es beim Aktivieren der Repeater-Sektion. Die klingt wie eine Mischung aus Keyboard-Arpeggiator, Delay und Tremolo. Spielt man einen Ton, wird dieser in der eingestellten Geschwindigkeit wiederholt, was zu einem pluckernden Klang führ, der an Retro-Keyboards erinnert. Was manchmal wie ein Delay klingt, verhält sich ganz anders: Ein Abdämpfen des Tons beendet sofort den Effekt, kein nachklingendes Echo ist zu hören. Das hat gerade bei Lead-Parts und in Verbindung mit dem Fuzz einen verblüffenden Effekt. Zur angezerrten Melodie kommt ein zweites Signal hinzu, was nur bei stehenden Tönen vor sich hinpluckert. Das klingt futuristisch, aber mehr im Sinne von Raumpatrouille Orion, Space-Age-Klänge statt aufgeblasener 80s-Star-Wars- Sounds. Akkorde bekommen einen Sound-Charakter, der mal an eine Orgel mit heftigem Leslie, mal an ein Spinett oder einen Hubschrauber erinnert. Entscheidend ist dabei der Rate-Regler, der eine große Range bietet – vom sanften Pluckern bis zum krass zerhackten ultraschnellen Tremolo. Der Repeater-Effekt macht das Signal leiser, weswegen Reuss dieser Abteilung einen Clean-Boost spendiert hat. Der funktioniert ganz hervorragend und sorgt dafür, dass die pluckernden Klänge nicht im Hintergrund verschwinden, sondern sich gut durchsetzen.

(Bild: Marlon Stork)

Old Black Shoe

Nach so viel experimentellen Klängen wirkt der für Rowlands Bruder Harry entworfene Overdrive fast harmlos. Mit drei etwas verwirrend bezeichneten Reglern ( Heel = Volume, Sole = Tone und Toe = Gain) ausgestattet, sorgt er für Verzerrung zwischen ganz leichtem Crunch, der an einen aufbrechenden Amp erinnert bis zu sanftem Fuzz. Letzterer sägt oder brummelt nicht, sondern singt, was gerade beim Solospiel viel Freude bereitet. Der mittige Ton des Old Black Shoe reagiert sehr gut auf den Spieler und hat trotz Sixties-Touch eine ganz individuelle Note, die viel Platz für den Anschlag und die Tonformung des Spielers lässt. Das macht dann auch auf der Strat eine gute Figur und bietet noch ganz andere Anwendungsmöglichkeiten als die vorherigen, eher experimentell gestrickten Reuss-Pedale.

Resümee

Wer auf der Suche nach klanglicher Inspiration ist, sollte sich die Reuss-Pedale nicht entgehen lassen. Mit einer Mischung aus Vintage-Detailtreue und der Freude an sinnvollen Neuerungen und Zusatz-Features hat die dänische Ein- Mann-Firma ein paar Pedale gebaut, die auch im unübersichtlichen Bodentreter- Markt herausstechen. Die Liste der Künstler, mit denen Reuss zusammenarbeitet und die die Pedale nutzen, bietet dabei einen guten stilistischen Orientierungs- Rahmen für das Anwendungsgebiet.

Avantgardistische Noise-Experimente, Sixties-Klänge und interessante Octave/ Fuzz-Kombinationen sind eine Seite der Klangpalette. Mit etwas Justieren an Gitarre und Amp lassen sich aber auch an Analog-Synthies erinnernde Klänge zaubern und zwar ganz ohne nervige Bedien- Menüs oder Parameter-Überschuss. Das macht Spaß und befeuert den inneren Daniel Düsentrieb, der immer auf der Suche nach neuartigen Klängen ist. Euro-Preise sind für die Pedale noch nicht verfügbar. Reuss verkauft überwiegend in den USA und Australien und gibt deswegen auf seiner Homepage nur Dollar- Preise an. Die werden dann von Paypal zum aktuellen Wechselkurs umgerechnet. Für EU-Bürger kommen noch 25 % dänische Mehrwertsteuer hinzu. Mit € 150 bis 250 liegen die Pedale aber im preislichen Mittelfeld für den Boutique- Sektor.

Plus

  • originelles Sound-Konzept
  • authentische Reproduktion von Vintage-Vorbildern mit gut durchdachten Verbesserungen und Zusatzfunktionen
  • Bauqualität
  • eigenständige Fuzz/Ocatvia- Kombination (RSH, GooGoo Fuzz, Muzzbomb)
  • absolut eigenständiger Effekt zwischen Gitarre, Tremolo und Analog-Synth (Repeater Fuzz)
  • individueller Overdrive- Sound (Old Black Shoe)

Aus Gitarre & Bass 02/2017

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.