Praxistest mit E-Gitarre und -Bass

Neural Amp Modeler im Test

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Bedienoberfläche des Plug-ins mit Amp, IR, EQ, Gate und Normalize-Funktion

KI – Die künftige (Gitarren-)Informatik

Text: Florian von der Ohe

KI ist in aller Munde. Spätestens seit ChatGPT kommt man nicht mal mehr unter Instrumentalisten um das Thema herum. Aber muss man ja auch gar nicht. Denn man kann die künstliche Intelligenz ganz wunderbar dazu nutzen, mit erstaunlicher Präzision Amps und Effekte nachzubilden.

Genau das implementierte Steven Atkinson in seiner Freizeit und erschuf dabei den „Neural Amp Modeler“, oder kurz NAM. Zunächst gab es nur ein paar YouTube-Vergleichsvideos, und man musste wissen, wie man Sourcecode von Github forkt – Nerds werden wissen, was gemeint ist. Im letzten Jahr hat das Projekt massiv Fahrt aufgenommen und ist dabei auch deutlich zugänglicher für die Allgemeinheit geworden. Ein nicht ganz unwesentlicher Faktor: Das Ganze kostet nichts.

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WO GIBT’S DAS?

NAM ist reine Software und bietet keinerlei lizensierte Hardware, welche man käuflich erwerben könnte (wie beispielsweise beim Kemper oder Tonex). Möchte man nur spielen und nichts selbst modellieren, so kann man sich unter www.neuralampmodeler.com einen Installer für Windows oder MacOS herunterladen. Diesen bindet man dann ganz normal als VST in einer DAW seiner Wahl ein (sollte das Thema neu für dich sein, kannst du dir gratis auf www.gitarrebass.de den Artikel „Homerecording Special: Digital Audio Workstation (DAW)“ durchlesen).

Damit auch Sound herauskommt, benötigt man noch ein sogenanntes Profil. Dieses kann entweder von einem Amp oder Effekt, oder in einigen Fällen sogar von Studiohardware sein. Als de facto Tauschbörse hat sich www.tonehunt.org etabliert, etliche User tauschen ihre Profile aber auch in Foren oder der semi-offiziellen Facebook-Gruppe namens „Neural Amp Modeler (NAM)“. Unterschieden werden Profile in Amps, Pedals, Outboards, IRs und Full Rigs. Man ist also beliebig modular unterwegs.

WIE GEHT DAS?

Sollte das bis hierhin noch nicht klar geworden sein: NAM läuft nur auf einem Computer und du benötigst ein Interface, mit dem du deine Gitarre oder deinen Bass in den Rechner spielen kannst. Ist das gegeben, geht es hier im Text weiter.

Nachdem man also das NAM VST installiert und in einer DAW-Spur eingebunden hat, muss man nur noch ein Profil seiner Wahl hinzufügen. Zu Beginn eignen sich hier meiner Meinung nach „Full Rigs“ am besten. Diese bestehen mindestens aus Amp und Cab, oftmals auch noch aus einem Effekt. Hier hat man gleich eine ganze Signalkette und muss sich nicht um die folgende Signalbearbeitung kümmern. Hat man erst mal seine Lieblings-IR gefunden, spricht nichts dagegen, nur einen Amp von NAM zu nutzen und die Impulsantwort dahinterzuschalten.

Das war’s auch schon. Eigentlich genauso einfach wie jedes andere Plug-in. Nur dass man sich hier die Profile etwas umständlicher zusammensuchen muss und im Tool selbst keine (Online-)Bibliothek verbaut ist. Zum Zeitpunkt des Tests steht NAM übrigens in der Version 0.75 zur Verfügung und es finden sich knapp über 10.000 Profile bei Tonehunt.

WIE TRAINIERT MAN EIN MODEL SELBER?

Dieser Abschnitt ist ein bisschen nerdy, macht aber Spaß. Wenn du selbst nur spielen willst, kannst du ihn getrost überspringen. Insbesondere beim Training eines Models zeigt sich, dass NAM keine kommerzialisierte Software mit UX-Designern ist, sondern ganz klar aus dem Informatik-Umfeld kommt.

Wenn du einen Rechner mit starker (NVIDIA-)Grafikkarte hast und lokal auf diesem trainieren möchtest, musst du mittels Anaconda zunächst PyTorch und im Anschluss NAM installieren (Dass ich das mal in der Gitarre&Bass schreibe …). Die kommenden Schritte sind dann ganz ähnlich.

Geht es dir so wie vielen anderen und du bist nicht mit einer schnellen Grafikkarte gesegnet, kannst du zum Glück völlig kostenfrei Googles „Colab“-Service nutzen. Das klingt alles schwieriger, als es ist und eigentlich musst du nur ein paar Klicks auf die passenden Links machen. In Google Colab führt dich der englische Hilfstext gut durch die Schritte:

  1. Passende Maschine bei Google aussuchen (der Schritt ist auf Englisch beschrieben, Google zeigt dir aber vermutlich ein deutsches Interface).
  2. Das Referenzsignal von NAM herunterladen.
  3. Dieses Signal über dein Interface durch das schicken, was auch immer du modellieren willst.
  4. Diese Dateien in Colab hochladen.
  5. Einen Knopf drücken, um in deiner Colab-Instanz NAM zu installieren.
  6. Metadaten zu dem eingeben, was du modellieren willst, damit es später besser auffindbar ist.
  7. Einen Knopf drücken, damit das Training beginnt.
  8. Du kannst dein Modell herunterladen, teilen und nutzen.

Dank der Anleitung und der vorkonfigurierten Befehle geht es leicht von der Hand, wenn man Englisch kann. Nur sein eigenes Capture aufnehmen muss man eben noch „manuell“. Tatsächlich kann man vor dem Trainingsvorgang noch ein paar Parameter einstellen. Die Anzahl an „Epochs“ steht erst mal auf 100 und erzielt so auch meist schon gute Ergebnisse.

Der Befehl zum Modellieren ist dank hilfreicher Hinweise auch von Laien zu bearbeiten

Lediglich bei noisy Kram wie Fuzz-Effekten helfen mehr Epochs doch deutlich. Für einen Durchlauf mit 100 Epochs muss man circa zehn Minuten einplanen. Danach wird einem ein Plot mit einer Error-Signal-Ratio angegeben, der grob zeigen soll, wie genau das Modell ist. Bleiben wir bei meinem stark verzerrten Beispiel, wird mir bei 100 Epochs sogar ein Hinweis mitgegeben: „ …This probably won’t sound great 🙁 “. Tut es aber doch. Dazu später mehr. Viele der Modelle in der Community wurden mit 1000 Epochs trainiert. Dies hat sich als guter Kompromiss aus Qualität und Aufwand etabliert.

Ein Plot zeigt die Genauigkeit des trainierten Models im Vergleich zum Ziel-Sound

BEDIENUNG

Die Bedienung des Plug-ins selbst ist dann denkbar einfach, daher gibt es hierzu auch keine Anleitung oder Ähnliches. Die Oberfläche lässt einen ein NAM-Model und (wahlweise) eine IR laden. Seit der neuesten Version ist es hier auch möglich, schnell mittels Pfeilen nach links und rechts zwischen verschiedenen Modellen zu wählen oder gezielt per Dropdown-Menü. In der eigentlichen Bedienoberfläche findet man dann den Input-Regler, welcher bestimmt, wie hart das folgende Model angefahren wird. Hiermit kann man das Gain des Models noch etwas feintunen, auch wenn dies natürlich beim eigentlichen Modeling-Prozess schon fest eingebacken wird. Es folgen ein abschaltbares Noise Gate sowie ein abschaltbarer Dreiband-EQ. Dieser entspricht natürlich nicht dem EQ des modellierten Gerätes, hilft aber dennoch, um schnell Nuancen abzustimmen. Zuletzt finden sich ein Output-Regler und ein „Normalize“-Switch. Letzterer ist tatsächlich sehr hilfreich, da viele Modelle unterschiedlich laut trainiert sind. Das war’s auch schon. Keine endlosen Parameter-Seiten, kein tiefes Abtauchen in Sekundärmenüs. Take it or leave it.

SOUND

So. Nach all dem Geplänkel nun die Gretchenfrage: Wie hast du’s mit dem Sound? Und ich muss zugeben: Das war gar nicht so einfach herauszufinden. Ich habe nämlich nicht direkt eigenes Equipment modelliert, sondern wollte erst mal sanft mit schon bestehenden Amps beginnen. Nur gibt es hier eben nicht sowas wie Werks-Presets. Und so habe ich mich etwas durch Tonehunt sowie andere Foren und Portale gewühlt. Dabei fällt schnell ein großes Qualitätsspektrum auf. Ist ja auch klar: Wenn die einzige Einstiegshürde ist, ein Referenzsignal irgendwo durchschicken und es wieder aufnehmen zu können, dann können sich massive Unterschiede in der Qualität ergeben. Einen ersten Anhaltspunkt geben Kommentare in Foren und Download-Zahlen bei Tonehunt. Und so landete ich dann doch recht schnell bei sehr brauchbaren Profilen. Gefühlt bietet die Community aktuell viele High-Gain-Amps.

Im Clean- und Crunch-Bereich ist etwas weniger los, aber das mag sich alles noch ändern. Mit ein wenig Suchen fand ich Profile eines Deluxe Reverb, JCM 800 und VH4, welche mich wirklich überzeugt haben. Und da man ja ohne Probleme virtuelle Pedale davor hängen kann, ist man Gain-technisch ohnehin versorgt. Während mir der Deluxe Reverb als Full Rig schon sehr gut gefiel, war ich bei den anderen Amps mit den IRs, die ich auf Tonehub gefunden habe, noch nicht ganz zufrieden. Das wird aber eher an meinem Geschmack, als an der Technik liegen. Zum Glück hatte ich noch die Bogren IRs von Kristian Kohle auf der Festplatte. Wow, schon mit der gratis zu habenden „Ballgrind Scoop“-Impulsantwort gewinnt der Sound dermaßen an Qualität, dass man (für diesen Anwendungsfall) eigentlich keinen anderen Modeler mehr braucht.

Sowohl die Profile, die ich von mir bekannten Amps heruntergeladen habe, als auch meine selbst erstellten, geben den Ton der Amps und Effekte astrein wieder. Magst du einen Marshall in echt, wirst du ihn auch hier mögen. Magst du ihn nicht, bleibt das so.

Und auch meine zuvor beschriebene „This probably won’t sound great“-Warnung konnte ich ignorieren. Dies wurde mir angezeigt, als ich ein Profil meines MXR Custom Badass Distortion mit sehr hohem Gain erstellt habe. Tatsächlich klingt das Profil mit 100 Epochs nicht genau wie das Pedal. Aber dennoch echt gut. Und erhöht man die Zahl der Epochs, so nähert es sich ganz deutlich dem Original und kann perfekt genutzt werden, um Amp-Modelle weiter anzublasen. Dabei hat NAM die Gain-Einstellung der profilierten Gerätschaften immer sehr genau getroffen – das hat bei Tonex nicht immer funktioniert.

Zum Sound kann ich also nur sagen: Wenn der Ersteller des Profils weiß, was er tut, dann sorgt NAM dafür, dass er technisch akkurat abgebildet wird. Und das klingt dann eben auch gut. NAM muss sich hier hinter keiner Alternative am Markt verstecken.

ALTERNATIVEN

Gratis-Alternativen, die auch noch ohne größere Informatikkenntnisse bedienbar sind, sind mir aktuell nicht bekannt. Auf Github gibt es vergleichbare Projekte, die man aber selbst forken muss. Teils müsste man dazu noch Matlab, Python oder Ähnliches verstehen. Bleiben wir also beim Metier der Gitarrenzeitschrift und stellen fest: Es gibt gute gratis VST-Amp-Modeler und gute bezahlte Technologien, die mit NAM vergleichbar sind. Historisch gesehen steht allen voran wohl der Kemper, der natürlich auch heute noch seinen festen und wohlverdienten Platz in der Gitarrengemeinde hat. Das Neural DSP Quad Cortex bietet ähnliche Funktionen mit Hardware und als neuester Vertreter hat sich das IK Multimedia Tonex in die illustre Schar eingereiht. Hier hat man die Wahl zwischen reiner Software oder auch ergänzender Hardware.

Tonex kostet im Gegensatz zu NAM etwas, bietet aber auch ein umfangreicheres und besser gestaltetes Interface. Zudem ist die Bibliothek weiterer Modelle direkt in die Software integriert, was die Suche nach neuen Sounds deutlich angenehmer macht. Und spätestens wenn man nicht immer (nur) am Rechner spielen möchte, freut man sich über die Hardware. Klar bleibt aber auch: Hat man bereits ein Interface und eine Möglichkeit zum Abhören, ist NAM ein wahrer Segen. Es steht nun auf einmal eine breite und stetig wachsende Soundpalette zur Wahl – und das völlig gratis.

RESÜMEE – GITARRE

NAM ist dem Geek-Status noch nicht vollends entwachsen, tut es mit jedem Release aber etwas mehr. Mittlerweile kann es auch von jedem Nicht-Informatiker bedient werden, also bitte nicht abschrecken lassen. Belohnt wird man nach einfachster Installation und ein wenig Profil-Suche mit realistischen Abbildungen tausender Amps, Effekte und Outboard-Equipment. Der Klang steht anderen Profilern in nichts nach und die Bedienung ist so simpel gehalten, dass man nicht Gefahr läuft, sich in hunderten von Menüs zu verlieren. Schon super, dass es sowas heutzutage völlig gratis gibt. The future is now.

PLUS

  • Gratis
  • Sounds
  • Community

MINUS

  • Abwicklung über Google Colab manchmal fummelig

Einsatz am Bass und weitere Fallstricke

Text: Joris Henke

Meine Begeisterung für (Elektro-)Technik und insbesondere moderne Technologien dürfte an der einen oder anderen Stelle schon zum Vorschein gekommen sein. Dass ich bei einer Open-Source- und damit kostenfreien Alternative zum Kemper, Quad Cortex oder Tonex große Augen mache, versteht sich von selbst. Kollege Florian hat die grundlegenden Voraussetzungen bereits erklärt, daher werde ich mich in erster Linie auf den Einsatz am Bass und Studioequipment bzw. mit zusätzlichen Plugins beziehen.

Bevor es losgeht, muss ich zunächst eigene Models erstellen und das geht wirklich kinderleicht. Referenzdatei heruntergeladen, für den ersten, einfachen Test mit dem Helix Native VST bearbeitet und anschließend exportiert. Mithilfe der step-by-step Anleitung von NAM geht das Hochladen und Berechnen eines Models wirklich gut von der Hand. Im Direktvergleich zu Tonex gefällt mir der Workflow tatsächlich besser. Klar, man muss alle Dateien händisch umbenennen und speichern, aber dafür kann ich eine beliebige Anzahl an gereampten Signalen nacheinander aufnehmen und das Berechnen dank Abwicklung über Google Colab theoretisch von überall erledigen. Bei Tonex wird erst aufgenommen, dann eine (abhängig von der eigenen Hardware im Zweifel sehr lange) Zeit gerechnet und anschließend erhält man das Model zum Testen. Bei NAM kann ich im Prinzip direkt 20 Aufnahmen anfertigen und diese dann beizeiten abfrühstücken. Wer mehrere Google-Accounts besitzt (oder den Freundeskreis um Unterstützung bittet) kann auch mehrere Trainings gleichzeitig laufen lassen.

An dieser Stelle übrigens direkt drei Hinweise: deaktiviert beim Reampen alle Noise Gates! In der Referenzdatei sind sehr kurze Impulse, die der zeitlichen Synchronisierung dienen und die von Gates gern verschluckt werden, was NAM dann mit Fehlermeldungen quittiert. Des Weiteren laufen die Sessions für maximal 12 Stunden. In dieser Zeit sollten die Output-Dateien heruntergeladen werden, sonst sind sie weg. Auch jegliche Energiesparmaßnahmen im Browser sollten deaktiviert werden, sonst kann es sein, dass die Session wegen Inaktivität terminiert wird und der Fortschritt verloren geht.

Leistungstechnisch ist NAM übrigens nicht ganz ohne. Bei 48kHz (andere Abtastraten werden derzeit noch nicht unterstützt) und 64Bit tiefem Buffer genehmigt sich eine Instanz mit einem „Standard“-Model und aktiviertem IR-Loader knappe 10% Auslastung meiner M1Pro CPU in einer GigPerformer 4.5 Session. In Ableton Live 11.2 sogar bis zu 15% und unter Studio One 6.5 immerhin noch etwa 5%.

Als Testobjekte dienen bei mir diverse Plug-ins, als Härtetest auch mit zwei oder drei parallelen Signalpfaden gleichzeitig, Pedals sowie Verstärker. Vom Capturen mit Box plus Mikro würde ich für den Heimgebrauch erst einmal abraten, Mikrofonierung ist eine Kunst für sich und bringt ihre ganz eigenen Fallstricke mit sich, deren Behandlung hier den Rahmen sprengen würde.

Die Ergebnisse des Trainings können sich hören lassen! Bereits mit nur 100 Epochen lassen sich Low-Gain- sowie Clean-Sounds überzeugend abbilden. Mit längerer Dauer steigt die Nähe zum Original in der Obertonstruktur. Als wirklich beeindruckend fällt auch mir die exakte Abbildung der Gain-Einstellung auf. Sowohl bei Tonex als auch am Quad Cortex musste ich das Modell immer ein wenig in die eine oder andere Richtung justieren.

Genau wie Tonex, Quad Cortex oder Kemper tut sich allerdings auch NAM mit starker Kompression im Sound eher schwer, das liegt derzeit einfach am Stand der Technologie. Sehr dichte Fuzzes, Distortions oder eben Kompressoren lassen sich so nur bis zu einem gewissen Maße einfangen und abbilden. Gerade beim Capturen von Signalketten am Bass oder Studiogear sollte dies bedacht werden, Kompression im Low-End oder Multibandkompressoren sind hier schließlich keine Seltenheit.

Davon abgesehen stellen aber selbst parallele Signale, etwa mit beigemischtem, unverzerrtem Signal keine Herausforderung für das neurale Wunderwerk dar. High-Gain-Sounds wie auch angezerrte Klänge, egal ob warm oder drahtig, werden gleichermaßen gut und mit einer beeindruckenden Dynamik reproduziert.

Vorausgesetzt, das Original gibt es her, reagiert die NAM-Blackbox ausgezeichnet auf unterschiedlich intensives Spiel und Anschlagstechniken. Unterschiede zum Original lassen sich in den meisten Fällen lediglich fühlen und nicht hören. Ausschlaggebend ist hier in der Regel das „Übermaß“ an Dynamik, die fehlende Kompression. Insbesondere über Endstufe plus Box abgespielt ergibt sich ein etwas anderes Spielgefühl als mit der originalen Signalkette.

Abhilfe schafft hier der Einsatz eines Kompressors (oder mehrerer). Bei Tonex gehört dieser bereits zur Signalkette, aus gutem Grund. Dass man bei einer kostenlosen Lösung auf externe Plugins oder Outboard zurückgreifen muss, halte ich allerdings für verkraftbar. Übrigens gibt es dank Open Source auch bereits Versionen des Plug-ins aus der Community mit erweiterten Funktionen, wie etwa besseren Model/IR-Browsern, Anbindung an die Tonehunt Cloud, EQ-Fenstern und mehr

Auf Tonehunt finden sich abertausende Models, hochgeladen von der Community. Jedoch macht die recht rudimentäre Suchfunktion das Finden von Bass-Rigs zu einer etwas mühseligen Mission. Bei der Anfrage nach „Bass“ wird man mit Captures vom Fender Bassman, einem Gitarren-Amp, überschüttet. Aber hier und dort versteckt sich auch mal ein Ampeg oder Darkglass. Da das Erstellen eigener Models jedoch wirklich gut selbst umsetzbar ist, werde ich dies wohl in nächster Zukunft bevorzugen. Zumindest solange in den Metadaten von NAM sowie der Suchfunktion nicht entsprechend auch für Bassequipment eigene Kategorien eingeräumt werden.

RESÜMEE – BASS UND MEHR

Mit ein wenig Eigeninitiative lässt sich NAM wirklich gut nutzen und entlohnt mit überzeugender Abbildungsleistung und hoher Dynamik. Dem Einsatz am Bass oder auch mit Studiogear steht unter Berücksichtigung der Limitierungen nichts im Wege. Übrigens: Inzwischen gibt es eine Kooperation mit Mod Devices, um NAM in spielbarer Hardwareform auf die Bühne zu bringen. So muss nicht auf Laptops im Live-Einsatz zurückgegriffen werden. Stand jetzt ist es schon beeindruckend, was die Open-Source-Community hier ermöglicht – und das für lau. Ich freue mich jetzt schon auf zukünftige Updates und weitere Kooperationen.


(erschienen in Gitarre & Bass 04/2024)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Der Artikel ist gut recherchiert und beschreibt die Sache gut.
    Zwei Anmerkungen:
    1. die NAM captures von amalgam sind der absolute Hammer, zu EUR 15 das Set von 9 Amp Einstellungen und 4 passenden Also wirklich, die klingen unglaublich echt und reaktiv.
    2. SELBSTVERSTÄNDLICH hat ein hiesiger Trupp von Erfindern eine professionelle Hardware-Platform erdacht und produziert, nämlich das NAM Player pedal von DimeHead!
    ich habe es selbst und bin begeistert – man braucht eben KEINEN COMPUTER mehr für NAM!
    Es ist für Musiker gemacht, bühnentauglich, super benutzbar.
    Check it out!

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    1. Danke für den Hinweis aud die Hardware!

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  2. Die aktuelle Version von NAM ist mittlerweile 0.7.9. und es ist einfach super.
    Es fehlen nur ein paar Bassverstärker!
    Vor allem aber wünsche ich mir, dass andere Softwarehersteller .nam-Dateien als gängiges Dateiformat in ihre Produkte einbauen!

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  3. Ehrlich gesagt braucht kein Gitarrist diesen KI-Kram wirklich. John Lee Hooker war Analphabet und wurde dennoch einer der besten Gitarristen aller Zeiten und inspiriert noch immer viele Musiker wie mich. Ich habe von ihm gelernt, dass ich nur eine Old School-E-Gitarre und Tweed-Amp brauche. Effektgeräte ist nicht mal notwendig. Aus Mangel der verfügbaren “Technik” wird man tatsächlich kreativ. Mit KI Tools oder Software Amp muss man erstmal den “Sound” suchen und so vergeht die Zeit und Kreativität verloren…

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    1. … puristisch gesehen schon richtig … ABER … in der dichter besiedelten FRG gibts Nachbarn, die nett und nicht schwerhörig sind … und ikke bin auch eher nicht so toll wie der gute John Lee … da lob ich mir die Simulation, die auch bei kleinen Lautstärken und mit Kopphörer funktioniert!

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      1. Es gibt tatsächlich zwei sehr gute Alternativen, um einen puristischen Ton mit einer Röhrenamp zu erzeugen, ohne die Nachbarn zu stören.

        Ich besitze mehrere Boutique-Tweed Amps. Der kleinste hat gerade mal 5 Watt Leistung (ein Klon des Fender 5F1 Champ). Ich stecke ihn am liebsten in Kanal 2 und drehe die Lautstärke auf 4 von 12. Das ergibt eine perfekte Zimmerlautstärke. Ich muss zugeben, dass ich diesen Trick von Keith Richards abgeschaut habe, der in einem Interview erwähnte, dass er am liebsten so mit diesem Amp spielt.

        Da ich auf dem Land lebe, greife ich auch gerne zu leistungsstärkeren Amps. Eine weitere Alternative ist die Verwendung eines Attenuators, wie ihn mein Kumpel mit der Universal Audio OX Amp Top Box nutzt. Allerdings muss man zugeben, dass diese Alternative etwas kostspielig ist…

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  4. Meine Güte … so viel Vorurteile bei völliger Unkenntnis des Begriffs: OpenSource und der Scene, die den OpenSource-Gedanken treibt …
    Vielleicht erst mal informieren, bevor Vorurteile und “ewig Gestrigkeit” bezüglich TonHolz usw. kolportiert wird.

    Sorry für die deutlichen Worte, aber das , das ärgert mich einfach (;-//

    Weiter in meinem Kommentar ->

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    1. Danke für Dein klares Reply …
      Ja .. auch ikke bin ein altes Schlachtross und habe noch mit ‘ner iBM370 gearbeitet.
      Bezüglich KI und den damit verbundenen echten Gefahren gebe ich Dir völlich recht. Da kommt echt was auf uns zu bzw ist schon da (habe gestern abend Lanz geschaut) …
      Bei OpenSource kann Mensch – wenigstens theoretisch – noch reinschauen … naja der ChaosComputerClub kann das (;-))
      Die Antworten des jungen Mannes bei Lanz: “… wir machen es doch sowieso … und die Lehrer haben keine Chance …! haben mich erschreckt ….
      Ich arbeite mich gerade in neuronale Netzwerke ein, um wenigstens die Grundlagen mal ein wenig zu verstehen.
      Von Boomer zu Boomer: nix für ungut … bei KI “hört der Spaß auf” … thumbs up!

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  5. NAM … ein für uns Musiker mit “Elektrizität-Instrumenten” ein tolles OpenSource-Projekt! OpenSource bedeutet eben: frei für alle, freier Einblick in die Technik, freie Weiterverwendung /bei Beachtung der OpenSource-Regeln) und eine Community, die hinter dem Projekt steht und es weiterentwickelt. Mitmachen erwünscht!
    Ich habe NAM seit einiger Zeit im Blick und auch im Betrieb, aber noch keine eigenen Modelle produziert. Soweit es mich betrifft: es funktioniert und ich kann damit – auf Hobby-Ebene – gut arbeiten.
    Da ich Linux Fedora als Hauptsystem verwende, würde ich mir eine Version mit GUI als VST und LV2 wünschen … aber hier muss ich mal wieder neu compilieren und testen. Unter Win10 funktioniert NAM mit GUI problemlos, was ja für die meisten wichtig ist (naja und Apple MacOS, aber hier habe ich keine Maschine zum Testen).
    Die schon jetzt im Web verfügbaren kostenfreien Captures sind richtig gut … und entsprechen zum Teil genau meinem Geschmack.

    Vielen Dank an die Redaktion! Klasse, dass Ihr so ein Project mal ausführlich vorstellt!

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  6. Ich bin immer wieder erstaunt, wie mediale Aufmerksamkeit Tonocracy Von Atomic Amplifiers bekommt.
    Tonocracy ist kostenlos, bietet vollen Support für NAM-Profile und hat noch dazu bereits Effekte und eine Reihe toll klingende AMP-Captures (vll sind das auch Models) an Bord.
    Bitte macht doch darüber auch mal nen Beitrag.
    Das is fast wie Bias FX nur mit NAM-Support.

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    1. … vielen Dank für den Hinweis auf Tonocracy …
      Hier schient es sich um ein kostenloses ClosedSource-Projekt zu handeln, das für Mac und Win verfügbar ist. Mal schauen, ob da noch eine Linux-Version nachkommt …

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  7. Das ganze sieht wie eine super Sache aus – und mit etwas Sorgfalt, gutem Code und ner vollen Tasse CPU kann sich das Ergebnis auch mit kritischen Ohren hören lassen.
    Der andere Teil ist, daß die wenigsten Leute KI halbwegs einschätzen können, sondern nur blindlings dem Marketing glauben.

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  8. Moin – ich habe zuhause einen Jvm mit 4×12, einen Dr. Z Maz 38 und diversen anderen Kram. Klingt geil, macht Spass.

    Probe und Gigs ( Pop Punk bis Hardrock) nur noch Headrush Prime ins Pult. Klingt geil, macht Spass, nichts zu schleppen, nichts verstellt sich.

    Ist doch toll was wir heute für Möglichkeiten haben, warum sich auf einen Weg festlegen….

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