(Bild: Dieter Stork)
35 Jahre ist es schon her, da stellte die Firma Glockenklang auf der Frankfurter Musikmesse ihre erste Bassanlage vor. Die Bugatti sprengte mit ihrem Konzept – und ihrem Preisschild – jeglichen konventionellen Rahmen, beflügelte aber auch dank des Tests von Horst Stachelhaus im Fachblatt die Fantasie der gesamten Szene. Der Anfang einer Erfolgsgeschichte im Bassanlagen-Sektor, deren jüngsten Zuwachs wir hier zum Test begrüßen dürfen.
Dem Konzept, Detailtreue, Musikalität und Lebendigkeit des Tons zu bieten, ist Glockenklang dabei immer treu geblieben. Seit fast zwanzig Jahren sind dabei auch Verstärker mit eingebautem Verzerrer im Programm.
MEHR IST MEHR
Der Blue Bird ist reichlich ausgestattet, also legen wir gleich mal los: Zwei Eingangsbuchsen gibt es, A und B, die per Druckschalter angewählt werden. Der Eingangspegel wird mit dem Gain-Regler eingestellt, Eingang B kann mit dem Trim-Regler um bis zu -20 dB gedämpft werden. Möchte man zwei Bässe gleichzeitig betreiben, sollte also der pegelstärkere bei B eingestöpselt werden. Der Tune-Schalter schaltet den Amp bis auf den Tuner-Out komplett stumm für lautloses Stimmen. In der oberen Reihe der Regler tummelt sich die Klangregelung.
Die geht los mit einem Bass-Cut, der stufenlos zwischen 20 und 80 Hz eingreift und per Druckschalter aktiviert wird. Ebenfalls mit einem An/Ausschalter kommt der eigentliche EQ. Der hat Bass, tiefe Mitten, hohe Mitten und Treble zu bieten, wobei die Mittenbänder zwischen tief und hoch umgeschaltet werden können. Bei Low Mid sind das 150 oder 240 Hz, bei High Mid 750 Hz oder 1,5 kHz. Falls das alles nicht reicht, gibt es noch einen semiparametrischen Mittenregler, der einen weiten Bereich von 200 Hz bis 2 kHz stufenlos abdeckt.
Die untere Reihe fängt an mit der Zerrstufe: Drive regelt – abhängig vom Input-Gain – den Verzerrungsgrad, Drive Level passt die Lautstärke des Zerr-Sounds an, von ganz aus bis zu kräftigem Boost. Auch hier sorgt ein Schalter fürs Zu- und Wegschalten. Um den Zerr-Sound unabhängig vom EQ klanglich anpassen zu können, kann mit Voice ein schaltbarer Filter ins Spiel gebracht werden, der vor allem Tiefbässe und Höhen zunehmend rausnimmt. Ist Drive deaktiviert, ist auch Voice ohne Funktion. Die nächsten beiden Regler sind doppelt beschriftet, nämlich Effect/MP3 und Effect/MP3 Gain. Ist ein Effekt eingeschliffen, regelt Ersterer den Effektanteil, der parallel zugemischt wird. Ist ein MP3-Player (oder Tablet/Smartphone etc.) angeschlossen, wird dessen Lautstärke geregelt. Gain passt das Signal an der Return-Buchse noch um +/- 5 dB an, das alles kann – man ahnt es mittlerweile – per Schalter komplett aus dem Signalweg genommen werden. Als letzter Regler legt Volume die Ausgangslautstärke fest.
(Bild: Dieter Stork)
Eine blaue Power-LED zeigt an, dass der Amp angeschaltet ist. Das geht am Power-Schalter auf der Rückseite, über der mit einer Sicherung versehenen Kaltgerätebuchse, die das beiliegende High-End-Netzkabel aufnimmt. Daneben sitzt prominent der Lüfter, der temperaturgesteuert anspringt, und auch dann zu den eher leisen Vertretern gehört. Über einen Druckschalter kann die abrufbare Leistung an den beiden Speakon-Buchsen eingestellt werden. Entweder stehen 900 Watt an 4 Ohm bzw. 450 Watt an 8 Ohm zur Verfügung, oder, wenn man seine Boxen schonen möchte/muss, 600 Watt an 4 Ohm bzw. 300 Watt an 8 Ohm. Der XLR-DI-Ausgang kann nicht nur Pre (hinter Gain und Drive-Sektion) oder Post (inklusive EQ und Effektweg) geschaltet werden, sondern kommt auch mit Ground-Lift und 20 dB Absenkung für empfindliche Eingänge und gegen Brummschleifen.
Soundcheck und Resümee auf Seite 2 …
(Bild: Dieter Stork)
WENIG IST (SCHON) ALLES
Für den ersten Test schalte ich den Blue Bird an und alles andere aus, was mir nur Gain und Volume lässt. Und das … reicht schon! Detailliert, klar, plastisch, musikalisch – nichts fehlt, nichts ist zu viel. Wenn der Amp nur das könnte, würde es für viele Gelegenheiten schon reichen. Sehr beeindruckend! Als Nächstes ist der Bass-Cut dran. Der entpuppt sich als nützliches Werkzeug, um den Bass-Sound von unnötigem Ballast zu befreien. Die nicht eben schäbige tiefe H-Saite meines MTD-Fünfsaiters blüht noch mal richtig auf, wenn ich den (zu) tiefen Mumpf unterhalb des eigentlichen Tons beschneide. Einfach spielen und nach dem Gehör anpassen – fertig!
Selbst bei einem schon deutlich wahrnehmbaren Cut bei 80 Hz bleibt noch genug Substanz, das kann in einem sehr boomigen Raum die Rettung sein. Und außerdem gibt es ja noch den EQ. Da kann der Bassregler genutzt werden, um trockenen Druck bei 60 Hz zuzugeben, oder – dann eher bei deaktiviertem Bass-Cut – bei 30 Hz ausgedünnt werden. Wenig macht schon viel, die Musikalität bleibt ebenso erhalten wie der Grundcharakter des angeschlossenen Instruments. Treble macht den Ton am anderen Ende des Spektrums schön luftig, oder entschärft wie eine gute, passive Höhenblende.
Der aggressive Über-Zing meines Status-Basses ist schnell eingefangen und ein unauffällig tragender Begleitton am Start, den man dem knalligen Bass so gar nicht zutrauen würde. Den wichtigen Mittenbereich hat Glockenklang gleich fünffach aufgeteilt, mit den zwei Reglern mit jeweils schaltbarer Center-Frequenz ist schon ziemlich alles abzudecken: Punch und Growl in den tiefen, Holzigkeit und Attack in den hohen Mitten, um dann mit der Semiparametrik, mit einem weiten Einstellungsbereich von unterhalb Low Mid bis oberhalb High Mid, noch eine stufenlose Feinabstimmung vornehmen zu können.
Ein bisschen fummelig kann es dabei schon werden, die Regler liegen teilweise eng zusammen, die Knöpfe sind recht glatt, und die Druckschalter muss man auch noch im Blick haben. Dafür ist der Amp keinen Zentimeter breiter als er sein muss. Die Regelung des Effektweges funktioniert bestens in allen Mischungsverhältnissen, bis er voll aufgedreht seriell wird, über den Effect-Gain-Regler kann auch mit Patchkabel im Loop eine weitere Lautstärke schaltbar angelegt werden. So eingestellt ist der Weg mono, umgeschaltet auf MP3 geht ein Stereosignal rein und an den Kopfhörer. Der Effect/MP3-Regler wird dann zum Balance-Regler zwischen Bass und eingespieltem Signal. Zum lautlosen Spiel muss (und darf) die Box abgestöpselt werden, eine Belegung der Phones-Buchse schaltet nicht automatisch alles andere stumm.
Der danebenliegende DI-Ausgang ist mit allem ausgestattet, was man braucht, um den fantastischen Ton an Pult oder Interface abzugeben, da bleiben keine Wünsche offen. Die Drive-Sektion ist für mich ein Highlight an diesem, an Highlights nicht armen, Amp. Der einstellbare Bereich ist abhängig von der vorigen Regelung durch Gain und ggfs. Trim, geht aber grundsätzlich von komplett clean bis zu deftigem Drive. Der Drive-Level-Regler deckt von ganz aus bis zu ordentlichem Boost alles ab. Auch mit vollem Drive und ohne zugemischtes cleanes Signal bleibt immer genug stabiles Fundament erhalten. Macht der Drive so schon Spaß, geht es mit zugeschaltetem Voice-Regler noch mal richtig ab!
Mit der Beschreibung „es werden die Tiefbässe unter 45 Hz und die Höhen über 5 KHz gecuttet und zusätzlich die Mitten je nach Reglerstellung” in der gut geschriebenen Anleitung konnte ich nicht viel anfangen, real sieht das dann so aus: Ganz zugedreht sind wie beschrieben Tiefbässe und Höhen beschnitten. Je weiter ich aufdrehe, desto mehr kommen sie zurück, bevor mit fließendem Übergang die Mitten reduziert werden. Eine echte neutrale Stellung gibt es nicht, muss aber auch nicht, der Filter kann ja abgeschaltet werden. Ist der Ton also anfangs warm, rund, und Vintage-mäßig, geht es dann in Richtung Moderne und Metal. Zwar funktioniert die Voice-Regelung nur in Kombination mit dem Drive, aber da der auch unverzerrt kann, steht einer Nutzung als zweitem Clean-Kanal mit deutlich anderem Klang-Preset nichts im Wege – sogar fußschaltbar. Oder man nutzt das als Sound für einen zweiten Bass am Eingang B. Oder in Kombination mit der Effektschleife. Oder …
RESÜMEE
Was für ein Amp! Nur mit Gain und Master ist der Ton schon über jeden Zweifel erhaben. Dabei sollte alles, was am Verstärker angeschlossen wird, natürlich passende Qualitäten haben. Schwächen, z. B. am Instrument, übertüncht der Blue Bird definitiv nicht. Was auch immer dann am Blue Bird noch zugeschaltet wird, macht den Sound nicht schlechter, im Gegenteil! Maximale Flexibilität und feinste Klangkultur, von sauber und detailreich bis zu Vintagemäßigem Rotz und drückender Wärme, alles ist hier auf höchstem Niveau abrufbar. Natürlich mit größter Laufruhe und ausreichend Leistung, auch für die große Bühne. Class D in der Endstufe, aber in höchster Klasse! Der Preis macht klar, dass der Blue Bird eine ernstzunehmende Investition in guten Ton ist, aber für die gebotene Qualität, Made in Germany, ist der Kurs absolut angemessen!
PLUS
- Sound
- Leistung
- geräuscharmer, temperaturgesteuerter Lüfter
- EQ
- Drive
- schaltbarer Voice-Filter
(erschienen in Gitarre & Bass 07/2023)
Wo ist z. B. der 9V Anschluss für meinen Kompressor, der konstant läuft und gut neben dem liegt?