Röhrige Großartigkeit

Neo-Klassiker: Tube WorkShop BassBoy und 1×12″-Cab im Test

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(Bild: Dieter Stork)

Du spielst Gitarre und hättest gern einen Vollröhren-Amp? Kein Problem! Hunderte gibt es, Topteile und Combos, in ziemlich jeder Preisklasse! Du spielst Bass und hättest gern einen Vollröhren-Amp? Hm … der Ausdruck „überschaubar“ ist fast noch übertrieben für das aktuelle Angebot.

Frisch zurück vom Guitar Summit bietet die Firma Tube WorkShop, die schon mit ihren Gitarren-Amps bei uns im Test glänzen konnte, eine Lösung für diesen Bereich an – mit einer grandiosen Kombination aus Vollröhren-Top und kompakter Box.

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AUFBAU

Mit seinem robusten Gehäuse aus 18 mm Kiefern-Multiplex, sauber eingehüllt in schwarzes Tolex und mit einem Frontgrill im klassischen Look, kommt der BassBoy mit gehörigem Understatement aus dem Karton. Auch der für das Gewicht von 14 kg absolut ausreichende Griff und die dicken Gummifüße unterstreichen diesen Eindruck. Der Weg zum Wunschsound soll ein kurzer sein, entsprechend übersichtlich ist das Regelwerk: Gain und Master regeln Eingangs- und Ausgangslautstärke, dazu gibt es eine Dreiband-Klangregelung. So einfach kann das sein! Aber ganz so simpel ist es dann doch nicht: Einerseits sitzt im Gain-Regler ein Zugschalter, der gezogen ein Ultra-Bright-Preset schaltet, andererseits hat es der Mittenregler in sich. Bässe und Höhen werden, ganz wie beim Vorbild, mit einem modifizierten Baxandall-EQ eingestellt. Der hat seinen Namen vom britischen Ingenieur Peter Baxandall, der diesen breitbandigen Equalizer 1950 für alle möglichen Audioanwendungen entwickelt hat. Bis heute findet er sich in HiFi-Anlagen und eben in den Ampeg-B-15-Combos. Einen Regler für die Mitten sucht man bei den Ampegs vergeblich, Mario Gebhardt hat dem BassBoy einen ganz besonderen spendiert.

(Bild: Dieter Stork)

Der hört auf den Namen „Character“ und das trifft es exakt: Statt einfach eine Frequenz abzusenken oder anzuheben, wird hier viel umfassender gefiltert: von einem sauberen, mittenreduzierten Ton in der Einstellung „modern“ zu „vintage“ mit reichhaltigen, ebenso füllenden wie aggressiven Mitten – und das stufenlos. Der Netzschalter fährt die Spannung hoch, nach angemessener Zeit des Vorwärmens wird sie mit dem Standby-Schalter an die Röhren angelegt und der Spaß kann beginnen. Das zugehörige Netzkabel findet seine Kaltgerätebuchse samt Sicherungshalter links auf der Rückseite, ganz rechts sitzt der DI-Out als XLR-Buchse. Als Königsweg, den Amp live oder im Studio abzunehmen, sieht TWS die Abnahme der Box per Mikrofon an, aber der DI-Standard soll trotzdem nicht fehlen und dann so gut sein wie möglich, nämlich trafosymmetriert mit bestem Übertrager. Der Ground-Lift kümmert sich um eventuelle Brummschleifen. Zwei Klinkenstecker für Lautsprecher gibt es, dazu einen Impedanzwahlschalter, der mit sattem Klacken zwischen 4, 8, und 16 Ohm umschaltet.

(Bild: Dieter Stork)

Der Bias-Schalter wählt zwischen zwei Methoden, den Arbeitspunkt der Endstufenröhren festzulegen, was unterschiedliche Ausgangsleistungen ergibt. Auch die Ampeg-Vorbilder aus verschiedenen Zeiten der Firmenhistorie unterschieden sich in dieser Hinsicht. Zu einem Verstärkertest gehört natürlich auch der Blick unter die Haube. Das Abschrauben der Rückwand gibt den Blick auf die Röhren frei – eine 6SL7 in der Vorstufe, eine weitere als Treiberröhre, eine GZ34 als Gleichrichter und ein Duett 6L6 in der Endstufe.

(Bild: Dieter Stork)

Die aus dem Original geschätzte 6SL7 sollte es für die Vorstufe unbedingt sein, was gar nicht so einfach war, da diese in guter Qualität schwer zu finden sind. Zum Glück ist es gelungen. Der Trafo für das überdimensionierte und auf Langlebigkeit gebaute Netzteil und der Ausgangsübertrager sind so eingebaut, dass sich am Griff optimale Balance einstellt. Vier weitere Schrauben gelöst, und das solide 2 mm dicke Aluminium-Chassis lässt sein Innenleben sehen.

(Bild: Dieter Stork)

Und das ist … SCHÖN! Keine Ahnung, wie es euch geht, aber der Blick in eine so mit besten Bauteilen akkurat von Hand aufgebaute und Point-to-Point verlötete Schaltung löst Glücksgefühle in mir aus. Platinen sucht man vergebens, dafür findet man Bauteile, eine Leitungsführung und Verarbeitung vom Allerfeinsten. Das sieht extrem vielversprechend aus und ist zudem servicefreundlich.

Die Bassbox und der Sound des Stacks auf Seite 2

(Bild: Dieter Stork)

Die zugehörige Box hält optisch wie qualitativ mit dem Top mit. Hier wird für Gehäuse und Schallwand 15 mm Multiplex verbaut, der Frontgrill und der Griff oben sorgen für Old-School-Optik. Ganz modern ist der Eminence Kappa-12A Zwölf-Zoll-Speaker, der mit maximal 450 Watt belastet werden kann. Optional gibt es den Jensen Bass Smooth, dank Neodym leichter, dabei smoother im Ton. Auf einen Hochtöner wird bewusst verzichtet, aber auch wenn der Frequenzgang beim Kappa mit 62 Hz bis 4,2 kHz angegeben ist, hört die Wiedergabe ja nach oben wie nach unten nicht abrupt auf.

Das Innere der Box ist mit puristisch und aufgeräumt gut beschrieben. Verstrebungen oder Dämmung gibt es keine, nur ein Bassreflexrohr für gestärkten Tiefbass. Das Cabinet ist auf Mitklingen ausgelegt, stabil ist die Konstruktion aufgrund ihrer kompakten Größe natürlich dennoch.

(Bild: Dieter Stork)

RÖHRIGE GROSSARTIGKEIT

Um erst mal die klassischen Sounds abzuchecken, kommt zuerst mein passiver Yamaha BB2024 an den BassBoy, clean eingestellt und mit den Klangreglern in (nicht neutraler) Mittelstellung. Alles, was man sich von einem Bass-Röhren-Amp vorstellt, ist da, und zwar reichlich. Organisch, musikalisch und warm wird der Charakter des Basses in den Raum gestellt, nicht verfälscht, sondern harmonisch ergänzt. Mit den Klangreglern ist es ein Leichtes, den Charakter noch mehr herauszustellen oder den Sound an den Raum und den persönlichen Geschmack anzupassen. Auch gröbere Klangveränderungen sind machbar. Da glänzt der Mittenregler, der auf Linksanschlag einen erstaunlichen Slap-Ton unterstützt, am anderen Ende die Mitten breitbandig in den Fokus rückt und dabei die Höhen ziemlich zurücknimmt. Die Komplexität, mit der hier geregelt wird – gleichzeitige Bearbeitung von Frequenz, Filtergüte, Anhebung und Absenkung – hört man in einem ebenso komplexen Klangbild, in der Bedienung könnte die Klangregelung allerdings nicht einfacher und unkomplizierter sein.

Als moderner, aktiver Fünfsaiter darf der gerade ebenfalls zum Test hier weilende Spector NS Ethos HP 5 herhalten, um dem Amp die Sporen zu geben. Und auch hier glänzt der BassBoy. Nicht nur geht die Box weit genug runter, um auch die tiefe H-Saite überzeugend rüberzubringen, auch das ultramoderne Sound-Design des Spectors wird superb getroffen und gestärkt. Mit maximalen Mitten am Amp bekommt der Ethos ein annähernd klassisch-rundes Klangbild mit reichlich Growl übergestülpt. Der Höhenregler am Amp ist da selbst voll aufgedreht nur noch wenig wirksam. Aber es gibt ja noch den Bright-Schalter am Volume-Regler, und der bringt die Brillanz auf einen Schlag wieder zurück.

Ebenso große Wirkung hat er auf Zerr-Sounds. Die kommen fast von selbst, denn bei aller Flexibilität der Vorstufe ist die Leistung der Endstufe begrenzt, was den Spaß mit ausmacht. Mit höherem Gain in der Vorstufe oder höherer Auslastung der Endstufe kommt ein sattes Knurren zustande, das sich mit noch mehr Gain und ausgefahrenem Post-Phase-Inverter-Master bis zu röhriger Distortion treiben lässt, auch abhängig von der Einstellung, mit der die 6L6-Endröhren angefahren werden. Im 30-Watt-Modus ist die Response “süßlicher”, hier wird die Endstufe mit Kathoden-Bias betrieben, wie die B-15-Flip-Tops bis Mitte der ‘60er. Der den 70er-Jahre-B-15 entliehene Modus mit Fixed-Bias bringt die Leistung auf 50 Watt und bleibt stabiler.

RESÜMEE

Für reine Leistung und analytisch-klare Wiedergabe gibt es andere Kandidaten, das dürfte eh allen klar sein, die den guten Röhrenton suchen. Den gibt es hier, reichlich und in einer Qualität und Flexibilität, die ihresgleichen sucht. Schon bei geringer Lautstärke hat der Ton Suchtpotenzial, aufgedreht kommt die gesuchte Sättigung angenehmst ins Spiel. Die einfach zu bedienende Vorstufe bietet ein Füllhorn an Sounds. Alles, was ich der Kombi gefüttert habe, wurde nicht nur mit allen Vorteilen guter Röhren-Sounds wiedergegeben, sondern ließ sich auch noch charakterstark verfeinern.

In Zeiten immer leiserer Bühnen kann ich mir die TWS-Anlage gut als Soundmaschine für die PA vorstellen, mit einem exzellenten Post-Master-DI-Ausgang als Ergänzung zur Mikroabnahme, und unbedingt und sowieso da, wo die alten Ampegs auch zuhause waren und sind: im Studio. Dafür muss nicht eben wenig Geld bezahlt werden, aber die Qualität in jeder Hinsicht rechtfertigt das für mich, zumal wenig Alternativen auszumachen sind. Wer die Gelegenheit dazu hat: Unbedingt anspielen!

PLUS

  • Charakter
  • Sounds
  • Konzept
  • Bauteile und Aufbau
  • Handarbeit


(erschienen in Gitarre & Bass 01/2024)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Hallo liebe Bassboy Freunde…..
    Ich suchte einen kleinen Bassverstärker ….Vollröhre natürlich ..aber eben nicht mit dem Gewicht meines SVT….denn ich auch mal schnell transportieren kann….so wurde ich über Gittare&Bass auf TWS aufmerksam…ich rief Mario daraufhin an, ob er mir nicht einen kleinen Bassamp bauen könnte. Es entstand ein wirklich intensiver Kontakt…und ich merkte schnell…Mario hörte zu….ging in Planung…und das Ergebnis wird hier wunderbar in diesem Test beschrieben….dem habe auch nichts weiter hinzuzufügen….lieben Dank Mario…einen lieben Röhrengruss aus Worpswede

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