Die vielleicht ungewöhnlichste und einzigartigste Gitarre des derzeitigen Marktes?
Powers to the people: Powers Electric A-Type im Test
von Heinz Rebellius, Artikel aus dem Archiv
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(Bild: Dieter Stork)
Andy Powers, der dynamische CEO von Taylor Guitars, hat als Masterbuilder und Chief Guitar Designer richtig viel Schwung in das Akustikgitarren-Unternehmen gebracht, scheint aber seit Kurzem auch Zeit und Lust zu haben, seiner heimlichen Leidenschaft zu frönen: der E-Gitarre!
Powers wuchs in North County San Diego auf und wurde kulturell von Surf-, Skateboard-, Auto-, Musik-, Kunst- und Design-Elementen aus SoCal (= Southern California) sozialisiert. Bei der Entwicklung der Powers-Electric-Gitarren ließ er sich ganz bewusst vom innovativen DIY-Geist der Surfer- und Hot-Rodding-Gemeinde inspirieren. Denn ihm ist es ein persönliches Anliegen gewesen, der in Traditionen festgefahrenen E-Gitarren-Materie neuen Wind einzuhauchen – genauso, wie es ihm bereits bei den akustischen Gitarren von Taylor Guitars gelang.
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Dazu hat Powers das System E-Gitarre von oben bis unten analysiert, um dann an den Stellschrauben zu drehen, die dieses System seiner Ansicht nach besser machen können. Liebe Leser, im Folgenden wird eine Gitarre vorgestellt, die ohne das gesamte Rad neu erfinden zu wollen, einzig- und neuartig ist und das Zeug dazu hat, frischen Wind in eine mittlerweile leicht angestaubte Szene zu bringen.
ALLES KOPFSACHE
Um bei all den vielen, neu durchdachten Features den Überblick nicht zu verlieren, empfehle ich, die A-Type zusammen mit mir von Kopf bis Fuß durchzugehen. Jedes Bauteil hat seine eigene Geschichte zu erzählen, jedes Bauteil wurde von Grund auf neu entworfen, konstruiert und in house hergestellt. Das macht man wirklich nur, wenn man es ernst meint …
Alle Features und die Konstruktion selbst sind darauf ausgelegt, die Gitarre so dynamisch und so offen wie möglich erklingen zu lassen. Dabei hilft mitunter auch das Credo „form follows function“.
Das fängt schon bei der Kopfplatte an, deren Designdetails tatsächlich gewissen Funktionen folgen. So richten sich Größe und Form vor allem nach der Länge der Saiten zwischen Sattel und der jeweiligen Mechanik. Wie das? Powers geht davon aus, dass auch solche passiv mitschwingende Saitenanteile den Klang mitbestimmen. Vor allem ungerade harmonische Obertöne, die dort entstehen, können zu unschön klingenden Disharmonien führen. Powers hat nun die Länge der passiv mitschwingenden Saitenanteile in solch einem Verhältnis zur Mensur abgestimmt, dass sich die ungeraden Harmonischen nicht mehr in den Vordergrund drängen können. Außerdem ist der Saitenverlauf vom Sattel zu den Mechaniken recht gerade, was wenig Reibung in dem großzügig gekerbten Sattel bedingt.
Der leichte Winkel, in dem die Kopfplatte nach hinten geführt ist, sorgt für einen passenden Druck in den Kerben des Sattels, der aus Ebenholz gefertigt ist. Das gleiche Material befindet sich auch als Saitenauflage auf der Brücke, „…wegen des dunkleren Tons,“ sagt Powers. Hals und Kopfplatte bestehen aus einem Stück Mahagoni. Die Kopfplatte ist mit einem ca. 3 mm starken Aufleimer aus Honduras-Palisander versehen, der – und auch das ist eine Besonderheit – direkt mit dem aus demselben Material bestehenden Griffbrett verbunden ist.
Diese direkte Kopplung soll laut Powers den Einfluss der Kopfplatte auf das gesamte Schwingungsverhalten verstärken. Dass die Kopfplatte jeder E-Gitarre mitschwingt, ist bekannt; Zweifler können leicht den Selbsttest machen, die Saiten anschlagen und gleichzeitig die Kopfplatte anfassen. Sofort ändert sich der Klang … Powers hat hier durch die Kopplung von Kopfplatte und Griffbrett diese durchaus bekannte Wirkung intensiviert.
Urban Ash
Von Taylor weiß man, dass sie als Teil ihrer Nachhaltigkeits-Philosophie Urban Ash bereits für einige ihrer Akustikgitarren-Serien verwenden. Also Eschen, die nicht in Wäldern oder Plantagen, sondern praktisch vor der eigenen Haustür in städtischen Räumen gewachsen sind und die aufgrund ihres Alters, aus Sicherheits- oder anderen Gründen gefällt werden mussten. In unserem Archiv findet sich zu diesem wichtigen Thema ein weiterführender Artikel:
Die Spielbarkeit des Halses ist auch für Powers der Maßstab, an dem alles andere gemessen wird. Ist der Sound einer Gitarre auch noch so gut, aber die Spielbarkeit nicht passend, wird man diese Gitarre auch nicht spielen wollen. Davon ausgehend, hat die A-Type nicht etwa einen Compound-Radius, wie man in dieser Preisklasse hätte erwarten können. Powers hat vielmehr einen quer zur Länge unsymmetrischen, sogenannten Split-Radius entwickelt, der zur Treble-Seite hin abflacht. So liegt seinen Untersuchungen zufolge der Hals ganz natürlich in der Hand, und die Bundstäbchen kommen auch bei extremen Bendings den Saiten nicht in die Quere.
Außerdem ist das Griffbrett mit rund 43 mm Sattelbreite eine Idee breiter als das Standardmaß, was mir persönlich sehr zusagt. Das Werks-Setup sieht eine nahezu schnurgerade Einstellung des Halses vor, was Powers als eine weitere Voraussetzung für einen guten Ton mit ein direktes Attack-Verhalten und einem langen Sustain ansieht. Die Rückseite des Halses ist sehr dünn und seidenmatt lackiert, sodass sich Poren und Maserungsverläufe sogar noch erfühlen lassen.
Auch bei der Wahl der Mensur geht Powers einen eigenen Weg. Er entschied sich für ein Maß, das zwischen Fender und Gibson liegt und mit 24-7/8″ (63,18 cm) etwas kürzer als das von PRS oder Gretsch ist.
Die Verleimung von Hals und Korpus geschieht über eine Art Dovetail-Verbindung, wobei der Hals-Korpus-Übergang dabei sehr „comfy“ verrundet ist, sodass die Turner in den oberen Lagen trotz des Retro-ähnlichen Designs der A-Type bestmögliche Bewegungsfreiheit genießen.
HOLLOW BODY
Die Offset-Bodyform will vor allem cool aussehen und an Vergangenes von Harmony, Kay, Silvertone und Fender-Offset-Modellen erinnern, aber sich auch – form follows function! – perfekt ausbalanciert sowohl im Sitzen als auch am Gurt verhalten. Für den knapp 46 mm starken Body wurde die Basis aus Urban Ash nahezu komplett hohlgefräst und mit einer Decke aus massivem, geflammtem Ahorn beleimt. Diese Decke ist von innen mit einer Beleistung versehen, die der einer Archtop ähnelt und ihr eine große Steifheit parallel zum Saitenverlauf verleiht – dort, wo der Saitenzug am größten ist.
Die Auflagestelle des rechten Arms wird nicht etwa aus dem Deckenholz heraus geschnitzt, sondern die Decke ist passend gebogen. Dieser Prozess erzeugt eine zusätzliche Spannung, die die Resonanzfrequenz nach oben bewegt und für eine gewisse Lebendigkeit und Frische im Sound sorgen soll. Ein ähnlicher Vorgang wie z. B. bei einer Singenden Säge, bei der der Grad der Biegung die Tonhöhe bestimmt.
Wie wir sehen, hat die Decke keine Schall- oder F-Löcher bekommen, was der Unterdrückung von Rückkopplungen bei hohen Lautstärken hilft. Genau dem gleichen Zweck dienen zwei sogenannte „soundposts“, dünne Stäbe, die unter der Brücke sitzend Decke mit Boden verbinden und beide Bauteile wie ein Tandem parallel zueinander schwingen lassen. Dies verhindert ein Dröhnen, erhöht die Resonanz, dient der Offenheit des Klangs und unterstützt die Dynamik und das Sustain.
PICKUPS
Powers Electrics hat zwei unterschiedliche SinglecoilPickup-Typen im Programm, den FF42 bzw. PF42. Powers ließ sich durch die Pickups von Paul Bigsby inspirieren, der Ende der 1940er herausragend klingende Tonwandler herstellte. 42 bezeichnet die Stärke des verwendeten Drahtes, FF steht für „full Faraday“ und PF für „partial Faraday“. Faraday erinnert mich an den Faradayschen Käfig, eine geschlossene, der Abschirmung dienende Hülle. Der FF-Typ ist denn auch komplett in Aluminium gehüllt, der in unserer Testgitarre verbaute PF-Pickup ist oben offen, bzw. mit elektrisch unbedeutendem Perloid bedeckt.
Obwohl Aluminium nicht magnetisch ist, wird es hier innerhalb eines starken Magnetfeldes eingesetzt, um Diffusionen zu erzeugen und so die Schwingungen der Saiten zu beeinflussen. Von den beiden Pickup-Typen ist der PF42 der fokussiertere und mit einer engbandigeren Resonanzfrequenz operierende, der laut Powers mehr Biss und Punch liefert als der weiter und offener klingende FF42. Beide Singlecoils zeigen übrigens praktisch keinen Hang zu Nebengeräuschen.