Es war einmal … ein verflucht flinker Gitarrist, der sich von Peavey einen Amp auf den Leib schneidern ließ. Der Verstärker hieß am Ende 5150, wie das Studio, in dem die lebende Legende, ein gewisser Eddie Van Halen, an seiner Musik arbeitete. Als die Kollaboration zum Ende kam, und damit die Rechte am Namen ebenfalls futsch waren, wollte Peavey das Amp-Modell natürlich nicht einstampfen. Aus dem 5150 wurde der 6505. Und diesen Neo-Klassiker gibt es jetzt als Mini-Ausführung.
Anzeige
Gleich drei geschrumpfte Versionen langjähriger Erfolgsmodelle kamen kürzlich auf den Markt. Neben unserem Testkandiaten sind dies der Valveking 20 MH und der Classic 20 MH. Beide haben wir bereits in Testberichten vorgestellt (siehe Ausgabe 11/2015 und 12/2015). Bevor wir in die Details gehen, sei noch erklärt, was es mit den ominösen Zahlen auf sich hat. Die Ziffernkombination 5150 ist ein US-amerikanischer Polizeicode, der als Synonym für einen entfleuchten Geisteskranken benutzt wird. Van Halen hat den Code als Titel für ein Album benutzt, angeblich als Anspielung auf den Sänger David Lee Roth, der die Band kurz zuvor verlassen hatte. Peaveys Modellbezeichnung 6505 entspringt einem harmloseren Hintergrund. Sie bezieht sich auf das 40-jährige Firmenjubiläum, bzw. die Jahreszahlen 1965 und 2005.
Konstruktion
Die Konzeption der Vorstufen ist bei den drei MH-Modellen unterschiedlich, denn – weitestgehend – decken sie sich natürlich mit den Vorbildern. Die Ausstattungsperipherie dagegen ist identisch. Und was wird hier nicht alles geboten. Praktisch ist zunächst einmal, dass die Ausgangsleistung der Class-AB-Gegentaktendstufe mit einem Schalter reduzierbar ist, von maximal zwanzig auf fünf oder ein Watt. Man kann den Lautsprecherausgang auch ganz stummschalten. Was vorteilhaft ist, wenn man den frequenzkorrigierten XLR-Out nutzt, den dazu parallel liegenden USB-Anschluss, oder über Kopfhörer spielen möchte. Das Signal wird hinter dem Ausgangstrafo abgegriffen, man hat also den Gesamtsound inklusive der 2×EL84-Endstufe zur Verfügung. Bei so viel Luxus fehlt natürlich auch ein (serieller) Effektweg nicht. Außerdem stehen noch zwei Fußschalteranschlüsse zur Verfügung. Der eine macht den Kanal-/Soundwechsel und die Crunch-Funktion des Rhythm-Kanals fernbedienbar.
Der andere ist für den On/Off-Status des FX-Weges (Return wird geschaltet) und des digitalen Halls (Reverb) zuständig. Obendrein ist der 6505 MH mit dem sogenannten TSI ausgerüstet, dem Tube Status Indicator, einer elektronischen Schaltung, die die Endstufe überwacht und die Biasspannung selbsttätig justiert. Als großes Topteil gibt es den 6505 inzwischen in der originären Version und als aufgerüstetes Modell mit der Bezeichnung 6505 Plus. Letzterer hat in jedem Kanal eine eigene Klangregelung zu bieten. Der Vorgänger hat nur eine gemeinsame. Diesem puristischeren Modell ist der Mini-Head nachempfunden: separate Gain- und Volume-Regler für die SoundSektionen, Low, Mid, High zum Abstimmen des Tons, Reverb, Resonance, Presence. Genau, wer sich mit der Materie auskennt, hat längst bemerkt, dass der Kleine dem Großen sogar neben dem TSI etwas voraus hat, nämlich den Reverb-Effekt.
Angesichts der beengten Platzverhältnisse kann die letztlich aufwendigere Technik des kleinen Topteils nicht mit dem Vorbild deckungsgleich sein. Man erkennt es schon an der Röhrenbestückung. Fünf ECC83/12AX7 beim großen Bruder, nur drei im Mini-Head. Ganz klar, hier kommen an einigen Stellen Halbleiter als aktive Bauelemente zum Einsatz. Der Schaltungsaufwand ist beträchtlich, entsprechend gedrängt geht es im Inneren des Stahlblechchassis zu. Modernste Fertigungstechnik in zweifellos sehr hoher Qualität, in Bezug auf die Verarbeitung steht der 6505MH schon einmal bestens da.
Praxis
Die Anschlussperipherie hat in unseren Tests des Valveking 20 MH und Classic 20 MH bereits ihre hohe Funktionalität bewiesen. Es stach besonders die Speaker-Simulation mit ihrer ausgewogenen Wiedergabe positiv hervor. Hier beim 6505 MH wiederholt sich das erfreuliche Ergebnis. Insbesondere die bei D.I.-Abnahme in der Klangfarbe stets kritischen Distortion-Sounds kommen hier mit beeindruckender Kultur zu Ohren. Die Kompetenz des Entwicklungsteams zeigt sich auch darin, dass das komplexe technische Konzept insgesamt gesehen problemlos funktioniert: Nebengeräusche halten sich im Hintergrund. Ein (dezentes) Schaltknacken ist lautstärkeabhängig nur beim Einschalten des CrunchModus im Rhythm-Kanal zu hören bzw. setzt sich in den FX-Weg fort.
Für die Fernbedienung der Fußschaltfunktionen liegt dem 6505 MH bereits ein Zweifach-Schaltpedal bei. Zum Sound des 6505 MH. Kollegen der Tester-Zunft, die kurzum behaupten, der Mini-Head sei im Klangverhalten identisch mit seinem großen Bruder, machen es sich zu einfach bzw. bringen Falschmeldungen in Umlauf. Es gibt Unterschiede, zum Glück möchte ich sagen, denn sie erweitern das Aktionsfeld des Mini-Head. Die Klangformung ist insgesamt weniger offensiv und aggressiv als beim großen 6505, der stets eine giftige Attitüde verbreitet, diese auch in die cleanen Einstellungen hineinträgt und in diesen auch wenig Headroom bietet. Das ist beim 6505 MH nicht anders, die maximale Clean-Lautstärke reicht nur bedingt für die Arbeit im Band-Kontext – eine Folge des hohen Gain-Niveaus im Preamp.
Das Clean-Klangverhalten ist allerdings anders, wärmer, es schwingt etwas von der klassischen Fender-Textur darin, trotz der kompakt straffen Abbildung von Details. Je nach Leistung der Tonabnehmer schleichen sich Verzerrungen schon ab etwa der Mittelstellung des Rhythm-Gain-Potis ein. Am Maximum steht stabiler, sensitiv auf die Spielweise reagierender Overdrive zur Verfügung. Mit dem Crunch-Modus werden die Zerranteile erheblich intensiver. Das Klangbild kratzt dann schon an der Grenze zu satter Distortion. Harmonische Struktur und obertonfreundliche Ansprache zeichnen die Klangformung aus – das hat ein spezielles Format. Diese beiden Faktoren bestimmen auch die Klangformung im LeadKanal. Wie beim großen Bruder liegt das Gain-Niveau extrem hoch, die Distortion kann also sehr intensiv sein.
Die Kompression hält sich dennoch in gesunden Grenzen und der kleine Amp schafft es, wie der große, die Noten sauber artikuliert zu separieren. Akkorde klingen harmonisch, Leadlines betten sich auf tragfähiges Sustain – was für ein hammerfettes Gain-Brett. Und ja, im Charakter des Lead-Kanals zeigen sich die typischen 6505-Farben: mittenbetont, irgendwie quälend aggressiv, in gewisser Weise penetrant … aber eben doch nicht so extrem wie beim großen Bruder. Folge dessen ist, dass der Mini in andere Gefilde vorstößt. Er kann nicht nur überzeugend den wilden Mann markieren, sondern sich auch in harmloseren musikalischen Atmosphären homogen einfügen.
Nicht schlecht, Herr Specht, das Bürschchen entpuppt sich damit als feine kleine eierlegende Wollmilchsau. Alternativen? Man kann es drehen und wenden wie man will, etwas Vergleichbares hält der Markt derzeit in der Preisklasse nicht bereit. Das liegt an dem Gemisch aus eigenständig charakterstarker Sound-Formung und luxuriöser Ausstattung. Grundsätzlich kann ich aber eine Alternative nennen, die in eine ähnliche Kerbe schlägt, und zwar den (etwas höherpreisigen) Metalmaster von Engl, der aber wohlgemerkt im Sound-Charakter auch wieder eine etwas andere, eigene Philosophie vertritt.
Der 6505 MH, das Gain-Monster im Aktentaschenformat, die mildtätigere MiniVersion von Eddies erstem Signature-Amp, zeichnet sich durch kultivierte Klangformung und ein breites Einsatzspektrum aus. Die luxuriöse Ausstattung erhöht nachhaltig den Nutzwert, wobei insbesondere die gelungene D.I.-Speaker-Simulation gelobt werden muss. Ein in sich rundum stimmiges Paket, das noch nicht einmal besonders teuer bezahlt werden muss: Das Preis-/Leistungsverhältnis wirkt ausgewogenen, um nicht zu sagen tendenziell günstig.