Schön, leicht und sauber gebaut

Neu ohne Neo: Aguilar SL 110 im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Das Produktvideo zeigt schön, wie Aguilar sich das mit der SL 110 vorgestellt hat: Bass im Bag auf dem Rücken, Amp im Bag über die Schulter, Box in der Hand. So steht auch dem Weg zum Gig mit Bus und Bahn nichts im Wege.

Ein Ansatz, der Aguilar vielleicht auch wegen der Fertigung am Firmensitz in New York nahe ist, sind doch die Musiker:innen tatsächlich eher mit den beschriebenen Verkehrsmitteln unterwegs als mit dem eigenen Auto. Für hiesige Städte sind sicher auch noch Lastenräder denkbar, die die kleine neue Box locker aufnehmen.

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BAUWEISE

Edel und leicht, das ist der Eindruck meines Erstkontakts mit der neuen Aguilar. Die gut zehn Kilo schwere SL 110 ist locker mit einer Hand am einsamen, absolut ausreichenden Griff aus dem Karton zu heben. Das schwarze Tolex sieht sauber verarbeitet und nobel aus, unterstrichen vom silbernen Keder um die Front und von den verchromten Metallecken, die nicht nur gut aussehen, sondern auch schützen. Das Format ist originell: Die Front ist quadratisch mit etwa 34 cm Kantenlänge, gar nicht mal so viel größer als der verbaute Zehnzoll-Lautsprecher. Dafür geht es nach hinten auf knapp 44 cm raus, für ordentlich Volumen ist also gesorgt.

12 mm Multiplex ist das Material der Wahl für das Boxengehäuse. Das ist dünner und damit leichter als die üblichen Stärken für größere Boxen, aber speziell bei diesem Format ist Stabilität kaum ein Faktor. Die Front hat einen recht breiten Rand mit dem charmant eingearbeiteten Logo, was den Aguilar-Boxen ein unverwechselbares Gesicht gibt. Der Rahmen um den vintage anmutenden Bespannstoff ist mit Klettpunkten in den vier Ecken befestigt.

(Bild: Dieter Stork)

Abgezogen gibt er den Blick auf die mit Filz beklebte Schallwand und den darin montierten Speaker frei. Wie es sich gehört, ist der mit Gewindeschrauben in Einschlagmuttern fixiert. Wo die größeren SL-Boxen Lautsprecher mit Neodym-Magneten haben, sitzt in der kleinsten einer mit einem fetten Keramikantrieb an einem stabilen Korb.

Die Belastbarkeit ist mit 175 Watt angegeben, der Widerstand liegt bei 8 Ohm. Für einen Hochtöner ist kein Platz, was sich natürlich auf den Frequenzbereich der Wiedergabe auswirken wird. Wo der Speaker gerade ausgebaut ist, zeigt der Blick ins Innere reichlich unbedenkliches Dämmmaterial. Dadurch geht etwas möglicher Schalldruck verloren, eventuelle störende Resonanzen in den Mitten, die Boxen kistig und nölig klingen lassen können, aber auch. Das wird hier definitiv kein Thema sein. Auf der Rückseite sitzt das Anschlussfeld mit zwei parallel geschalteten Neutrik-Speakon-Buchsen. Die sind witzigerweise mit einer Platine verbunden, auf der eine Frequenzweiche Platz hätte, aber hier mangels Tweeter unbestückt geblieben ist. Dicke Drähte gibt’s dafür zu sehen, was Leistungsverluste minimiert. Die doppelte Bestückung der Box mit Lautsprecherbuchsen ist sinnvoll, haben doch kleine Amps wie das Tone Hammer 350 Top nur einen Anschluss. So kann von der SL 110 an eine weitere durchgeschliffen werden, um dem Verstärker an vier Ohm die volle Leistung abzunehmen.

Soundcheck und Resümee auf Seite 2

(Bild: Dieter Stork)

SOUND

Auf der schmalen Box, die auf dicken Gummifüßen steht, finden die Tone-Hammer-Topteile bequem Platz, auch das AG-Top passt. Mit dem Master-Regler sollte man vor allem bei den stärkeren Amps etwas vorsichtig umgehen, auch wenn der Speaker glaubwürdig belastbar aussieht. Der erste Test mit einem aktiven Viersaiter zeigt schön das Klangbild des einsamen Lautsprechers, der mit einem Frequenzgang von 41 Hertz, was ziemlich genau der leeren E-Saite entspricht, bis 5 Kilohertz angegeben ist. So richtig frei in den Höhen ist die Box mit neutraler Amp-Einstellung nicht.

Eher höre ich eine leichte Nase in den Hochmitten, was im Bandkontext gar nicht unangenehm ist. Auf den Einsatz der Klangregelung am Amp reagiert die Box sensibel und das Höhenbild wird ausgeglichener. Wenn ich den Amp mit einem Fretless-Fünfer füttere, überzeugt die SL 110 auf Anhieb und ganz ohne Korrektur am Amp. Schön natürlich abgerundet ist die Wiedergabe sofort perfekt, auch bis in den Basskeller runter. Die tiefe H-Saite kommt erstaunlich satt und fundiert daher, da wird es weder dünn noch schmierig. Ziemlich beeindruckend!

Für optimale Bassausbeute sollte man noch etwas Zeit investieren, um die bestmögliche Aufstellung zu finden, damit die rückseitige Bassreflexöffnung sauber zum Tragen kommt. So oder so merkt man vor allem hier die Qualität der neuen kleinen Aguilar-Box. Die gute Dämmung, die Resonanzen vermeidet und den Ton schön trocken macht, sorgt auch dafür, dass der Schalldruck nicht der allergrößte ist und die Box gerne mit etwas mehr Leistung gefüttert werden möchte, die sie dann aber auch in guten Sound umsetzt.

Wer gerne eine Optik abseits des üblichen Schwarz möchte (so schick und nobel das hier auch ausfällt), bekommt übrigens zum gleichen Preis auch „Chocolate Brown“ und „Fawn“.

RESÜMEE

Schön, leicht und sauber gebaut, präsentiert sich die neue SL 110. Für kleine Auftritte, Proben, und Sessions preist Aguilar sie an, und diesen angepeilten Bereich meistert die kompakte Box souverän. Die Physik hebelt sie nicht aus und für lautere Bands sollte man sich mindestens mit zwei dieser Cabs wappnen, aber bis dahin gibt es guten Ton und definiertes Spielvergnügen über das hinaus, was die Größe vermuten lässt.

Das Klangbild ist, wie von Aguilar versprochen, geprägt von fokussiertem Low-End und ausgewogenen Mitten, das „smooth top-end“ macht sich wie beschrieben bemerkbar, was mir beim Fretless sehr gut gefiel und für andere Anwendungen mit EQ-Einsatz am Amp gut anzupassen war. Nur den Sizzle eines Hochtöners darf man eben nicht erwarten. Was ich mir sehr wünschen würde, für den aufgerufenen Preis gerne sogar inklusive, wäre eine Hülle für die Box, zumal gegenüber des Griffes keine Füße montiert sind.

PLUS

  • Sound
  • Bauweise
  • Verarbeitung
  • Gewicht
  • Tragbarkeit


(erschienen in Gitarre & Bass 12/2023)

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