Flachdraht, Runddraht und ein Betriebsgeheimnis …

Pyramid Fusion Flats & New Rock Standard im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Neue Saiten braucht das Land! Oder doch nicht? Das Thema Saiten scheint jedenfalls unerschöpflich, wenn es darum geht, neue Erkenntnisse umzusetzen und immer wieder neue Saiten-Generationen einzuläuten. Cryo, Coating, Cobalt & Co. sind hier einige der Stichpunkte, mit denen eine neue Saite auf dem Markt etabliert werden konnte. Pyramid aus Bubenreuth hat neulich einen eigenen Weg eingeschlagen, mit neuen Saitenmodellen, die nicht nur frische Ideen präsentieren, sondern auch das Ergebnis einer transatlantischen Kooperation darstellen.

Denn die deutsche Traditionsfirma hat sich mit Dean Farley zusammengetan, einem äußerst versierten Experten rund um die E-Gitarre. Farley, der jahrelang viel beachtete Artikel in amerikanischen Gitarren-Magazinen schrieb und zwischendurch mit Snake Oil Strings auch eine eigene Saiten-Firma am Start hatte, war schon länger auf der Suche nach einem Saiten-Hersteller, der die Bereitschaft und die notwendigen Kapazitäten aufwies, seine innovativen Ansätze umzusetzen und auf den Markt zu bringen. Diesem Profil konnten weder große Firmen noch kleine Klitschen folgen, Pyramid erschien für solch eine Kooperation aber absolut passend. Denn der deutsche Hersteller ist dafür bekannt, immer offen für neue Ideen zu sein und – dank kurzer Wege innerhalb der Firma – diese auch zeitnah umsetzen zu können. So erschien die Konstellation „Farley/Pyramid“ von den äußeren Gegebenheiten her von Anfang an vielversprechend.

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(Bild: Pyramid)

FUSION FLATS

Wir alle lieben Flatwound-Saiten. Oder wir hassen sie. Die Aufhebung dieser Polarisierung war ein erklärtes Ziel Farleys; sein Plan war, Flatwounds zu „bauen“, die vielseitiger einzusetzen und leichter zu spielen sind als die üblichen Abkömmlinge dieser Saitenart. Kurz gesagt, wollte man mit den Fusion Flats, wie Pyramid diese Saiten taufte, die Nische zwischen den brillanteren Roundwounds und den dumpferen Flatwounds für sich in Anspruch nehmen. Gesagt, getan! Aber wie?

Um Farleys Konzept zu verstehen, sollten wir uns kurz die Konstruktion von Flatwounds vergegenwärtigen. Üblicherweise sitzt auf dem Stahlkern eine Umspinnung aus Runddraht, um die dann der äußere Flachdraht gewickelt und final glatt geschliffen wird. So wird der bekannte, eher dumpfe, präzise Klangcharakter erreicht, den viele Jazzer, aber auch Surfer und Rockabilly-Gitarristen bevorzugen. Solche Saiten schwingen aufgrund der größeren Breite des Flachdrahtes nicht so weit aus wie Roundwounds und haben auch eine höhere Steifigkeit, sodass sie sich nicht so leicht ziehen lassen.

Pyramid und Farley haben die Konstruktion ihrer neuen Flats dahingehend verändert, dass die äußere Umspinnung zwar nach wie vor aus Flachdraht besteht, aber dass dieser nicht mehr final glatt geschliffen wird. Aus diesem Grund und auch, weil die Kanten der Runddraht-Unterspinnung sich ganz leicht aufstellen, haben die Fusion Flats eine rauere Oberfläche als die üblichen Flats, was sich erst einmal ungewöhnlich anfühlt.

Die Fusion Flats haben einen runden Stahlkern, die Runddraht-Unterspinnung und der äußere Flachdraht bestehen aus Reinnickel. Das bedeutet, dass hier ein eher runder, gesättigter Ton anvisiert wird, ohne übertriebenes Gestrahle.

In der Praxis beweisen die Fusion Flats, dass sie tatsächlich die anvisierte Nische zwischen Round- und Flatwounds kompetent besetzen. Ich habe das Gefühl, dass die Saiten erst etwas eingespielt werden wollen, denn nach einer längeren Spieldauer während Aufnahme-Sessions hatte ich plötzlich das Gefühl, dass nun alles passt. Nun war ich an das leicht rauere Griffgefühl gewöhnt, und konnte mich der Musikalität dieser Saiten hingeben. Die Fusion Flats haben einen satten, souveränen Klangcharakter, der nie aggressiv ist, sondern eher gelassen und gekonnt wirkt.

Und sie lassen sich genau wie Roundwound-Saiten musikalisch ziehen. Meine Hollowbody Thinline klingt mit diesen Saiten wunderbar „holzig“, und es lässt sich gleichermaßen Jazziges wie auch Bluesiges vollwertig bedienen. Klar, für einen ausgewachsenen Handschuh-Ton muss man dann schon die Tonblende zur Hilfe nehmen, aber dafür werden auf der anderen Seite Höhen geboten, die man bei herkömmlichen Flats nicht erwarten kann. Was außerdem auffällt: Die Diskrepanz im Höhenverhalten zwischen den umsponnenen E6-, A5- und D4-Saiten zu den restlichen drei nicht umsponnenen ist ausgewogener als bei üblichen Flatwound-Saiten. Eine vorlaute G3 z. B. gibt es hier also nicht.

Und dann fällt mir auf, warum Pyramid diesen Flats den Vornamen „Fusion“ gegeben hat. Denn wie einst der gleichnamige Musikstil Elemente des Rock und Jazz zu einem eigenen Genre vermischte, ist den Fusion Flats die Fähigkeit in die Wiege gelegt worden, die jeweils besten Elemente herkömmlicher Round- und Flatwounds zu einem eigenen, sehr gelungenen Saiten-Thema werden zu lassen.

PLUS

  • Ausgewogenheit
  • satter, klarer Klang
  • Langlebigkeit
  • Vielseitigkeit

New Rock Standard und Resümee auf Seite 2

(Bild: Pyramid)

NEW ROCK STANDARD

Spritzig klingen, ausgewogen und leicht spielbar sein – mit diesen Vorgaben wollen die New Rock Standard einen neuen Standard im Saiten-Dschungel setzen. Roundwound-Saiten haben den absolut größten Marktanteil und sich in dieser Position absolut fest gespielt. Dabei hat der Preisverfall auch eine Rolle gespielt, der dann eintrat, als vor allem die großen amerikanischen Hersteller in ihren Großserienproduktionen auf den günstigeren Stahl als Umspinnung umgestiegen sind und teurere Metalle wie Reinnickel, Edelstahl und Monel außen vor blieben. Diese sogenannten Stahlsaiten sind also die Typen, die heute mit Abstand am meisten verbreitet sind, und das durchaus zu Recht. Denn sie sind laut, haben eine schnelle Ansprache und Dynamik, klingen brillant und offen und sie sind eben in den meisten Fällen auch günstig.

Dean Fareys Ziel mit den „New Rock Standard“ war es nun, Saiten zu schaffen, die all diese beschriebenen positiven Eigenschaften besitzen, aber von Allem etwas Mehr zu bieten haben. Also mehr Spritzigkeit, ein breiter aufgestelltes Höhenverhalten, eine intensivere Dynamik und dazu eine noch griffigere Haptik.

Ein hexagonaler Stahlkern ist die Grundvoraussetzung für eine schnelle Dynamik und ein spritziges Tonverhalten. Weitere Faktoren sind die Mengenverhältnisse zwischen Saitenkern und -umwicklung, und natürlich auch der Materialmix, aus dem die Umwicklung besteht. Wie dieser Materialmix und das Verhältnis des Kerns zur Umwicklung genau aussehen, bleibt allerdings ein gut gehütetes Geheimnis von Pyramid, bzw. Farey. Mir bleibt daher nur übrig, die Auswirkungen dieser Maßnahmen im Praxistest zu beschreiben.

Als ich diese Saiten auf eine Telecaster aufzog, war mein erster Eindruck der, dass ich noch nie so leicht spielbare .010er-Saiten auf einer Gitarre hatte. Von der aufgewendeten Kraft der Greifhand her wirkten sie eher wie .009er-Saiten. Ihr Ton hingegen kam groß und satt rüber, und am meisten hat mich die Dynamik, aber auch die etwas andere Haptik dieser Saiten begeistert. Dieses geheimnisvolle Material, aber vielleicht auch die Konstruktion, muss also etwas mit der Biegefestigkeit und dem allgemeinen Schwingungsverhalten gemacht haben. Außerdem ist das Sustain großartig, in seiner fest strahlenden, stabilen und nie flatterigen Art.

Kurz gesagt: Die New Rock Standard sind großartige, sympathische Saiten, die hiermit jedem zum Ausprobieren empfohlen sind, die nachprüfen wollen, ob der eine Schritt weiter weg von der Norm auch zu ihrem eigenen Sound- und Spielkonzept passt.

PLUS

  • Dynamik
  • Klangreichtum
  • Ausgewogenheit
  • Haptik

RESÜMEE

Egal, ob Fusion Flats oder New Rock Standard – diese beiden so unterschiedlichen Saiten, die durch die Zusammenarbeit von Pyramid mit Dean Farley entstanden sind, haben ihre Daseinsberechtigung durch ihre eigenwilligen Konzepte und die Ergebnisse, die diese neuen Ansätze bringen, bravourös unterstrichen. Die Fusion Flats besetzen erfolgreich die Nische zwischen Flatwounds und Roundwounds, während die New Rock Standard es mit einem geheimen Materialmix schaffen, in allen Belangen einen Schritt weiter zu gehen als der „Old Rock Standard“. Beide neuen Saitentypen sind in ihren jeweiligen Einsatzgebieten absolut zu empfehlen.


(erschienen in Gitarre & Bass 10/2023)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Kann das zu den Flatwounds mal jemand mit anderen Saiten vergleichen, insbesondere natürlich mit dem anderen “Standard”, Thomastik-Infeld Jazz Swing? Technisch, tonal und auch haptisch?

    Denn gerade den haptischen Aspekt finde ich bei Thomastik allgemein herausragend. Schon die roundwound Bebop fühlen sich glatt an, so fein ist die Umspinnung; Standard-D’Addarios mag ich dagegen gar nicht anfassen. Auf den flatwound Jazz Swing gleiten die Finger lautlos; muss nicht jedermanns Sache sein, ich find’s toll.
    Letztens hatte ich mal ghs Precision Flatwounds drauf. Die im Artikel beschriebene Haptik erinnert mich daran; mir gefiel es überhaupt nicht (mehr sag ich nicht, ich will sie nicht schlecht machen), vielleicht hätte ich etwas Geduld haben müssen.

    Und wie ist das mit dem Klang im Vergleich? Meine Ohren können sich sowas nicht über einen Saitenwechsel hinweg, meist noch von alt auf neu, merken. Und mein Verstärker scheint mir auch nicht jeden Tag gleich schlecht drauf zu sein….

    Ich sollte noch erwähnen: Man hat mich inzwischen auf 12er Saiten runtergehandelt, bei 10er würde ich wohl gleich wegrutschen.

    Und noch was zu Thomastik: Die sind teuer. Und trotzdem scheinen mir ab und zu welche im Pack zu stecken, die nicht ganz rein klingen. Pyramid wirbt wie Thomastik mit Handarbeit; passiert da auch so was?

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