
„Quirky“, also etwa „schräg“ oder „skurril“ ist wohl der Begriff mit dem sich das Poly Effects Ample am einfachsten beschreiben lässt. Oder man könnte auch sagen „ein Amp Modeler, der auf NAM-Technologie basiert“. Aber das würde bei weitem nicht so viel Spaß machen, wie Poly Effects mit diesem Gerät verbreitet.
Amp Modeler gibt es schon lange und so langsam kommen auch kommerzielle Geräte auf den Markt, die mit NAM-Modellen arbeiten (Test in Ausgabe 04/2024). Das Ample von Poly Effects nutzt grundlegend diese Technologie, funktioniert dann im Detail aber doch an einigen Stellen anders als erwartet.
WAS IST DRIN UND DRAN?
Das Ample kommt in einer einfachen Pappschachtel mit einer sehr übersichtlichen Bedienungsanleitung in englischer Sprache. (Die deutsche Anleitung kann heruntergeladen werden, ist aber optisch und sprachlich deutlich unterlegen). Das ist insofern erfrischend, als dass schnell klar wird, dass es hier nicht unzählige Menüs und Funktionen geben wird, sondern alles ziemlich straight und auf direkte Bedienung ausgelegt ist.
An Anschlüssen finden sich die üblichen Verdächtigen wie Input, Output, die Stromversorgung und ein USB-Port sowie zwei Mini-TRS-Buchsen, über die das Ample per Adapter MIDI-Befehle entgegennimmt. Dank des leistungsstarken eingebauten Prozessors benötigt das Pedal 500mA. Dies sollte bei der Planung des Pedalboards berücksichtigt werden.

Wer noch nie mit Geräten der Firma Poly Effects in Kontakt gekommen ist, wird sich vermutlich über die Bedienung wundern. Statt Potis finden sich hier berührungsempfindliche LED-Strips. Man kann also einfach auf eine Stelle tippen oder einen virtuellen Slider bewegen. Laut Hersteller ist die Technik dahinter für mehr Anwendungen ausgelegt als übliche Potis und sollte somit fast jede Musikerkarriere überleben.

In der oberen Reihe wählt man die Amp-Kategorie (z.B. Clean, Crunch, Destroy), in der Mitte tippt man dann auf eine Zahl, um ein konkretes Modell zu wählen. Mit den Schiebereglern links und rechts werden die typischen Parameter eingestellt: Gain, Volume, Bass und Treble sind direkt zugänglich. Drückt man einmal auf das aktuelle Preset-Symbol, ändert sich die Farbe der LEDs und hinter den Schiebereglern verbergen sich nun die Helligkeit der LEDs, der Boost-Level, ein Mittenregler und die Intensität des Halls. Durch Drücken und Halten einer Preset-Nummer wird das Preset mit den gewählten Einstellungen gespeichert. Und wie fühlt sich das an?
Ehrlich gesagt ziemlich gut. Ich hatte nie Probleme mit der Bedienung. Das einzige, was mir manchmal passiert ist, ist, dass ich beim schnellen Hochziehen eines Faders auf den darüber liegenden Amp-Modus gekommen bin. Ich wollte zum Beispiel den Gain voll aufdrehen und landete versehentlich in den cleanen Amp-Presets. Naja, Benutzerfehler.
ALLES WAS MAN BRAUCHT, ABER NICHT MEHR
Das Ample kann man in der heutigen Zeit schon fast als abgespeckt bezeichnen. Bitte nicht falsch verstehen, es bietet immerhin 56 verschiedene Amps, hat einen Boost und Reverb an Bord und lässt sich vielseitig in Setups integrieren. Dennoch muss man hier ganz klar sagen: Das war’s dann auch schon fast. Ich glaube jeder, der sich vom Pedal angesprochen fühlt, findet auch genau das gut. Keine monatlichen Updates, keine App, keine 100 Effekte, keine Menüs.
Aber was es bietet, ist das, was das Ample so gut macht. Hier werden NAM-Captures der Amps verwendet und mit der proprietären Tonestack-Technologie angereichert. So jedenfalls erklärt es der Hersteller und schiebt damit auch gleich dem Wunsch, beliebige NAM-Profile laden zu können, einen Riegel vor. Poly Effects hat hier pro Amp drei bis fünf Positionen der Gain- und Volume-Regler der echten Amps aufgenommen und den Rest des Tone-Stacks modelliert.
Das einzige „Goodie“, das man dazu bekommt, ist ein Reverb. Dieser stammt aus der Kathedrale St. Albany und ist nur in der Intensität regelbar.
Praxis, Sounds und Resümee auf Seite 2 …
PRAXIS UND SOUNDS
Obwohl ich durchaus Freund komplexer Geräte, ausschweifender Menüs und schier endloser Möglichkeiten bin, habe ich mich doch sehr auf den Test des Ample gefreut. Kann es echt so einfach sein? Also schnell den Ample mit Strom versorgt, an meine Mesa 295 Endstufe angeschlossen und schon kommt der Sound raus.
Schon das erste Clean-Preset, der „Dr. Z Stang Ray“, klingt super. Und das, obwohl ich in meinem Leben noch nie Country gespielt habe. Weiter geht es mit den cleanen Amps, wobei mir der Milkman und der Magnatone mit ihren vollen und doch süßlichen Sounds besonders gut gefallen. Weitere Clean-Klassiker verbergen sich dann unter den „Classic USA“ und „Classic UK“ Amps. Dazu gehören auch die Fender-Amps, mit deren Sound ich mich deutlich besser auskenne und denen ich ein klares Zeugnis ausstellen kann: Das klingt genau so, wie man es sich vorstellt. Ein 62er Princeton für den wärmeren Sound, ein Dual Showman (also die Head-Version eines Twins) für die richtig großen Cleans oder ein Super Reverb, wenn es etwas dreckig werden soll.
In der UK-Ecke gibt es dann mit einem Hiwatt und einem Vox weitere Klassiker. Spannenderweise gibt es aber auch mal so etwas wie einen Matamp GT120, der sich schnell zu einem meiner Lieblingsmodelle entwickelt hat. Clean klingt das Matamp-Modell wirklich mal anders als „der durchschnittliche Clean-Sound“ und ist damit doch recht wählerisch, was die Gitarre angeht. Aber wenn es passt, dann auch so richtig. Und der Matamp verträgt sich auch super mit jedem Gain, das man ihm entweder selbst entlockt oder extern zuführt.
Hinter der Kategorie „Gen X“ verbergen sich sehr gemischte Verstärker. Ein Best-Off der 80er und 90er Jahre. So steht hier ein Roland Jazzchorus neben einem JCM 800 und einem Boogie Mark IV. Der Jazzchorus ist hier natürlich der Clean-Amp überhaupt. Und mit etwas Kompression vor dem Ample landet man direkt in 80er-King-Crimson-Gefilden.
Wer etwas mehr Gain sucht, schaut sich in der Crunch-Abteilung um und könnte mit Amps von Fuchs, Victory, Swart oder Morgan glücklich werden. Wie gewohnt gibt es auch in der Sektion Classic UK einiges zu holen, so finden sich hier ein Orange oder ein Marshall JTM45 und ein JMP Super Lead 100.
Das ist auch mein einziger Kritikpunkt am Ample: Alle Amps wirken irgendwie zu clean. Beim Crunch ist das ja noch diskussionswürdig, ab wann etwas crunchy oder noch clean ist. Aber selbst Destroy-Amps wie ein Diezel VH2 oder Vertreter der Gen-X-Kategorie wie ein Soldano SLO100 haben in ihrer Voreinstellung wirklich wenig Gain. Klar, es gibt einen Gain-Regler, aber selbst wenn man ihn voll aufdreht, will man manchmal noch mehr. Bei einem Diezel! Hat das schon mal jemand im wahren Leben gesagt? Na gut, es gibt ja auch noch die Boost-Funktion. Und die ist schon sehr praktisch. Hier holt man nochmal einiges an Gain raus, handelt sich damit aber leider auch deutlich hörbare Nebengeräusche ein. Ich denke also, dass Spieler der härteren Gangart nicht selten ihre Presets direkt immer mit aktiviertem Boost abspeichern werden. Zum Glück geht das ganz einfach.
Abgesehen von diesem Punkt klingen die Amps wirklich gut. Sie repräsentieren ihre Vorbilder und sind vielseitig einstellbar. Auch die Auswahl von 48 Gitarren- und 8 Bassverstärkern finde ich sehr gut getroffen. Von absoluten Ikonen bis hin zu eher seltenen Vertretern ihrer Art (endlich mal einen Sunn Model T spielen…) ist ein guter Querschnitt vorhanden.
Alle Soundtests habe ich natürlich nicht nur an einer echten Endstufe mit verschiedenen Cabs durchgeführt, sondern auch an meinen Adam-Monitorboxen. Auch die integrierten Lautsprechersimulationen können sich hören lassen!
Man kann sich jetzt darüber streiten, ob ein Noise-Gate statt eines Reverbs nicht eine Option gewesen wäre, aber für mich bietet der Reverb einen echten Mehrwert. Zwar klingt er mir für den Alltagsgebrauch zu speziell, um ihn als einzigen Hall zu verwenden, aber gerade wenn man mit Kopfhörern spielen will, ist man für ein bisschen Räumlichkeit immer dankbar.
In diesem Szenario macht auch das Bi-Amping ziemlich viel Spaß. Man kann verschiedene Verstärker auf das linke und rechte Ohr legen. Diese in der Lautstärke passend anzugleichen ist nicht ganz einfach, aber sobald man das hinbekommen hat, klingt es wirklich super. Und so könnte man natürlich auch direkt verschiedene Signale zu seiner Endstufe oder zum FOH schicken.
Ich glaube, im Grunde genommen möchte das Ample auf einen Amp eingestellt werden und dann ein glückliches Leben in einer Signalkette führen. Aber wenn man etwas mit so vielen verschiedenen Amps kauft, möchte man vielleicht auch mal mehr als ein Preset benutzen. Dies ist vor allem über die MIDI-Steuerung möglich. Eine andere Möglichkeit ist, den Fußschalter gedrückt zu halten. Dadurch kann man durch eine vordefinierte „Setlist“ von Presets wandern. Dies können beliebig viele oder z.B. auch nur zwei sein. Mit dieser Funktion wird auch festgelegt, mit welchem Preset das Ample nach dem Einschalten startet.
Und wie legt man so eine Setlist nun ohne Display fest? Das ist zwar nicht schwer, aber für heutige Verhältnisse doch recht umständlich: Man schreibt eine Textdatei (genau!) im vorgegebenen Format, lädt sie auf einen USB-Stick, steckt ihn in das Ample und drückt dreimal das Bass-Icon. Immerhin kann man hierbei auch direkt den linken und rechten Kanal des Presets festlegen.
KONKURRENZ
Hier muss man sich wirklich fragen, wieso man das Ample interessant findet. Das freie Laden von NAM-Profilen ist nicht möglich, hier könnte man auf den Dimehead NAM Player zurückgreifen. Dieser bietet dann auch ein Display und diverse Einstellungsmöglichkeiten.
Wer einfach einen flexiblen Preamp für sein Board sucht, der ist mit dem ToneX gut beraten. Hier gibt es das große Modell für 350 Euro oder das ToneX One schon für 150 Euro. Das ist an Qualität kaum zu überbieten, wenn man erst einmal gute Modelle gefunden und geladen hat. Wer es etwas analoger mag, könnte sich den Two Notes ReVolt, die Preamps von Victory oder den DSM Simplifier anschauen. Wer noch mehr Effekte möchte, für den könnte Line 6 mit dem Pod Express oder dem HX Stomp etwas im Angebot haben.
RESÜMEE
Das Poly Effects Ample macht so richtig Spaß. Es ist bewusst aufs Wesentliche reduziert, kommt aber dennoch mit einer großen und gut selektierten Auswahl an Verstärkertypen daher. Durch die Beschränkung aufs Wesentliche ist auch die Bedienung – trotz neuartigem Konzept mit LED-Slidern – denkbar einfach. Der integrierte Hall und Boost sind nette Dreingaben, die die Praxistauglichkeit nochmals erhöhen.
Der Klang der Amps ist tadellos und funktioniert sowohl in einem FRFR-Setup, als auch mit „echter“ Endstufe und Box. Die Amps spielen hierbei ihre gewohnten Charakteristiken gekonnt aus. Lediglich mehr Gain hätte ich mir bei einigen Modellen gewünscht. Mit dem Boost kann man das teilweise kompensieren, aber für noch mehr Gain steht er dann nicht zur Verfügung. Die kleine orangefarbene Kiste wird sicher ihre Liebhaber finden, dürfte es aber angesichts der starken Konkurrenz nicht ganz leicht haben.
PLUS
- Sounds
- Neuartige Bedienung
- Einfache Handhabung
- „Quirkiness“-Faktor
MINUS
- Zu wenig Gain bei manchen Modellen

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2025)