Parts Lounge: Triple Coil Music Overdrive und Distortion

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(Bild: Hennies Bizer)

Spätestens dann, wenn der Gitarren-Sound vom „süßen Elefanten“ oder dem „wütenden Gorilla“ untermauert wird, darf man schon mal ein bisschen abheben – oder? ‚Sweet Elephant‘ oder ‚Angry Gorilla‘ sind Namen, die auf jeden Fall neugierig machen.

So ging es mir jedenfalls, als ich das erste Mal von diesen Pedalen hörte. Und wenn noch ein genialer Gitarrist wie Marcus Deml dahintersteckt, muss man eigentlich wenigsten einen Test wagen. Ich war also neugierig. Schon seit geraumer Zeit wollte ich Marcus mal anrufen und fragen, ob ich da mal reinhören dürfte. Denn Marcus kenne ich schon lange … sehr lange und weiß, dass alles, was er hervorbringt, gut klingt.

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In den Achtzigern war die Frankfurter Musikszene noch recht klein. Jeder kannte irgendwie jeden und man traf sich auf einen Kaffee in Peter Couras ‚Guitar-Center‘ in der Schumanstraße im Frankfurter Westend nur einen Steinwurf von der Uni entfernt. Im kleinen Laden war’s warm, man konnte schwätzen, fachsimpeln und sich natürlich kennenlernen.

Marcus war auch da, aber ein paar Jahre jünger als die meisten Besucher. Er hatte schon einen anderen Background als die meisten Gitarristen dort, die entweder wie ich mit Cream oder den Allman Brothers oder mit Wes Montgomery oder Joe Pass aufgewachsen waren. Er repräsentierte eine etwas jüngere Szene, die Gitarristen wie Steve Lukather, Michael Landau, Stevie Vai oder Joe Satriani nacheiferten.

Diese Jungs spielten schneller, verschnörkelter und virtuoser als wir alten Blues-Recken. Vor allem aber spielten sie mit mehr Gain als wir, viel mehr Gain. Warum? Weil sie das hervorragend konnten. Marcus entwickelte sich zum Meister mit einer perfekten Kontrolle seiner Spieltechnik. Dabei war er aber nie ein „Dudler“, sondern verstand es immer, Lyrik und Melodie in sein Spiel zu bringen.

Also schielte man schon damals immer ein bisschen auf die Pedal-Boards dieser jungen wilden Generation und wollte herausfinden, wie sie das machten. Manche spielten schon mit Custom Pre-Amps von Thomas Reußenzehn. Das war schon klasse, aber es fehlte immer noch jede Menge Gain, um diesen singen California-Sound hinzubekommen.

Und so entdeckte ich, dass die meisten eine Kombination von Overdrive- und Distortion-Pedalen verwendeten. In diesen Zeiten (Anfang der Achtziger) bot der Markt da noch wenig Auswahl. Der Overdrive war eigentlich immer grün und wurde Tube Screamer genannt, das Distortion-Pedal war orange, hieß einfach nur DS-1 und kam von BOSS. Diese Kombination wurde zu einer Art Standard auf Bühnen und in Studios, vielleicht bis zu dem Zeitpunkt, als so etwas wie die Engl- oder Boogie-Preamps aufkamen, die noch mehr Preamp-Zerre boten.

Marcus beherrschte solche Werkzeuge schon damals mit Bravour und bekam nach langjährigem Aufenthalt in den USA, reichlich Gelegenheit, sein Können wieder unter Beweis zu stellen. In den USA hatte er am GIT seine Fähigkeiten deutlich verfeinert und seinen eigenen Stil gefunden.

Nur war es so, dass im etwas biederen „Tschörmänie“ solche Fähigkeiten kaum gewürdigt wurden. Hier gab es wenig Platz für Virtuosen. In den Studio-Produktionen, in denen er fortan mitwirkte, wurde meist der Rhythmus-Gitarrist gefragt. Also gründete er, immer noch in Frankfurt ansässig, mit ein paar ziemlich modern eingestellten Musikern sein Errorhead-Projekt. Das war etwa Mitte der Neunziger und klang nach einer Mischung aus „Techno meets Rock’n’Roll“.

Marcus‘ Gitarre ersetze genau wie bei Jeff Beck den Sänger und bestimmte das melodiöse Geschehen. Das Debut-Album von Errorhead war für mich bis heute eines der geilsten Gitarren-Alben, die ich kannte. Nicht weil er ein Freund war, sondern weil die Musik einfach dermaßen auf den Punkt war, hab ich es rauf- und runtergehört. Es war etwas völlig Neues.

Selbst Jeff Beck, dem ich das Album als Bewerbung als Support-Act für seine anstehende Deutschland-Tour übergab, meinte, nachdem er es gehört hatte: „Wenn der Typ mit dieser Musik vor mir spielt, will mich keiner mehr hören. Der macht ja das gleiche, was ich auf der Tour machen will. Techno mit Gitarre!“ Trotz der Absage beauftragte er mich, Marcus seinen herzlichsten Respekt für dieses Werk zu übermitteln.

Was haben nun Sweet Elephants und Angry Gorillas mit dieser ganzen Geschichte zu tun? Ganz einfach. Marcus zog irgendwann nach Hamburg und lernte dort Nils Thomsen kennen, der ihm Röhren-Amps nach genau seinen Vorstellungen auf den Leib schneiderte. Die Amps hießen dann auch ‚Errorhead‘, genau wie sein immer noch erfolgreiches Projekt.

Tragischerweise verstarb Nils nach ein paar Jahren und fortan sah man Marcus wieder mit Tube Screamern, aber vor allem mit Boss DS-1 auf der Bühne. Und wer diese Pedale kennt, weiß auch um deren Schwächen. Der Tube Screamer hat diese unschöne Mittennase, wenig Dynamik und Gain-Reserven, die am cleanen Amp oft nicht reichen und zu dünn oder auch etwas leblos klingen können.

Der DS-1 klingt mitunter schon zu weich und zu komprimiert. Er hat wenig „Kralle“ und taugt wie der Tube Screamer daher auch kaum am clean eingestellten Amp. Mit seiner Firma Triple Coil Music entwickelte Marcus daher über die Jahre zwei eigene Pedale, die all diese Schwächen nach seinen Vorstellungen beheben.

Zuerst kam der Sweet Elephant, eine Art Mega-Tube-Screamer, der nicht nur fetter und deutlich dynamischer als sein Vorbild klingt, sondern auch mehr Gain und Output zur Verfügung stellt. Die hohe Kunst dabei ist, dass das Pedal so gut wie nicht verfälscht. Der klar eingestellte Amp-Sound bleibt komplett erhalten, egal wie viel Gain man einstellt. Und davon gibt es eine ganze Menge.

Der Boden bleibt stabil, die Mitten tönen deutlich tiefer und nach oben ist der Sound deutlich offener als beim Tube Screamer, der mit einem Humbucker angesteuert, schon manchmal ziemlich absaufen kann. Und ich weiß, wovon ich rede, denn ich verwende seit Herbst 1979 die kleine grüne Box ohne Unterbrechnung.

Mein Tube Screamer ist noch die Narrow-Box-Version, gekauft bei CREAM Music in Frankfurt auf dem Heimweg von der Uni für 90 Mark! Ich bin auf diesen Sound so eingeschossen, dass ich mich bisher noch mit keinen anderen Overdrive anfreunden konnte. Bis der Sweet Elephant kam … That’s it.

Man kann dieses Pedal mühelos vor einen völlig clean eingestellten 79er Twin Reverb schalten und erhält diesen Overdrive irgendwo zwischen Lukathers ‚Toto IV‘, Buzz Feitens ‚Jungle Fever‘ oder Stevie Ray Vaughans ‚Live at El Mocambo‘. Und wozu sonst bräuchte man einen Tube Screamer?

Einige Zeit später präsentierte Marcus den ‚Angry Gorilla‘, eine Art 2.0-Version des guten alten Boss DS-1. Hier geht es um echte Distortion – und das hat mich wirklich überrascht, denn das Pedal macht nicht diesen typischen „Barking-Sound“, den man aus allerlei Modeling-Dosen in allen Musikgeschäften hört. Sondern „echten“ Distortion à la Jeff Beck, Gary Moore oder Mick Ronson. Würden die drei noch leben, sie würden’s kaufen. Da bin ich sicher.

Denn die Abstimmung bringt besonders mit einer Strat diesen elektrisierenden Geigen-Sound, den vor allem Jeff Beck so geprägt hat, obwohl er nie einen DS-1 verwendet hat. Kurzum, der Angry Gorilla klingt im besten Sinne vintage gepaart mit modernen Eigenschaften, auf die man heutzutage nicht mehr verzichten möchte.

Das heißt, man kann die Distortion trotz ergiebiger Gain-Reserven gut kontrollieren und vor allem so dynamisch spielen, als würde man nur den Amp voll aufdrehen. Mehr Beschreibung brauch es eigentlich nicht, um die Eigenschaften dieser Pedale darzulegen.

Ich hab in den 80ern Gary Moore in der Offenbacher Stadthalle gesehen, ausgerüstet mit Marshall-Major-Amp und einem DS-1, an gleicher Stelle Jeff Beck mit ProCoRat-Distortion vor einem Twin Reverb und wieder an gleicher Stelle Chris Rea, der über eine Strat und einen Tube Screamer vor einem Fender Tremolux die geilsten Slide-Sounds präsentierte, die ich je gehört habe.

All das hat sich in meinen Ohren eingebrannt wie ein unverwüstliches Tattoo. Und ich bin jedes Mal kläglich gescheitert, wollte ich in meinem Proberaum diesen Sounds nacheifern. Mit den Triple-Coil-Pedalen komme ich da ein ganzes Stück näher, weil sie es einem leicht machen und weil sie einfach unabhängig aller Reglerstellungen hervorragend klingen. Doch vor allem sind sie so gut kontrollierbar – Daumen hoch! Das sind im wahrsten Sinne tierisch gute Pedale. Und der Preis stimmt mit je 209,- Euro auch!

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2024)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Hallo Udo, hallo Marcus,

    ich bin auch ein absoluter Fan von beiden Pedalen und hab schon viel probiert…seit dem Affen und dem Elefanten hat die Suche ein Ende. Ganz liebe Grüße aus Frankfurt, Olaf

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