Minimalist

Nepomuk Pico im Test

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Nepomuk Pico
(Bild: Dieter Stork)

Pico, das ist die kleinste Kapazitätseinheit von Kondensatoren in analogen Verstärkern, pF, Picofarad. Ein Billionstel, „0,000.000.000.001“. Die Zahl ist klein, ziemlich klein. Passt aber doch gut zu so einem Vollröhren-Winzling – der natürlich ein erklärter Purist ist.

In unseren Redaktionsräumen hat der Name Nepomuk eine guten Klang. Dafür hat der kleine Muck gesorgt, den wir in unserer Ausgabe 02/2015 einem ausführlich Test unterzogen. Sein sehr gepflegter Ton erreichte Referenz-Status, die spezielle Ausstattung unterstrich das überaus positive Bild. Klar, der dünn ausgestattete Pico geht andere Wege. Aber man fragt sich natürlich sofort, ob er auf seine Weise ähnlich auftrumpft. Werden wir gleich wissen.

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keinen ballast bitte

Das technische Konzept kennt man. Spätestens seit den frühen 1950er-Jahren, als Firmen wie z. B. Gibson und Fender solche Combos anboten. Eintaktendstufe, hier mit einer KT66, Kathodenbias, davor eine ECC83/JJ und eine 12AX7/EH, etwas Luxus dank einer Hallspirale (das gab‘s früher bei den kleinen Kisten nicht). Den Sound abstimmen mit den Potis Volume und Tone, ein Bright-Switch, Ende im Gelände. Wegen der kompakten Abmessungen muss ein 8″- Lautsprecher reichen.

Der hier im Nepomuk kommt von WGS (Warehouse Guitar Speakers). Die USA-Marke hat sich in relativ kurzer Zeit ein sehr gutes Renommee erarbeitet.

Abgesehen davon, dass man im Gegensatz zu seinen antiken Vorfahren im Pico keine freie Verdrahtung vorfindet, sondern alles in moderner, hochsolider Platinenbauweise umgesetzt ist, finden sich in der Elektronik keine signifikanten Merkmale: Koppelkondensatoren von WIMA (Typ MKS), der Ausgangstrafo von Hammond, zwei ICs (eines im Hallweg), interne Schutzsicherungen, nur wertige Bauteile, alles gut, nein: sehr gut. Auch die Verarbeitung und Anmutung. Echtes Leder sorgt für ein schniekes Outfit. Was das Bedienpanel aus Walnußholz, mit hineingefräster Beschriftung noch unterstreicht. VA-Schrauben, Einschlaggewinde usw., die Machart des Pico zeugt von einem sehr hohen Qualitätsanspruch.

Nepomuk Pico
Purist mit Platinenaufbau: Vintage-Konzept/moderne Technik (Bild: Dieter Stork)

feine manieren

Eintaktröhrenendstufen stehen in dem Ruf, besonders geschmeidig in die Sättigung zu gehen. Gemeinhin schreibt man dies der Tatsache zu, dass keine Phasentreiberstufe im Signalweg liegt (die bei Gegentaktendstufe unabdingbar ist). Wie auch immer, Nepomuks Pico wird dem Klischee gerecht, fast schon vorbildlich könnte man sagen. Ganz subtil schummeln sich die ersten Verzerrungsanteile mit dem Aufdrehen des Volume-Potis in die Wiedergabe hinein, nehmen fließend zu und ändern ihre Intensität „gefühlsecht“ je nachdem, wie der Spieler den Ton formt. Zugleich erfreut der Pico damit, dass sich die äußerst feingliedrigen, sich nur wenig in der Dichte aufblähenden Sättigungsverzerrungen harmonisch strukturieren und im Obertonspektrum stets lebendig und frisch bleiben.

Daraus resultiert als typisches Merkmal, dass Akkorde gleichzeitig kompakt und in ihren Einzeltönen klar erkennbar dargestellt werden – die hohe Schule der Röhren-Sound-Formung.

Im Bereich der Vollaussteuerung pumpt der Pico wenig. Das Klangbild wirkt dementsprechend nur verhalten komprimiert. Das lässt einerseits auf ein vergleichsweise kräftiges Netzteil schließen, andererseits ist die Ursache, dass der Combo ein doch eher sparsames Gain-Potential besitzt. Was zwangsläufig Rahmenbedingungen setzt, die Nepomuks Definition des Klangcharakters als „Vintage-Ton für klassischen Jazz, Blues oder Rock“ relativieren. Passt schon, im Prinzip, doch beim Solieren in Rock-Titeln geht dem Pico etwas die Gain-Puste aus. Also, ohne Booster oder Distortion-Pedal kommt man da nicht weit (jaja, er tut es seinen antiken Vorfahren gleich ;-).

Im Grund-Sound machen sich die kleinen Dimensionen bemerkbar. Der Pico zeigt eine ausgeprägte Nase in den Hochmitten, wie es typisch ist für solche Konstruktionen. In dem Kontext hier nicht negativ zu verstehen, sondern als spezieller Charakterzug. Nicht zu erwarten war, dass der kleine Kasten so etwas wie eine konkrete Basswiedergabe liefert. Fern ab von fett, aber doch so, dass der Tonkörper des Instruments nicht zu dürr wirkt. Gut so, denn nachregeln ist nicht. Das Tone-Poti arbeitet zwar effizient, kümmert sich aber primär um die oberen Frequenzen und das Volumen der Mitten (kann also genauso im Umkehrschluss einer adipösen Paula kaum die Pfunde abtrainieren). Einen dicken Pluspunkt kassiert der Federhall, weil er in seiner guten Abstimmung zweifelsohne eine Bereicherung darstellt und auch bei hoher und höchster Volume-Aussteuerung noch adäquat funktioniert.

Nepomuk Pico
(Bild: Dieter Stork)

Womit wir beim Thema Schallpegel angelangt sind. Die Kraft der Endstufe reicht, um den warmen Clean-Ton des Pico in respektabler Lautstärke zu verbreiten. Dass man sich damit jedoch auf die Bühne wagen kann, ist zu bezweifeln. Die schönen Overdrive-Facetten wiederum bedingen Schallpegel, die man sicher nicht Nachbar-freundlich nennen kann. Wird ganz schön laut dabei. Trotzdem kann auch hier nicht die Rede davon sein, dass man im Band-Kontext genug Schallenergie zur Verfügung hat. Nun gut, wer sich für so einen Combo interessiert, weiß um die damit einhergehenden Umstände.

Ein gewisser Schritt nach vorne im Schalldruck kann die Verwendung eines externen Cabinets sein. Aber Achtung, der Toncharakter erfährt dadurch wesentliche Änderungen. Z. B. an einem 12″ Greenback: Okay, das Bassvolumen nimmt zu, aber der Mitten-Peak zieht sich zurück, die eigenwilligen leicht kratzenden herb-süßen Höhen werden sanfter. Dann doch lieber wieder den internen Achtzöller aktivieren? Okay, aber dann muss man erst mal dessen Stecker wieder hervorfischen, was nervt, weil man ja gerade erst mühsam das Kabel des Ext.-Cab in die Buchse hineinbugsiert hat. Also liebe Nepomuks: Bitte umgehend eine gut zugängliche Ext.-Anschlussbuchse vorsehen. Zum Glück bleibt dies die einzige Kritik am Produkt, sonst lief nämlich alles gut und rund im Test.

alternativen

Die Bauart, mit Hall, in der Qualität, in der Preisregion? Nein, da fällt mir nichts ein. Wenn man das Blickfeld erweitert, kommt immerhin der Wilhelm 5 von Maybach zum Vorschein (€ 890). Der ist aber wirklich nur entfernt ähnlich.

resümee

Pico, der „Baby“-Combo, betört die Ohren mit klassischen Overdrive-Qualitäten feinster Kultur. Ein Spezialist für Spezialisten, weil er seiner Natur nach – bedingt variabel im Sound und der Anwendung – eine schmale Nische besetzt. Doch grundsätzlich gilt: Wer eine maximal feinfühlig reaktive Dynamik schätzt und puristischen Ton liebt, ist hier an der richtigen Adresse. Und bezahlt bestimmt nicht zuviel, denn im Kreis der Boutique-Produkte, zu dem der Pico zweifelsfrei gehört, ist sein Preis ganz und gar angemessen.

Nepomuk Pico

Nepomuk Pico


Hinweise zu den Soundfiles.

Für die Aufnahmen kam ein Kondensatormikrofon mit Großflächen-membran zum Einsatz, Typ C414 von AKG.

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor und EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt und abgemischt. Das Plug-In „Platinum-Reverb“ steuert die Raumsimulationen bei.

Die Instrumente sind eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 (m. JB-Humbucker v. Seymour Duncan am Steg) und eine Steinberger GL4T.

Ich wünsche viel Vergnügen, und…,  wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).

Fragen, Anregungen  und  ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.

Text + Musik: Ebo Wagner (GEMA)

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(erschienen in Gitarre & Bass 07/2018)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. ‘Pico’ ist keine ‘kleinste Einheit … des Kondensators’, denn das ist und bleibt das Farad [F].
    Pico ist – so wie zB das ‘milli’ vorm Meter oder das ‘kilo’ vorm Gramm – ein Einheitenvorsatz der dazu dienst, sehr große oder sehr kleine Werte ohne jeder Menge Nullen anschreiben zu können. Es gibt also keine köeinwten oder größeren Eonheiten, die beliebig verwendet werden können, sondern eine standardisierte Grundeinheit. Also verzapfts kan Topfen, Burschen!

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