Erstmalig präsentierte Paul Reed Smith sein Singlecut-Modell auf der Winter NAMM Show 2000. Wenn das damals für PRS-Fans keine Revolution war dann doch zumindest eine Sensation. Nachdem sich die erste Aufregung um das Design gelegt hatte, folgte die zweite, denn ein renommierter Mitbewerber erhob Klage wegen verletzter Markenschutzrechte und … verlor den Prozess.
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Fortan durfte PRS weiterhin Singlecuts bauen, und so liegt das aktuelle Modell der SC-58 vor, die sich unverkennbar an einer 58er Paula orientiert. Schon der mega-luxuriöse Koffer mit schwarz/braun/goldenem Paisley-Muster führt zu Schnappatmung. Der Gitarre selbst hat Paul Reed Smith Modifikationen hinsichtlich Lackierung, Halsprofil, Mechaniken und Steg spendiert.
Konstruktion der PRS SC-58
Die Basis deutet unverkennbar auf den Gibson-Klassiker hin. Bekanntermaßen verwendet PRS beste Tonhölzer, hier Mahagoni für Hals und Body, beides einteilig, sowie 15 mm dickes, kontrastreich und bookmatched geflammtes, gewölbtes Riegelahorn für die Decke, welche von farblos überlackiertem (Fake-)Binding umgeben wird. Perfekt aufgetragen und spiegelglatt poliert präsentiert sich der neue, eigens entwickelte V12-Lack. Er soll die Eigenschaften von Acryl und Nitro kombinieren, ist dünn und hart, reißt nicht, reagiert nicht auf Weichmacher, vermittelt dennoch das Feeling alter Gitarren und lässt zudem die Hölzer freier schwingen. Der Fuß des großflächig verleimten Halses wurde zum Cutaway hin abgerundet, was die Spielbarkeit der höchsten Lagen immens erleichtert. Auf der Korpusrückseite, wo eine breite Facette den Tragekomfort am Spielerkörper optimiert, decken präzise eingelassene Kunststoffplatten den Pickup-Schalter und die Elektrik ab. Es kommen ausschließlich High-End-Bauteile zum Einsatz. Schaltungsbedingt wurde gänzlich auf Abschirmung verzichtet. Ein stabiles Blech hält die Klinkenbuchse an der Zarge, große flache Knöpfe sichern den Gurt.
22 vorbildlich bearbeitete und polierte Jumbo-Bünde verteilen sich auf dem eingefassten Palisandergriffbrett, dessen Lagen Vogel-Inlays aus Paua Heart mit Perlmuttrand markieren. Ersteres ist ein sehr fein strukturiertes, bunt schimmerndes Abalone. Selbstverständlich hat man die schwarzen Side Dots im Binding nicht vergessen. Die mittels Palisander furnierte Kopfplatte trägt PRS Phase III Low Mass Locking Tuner, die nicht nur höchst präzise und geschmeidig arbeiten, sondern dank halb-offener Bauweise – lediglich die Schneckenwellen sind partiell abgedeckt – auch leichter sind. Gerändelte Schlitzschrauben dienen als Klemmen und lassen sich sogar ohne Werkzeug problemlos handhaben. Über einen perfekt aus- und abgerichteten selbstschmierenden Kunststoffsattel verlaufen die Saiten runter zur PRS-Two-Piece-Bridge, die bislang versuchsweise den teuren Private-Stock-Modellen vorbehalten war. Aus massivem Alu und Messing gefertigt sollen Steg und Stoptail die Schwingungsübertragung optimieren.
Während die Schaltung mit Dreiweg-Toggle, zwei Volume- und zwei Tone-Potis traditionell angelegt ist, hat die SC-58 mit ihren PRS-57/08-Humbuckern zwei spezielle Leckerchen an Bord. Hintergrund: 1957 wurden erstmalig Seriengitarren mit Humbuckern, den legendären PAF-Pickups, ausgestattet. Nachdem auf wundersame Weise Restbestände des originalen 57er Spulendrahtes und sogar die original Drahtziehmaschine der 50er-Jahre aufgetaucht sind, hat Paul Reed Smith diese komplett aufgekauft und sich (als gebranntes Kind) die Rechte daran sichern lassen. Wie auch immer, die verbauten Pickups kommen mit mattierten Nickelkappen.
Die PRS SC-58 in der Praxis
Mit 4,2 kg rangiert die SC-58 in der mittleren Gewichtsklasse, hängt aber dennoch angenehm am Gurt. Apropos: Dickeren Ledergurten bieten die verwendeten Knöpfe wenig Platz, dünnerem Material (max. 3,9 mm) indes zuverlässigen Halt. In jeder Situation aber zeigt die Gitarre optimale Balance. Das mit einem Hauch von V versehene Pattern-Halsprofil füllt meine Hand komfortabel aus, und die sorgfältigst bearbeiteten Bunddrähte und -kanten gestatten schnelle Lagenwechsel bis in die obersten Gefilde, wo der stark facettierte Cutaway und der verrundete Halsfuß ausreichend Platz schaffen. Dank der zwölfeckigen Reglerknöpfe lassen sich die leichtgängigen Potis präzise und komfortabel handhaben. Die Ballends der Saiten werden à la Ibanez Quik Change einfach in das Tailpiece eingehängt, was zumindest in Kombination mit den Locking Tunern überaus vorteilhaft ist, da die Saiten nicht lange aufgewickelt werden müssen und die Ringe dabei nicht aus ihren Aufnahmen rutschen. Funktionell und die Ergonomie betreffend fährt die SC-58 somit schon mal Bestnoten ein.
Bereits fernab vom Amp zeigt die Gitarre exzellentes Sustain, klingt über das gesamte Spektrum sehr langsam und gleichförmig aus, obgleich die Konstruktion nicht sonderlich intensiv schwingt, dafür aber ausgesprochen dynamisch und (klang)farbenfroh auf variablen Anschlag reagiert. So entfaltet sich ein voluminöses, lautes, ausgewogenes, transparentes und obertonreiches Klangbild mit einer gesunden Mixtur aus Drahtigkeit und Wärme.
Hören wir uns die 57/08 PRS-Humbucker zunächst über einen clean eingestellten Verstärker an. Zum Vergleich steht eine 83/84er Gibson Pre Historic Les Paul mit original 1960er PAFs zur Verfügung, denen man ja einen etwas rockigeren Sound nachsagt. Bereits der allererste Höreindruck des Hals-Pickups bestätigt, wie nah der 57/08 am Original ist. Nicht nur, dass er die Dynamik und das Sustain der SC-58 adäquat umsetzt, er liefert auch den gleichen schmatzenden, warmen Schmelz und den beliebten samtigen, rauchigen, singenden, charaktervollen Ton. Akkorde besitzen ein leichtes Plus an Transparenz, und der Output liegt um eine Nasenspitze vor dem des Originals. Auch der Steg-57/08 kommt seinem PAF-Pendant fast schon beängstigend nahe, obgleich er ebenfalls klarer und drahtiger tönt, etwas höhere Ausgangsleistung besitzt und damit dem SC-58 mehr Flexibilität und einen gewissen Biss verleiht. Grundsätzlich aber bringt es der PRS-Humbucker präzise auf den Punkt und gibt damit unmissverständlich sein klangliches Vorbild zu erkennen. Das reiche Obertonangebot der Gitarre lässt beide Pickups insgesamt einen Hauch klarer, knackiger und transparenter erscheinen. Wunderbar seidig und luftig perlt die Paarung beider 57/08er aus den Lautsprechern – prägnant und definiert ohne irgendwelche Phasenspielereien. Da die Zusammenarbeit von Instrument und Pickups bestens funktioniert, lassen sich allein mit variablem Anschlag, dynamischem Spiel und den vorzüglich arbeitenden Potis bereits am zerrfreien Amp unzählige Klangnuancen realisieren.
Ihren offenen, transparenten Sound verdanken die Pickups auch einem nicht allzu intensiven Wachsbad der Spulen. Dies ist bei hohen Lautstärken und/oder Verzerrungsgraden festzustellen, wo speziell der Steg-Pickup zu mikrofonischem Pfeifen neigt. Weder bei bluesigem Anzerren, noch bei Crunch- und sogar Lead-Sounds verlieren die 57/08er nennenswert an Dynamik, Vitalität, Transparenz und Durchsetzungskraft. Die leichtgängigen Potis besitzen eine sehr gleichmäßige Regelcharakteristik und gestatten präzise Kontrolle von Gain, Pegel und Ton.
Resümee
Mit der SC-58 bringt PRS seine Interpretation des Gitarrenklassikers der Rock-Geschichte an den Start. Mehr Les Paul geht nicht. Neben der überaus stimmigen Basis aus erstklassigen Tonhölzern und eigener innovativer High-End-Hardware sind primär die 57/08-Humbucker für den verblüffend authentischen Vintage-Paula-Sound verantwortlich. Ungeachtet des Hypes um den alten Spulendraht und die Produktionsmaschinen muss ich zugeben, dass es sich bei diesen Humbuckern wirklich um exzellente Pickups handelt. Sicherlich würde der eine oder andere die 57/08 auch gerne einzeln kaufen wollen, allerdings gibt es die nur mit einer PRS-Gitarre drumherum. Fazit: Eine beeindruckende Gitarre zum nicht weniger beeindruckenden Preis.
Übersicht
Fabrikat: PRS
Modell: SC-58
Typ: Solidbody E-Gitarre
Herkunftsland: USA
Mechaniken: PRS Phase III Low Mass Locking, Messingwellen, halb offen, 14:1