Riesiges Potential zur kreativen Entfaltung

Modulare Delays für moderne Menschen: Meris LVX im Test

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Warum kleckern, wenn man auch klotzen kann? Der Traum der Meris-Macher war von Beginn an, ein modulares Delay zu entwickeln. Klar, es gibt auch Presets. Aber sich etwas völlig eigenes bauen ist dann eben doch noch mal was anderes.

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Wenn du der Typ Gitarrist/Bassist bist, der seit zwölf Jahren das gleiche Delay auf seinem Board hat und du damit eigentlich auch glücklich bist, musst du gar nicht weiterlesen. Wenn du jemand bist, der immer sofort in die Sekundärmenüs abtaucht und sich selbst dann noch ärgert, dass der Sound in deinem Kopf eben nur zu 90% zu erreichen ist, dann lies gerne weiter. Ach ja: So um die 700 Euro solltest du dann auch noch auf der hohen Kante haben.

HARDWARE UND BEDIENELEMENTE

Meris bleibt seiner Designphilosophie treu und liefert das LVX in einem schicken Karton, der mit dem Versprechen „More than logic“ aufwartet. Auch das Pedal sieht wie ein echtes Meris aus: Wie auch schon das Polymoon Delay ist es weiß und eher spartanisch beschriftet. Neu für Meris ist das breitere Format und natürlich das Display. Beides dient der besseren Bedienung. Dank des hochauflösenden Farbdisplays muss sich Meris nun (endlich) nicht mehr den Vorwurf gefallen lassen, sinnvolle Funktionen hinter unbeschrifteten Alternativbelegungen der Potis zu verstecken. Und mehr Fußschalter sind bei einem Gerät mit so umfangreichen Funktionen und 99 Presets natürlich immer gern gesehen. Dabei trifft Meris aus meiner Sicht den Sweetspot zwischen Funktionalität und Design. Mit seinen knapp 680g und dem Metallgehäuse ist das Gerät robust, aber nicht übermäßig schwer.

Beiliegend finden sich Klebefüße und ein gut gemachter und ordentlich gedruckter Quickstart-Guide in englischer Sprache. Am Pedal selbst haben die wichtigsten Delay-Parameter jeweils ihr eigenes Poti für einen Direktzugriff. So gibt es jeweils eins für Time, Mix, Feedback und Mod. Nur mit diesen Grundeinstellungen kriegt man schon super Sounds zustande. Unter dem Display befinden sich zudem zwei gerasterte Endlospotis, mit denen man pro Preset zuvor festgelegte „Lieblingsparameter“ ändern kann. Das Poti, welches die Symmetrie des Pedals etwas ins Wanken bringt, dient dazu, Presets mit der Hand weiterzuschalten und Änderungen abzuspeichern. Möchte man dies lieber mit dem Fuß tun, so stehen einem drei Fußschalter zum Direktzugriff auf Presets zur Verfügung. Drückt man zwei davon zugleich, kann man Bänke hoch- und runterschalten. Der vierte Taster dient schließlich als Tap-Tempo oder um direkt den integrierten 60-Sekunden-Stereo-Looper aufzurufen. Drückt man die Taster drei und vier zeitgleich, erhält man Zugriff auf einen Tuner.

BEDIENUNG

Es sieht erst mal nach vielen Potis und Schaltern aus, aber die Meris-Ingenieure haben es hier wirklich gut hinbekommen, den Nutzer in der Bedienung nicht zu überfordern. Das Gerät schaltet sich ohne merkliche Verzögerung ein und ist sofort startklar. Mittels Fußschalter oder Poti suchst du dir nun ein Delay aus, welches möglichst nah an deinen Wünschen ist. Nun kannst du die grundlegenden Einstellungen mit Time, Mix, Feedback und Mod(ulation) direkt treffen. Reicht das noch nicht aus, kommen die beiden Controller zum Einsatz. Diese regeln je nach Preset beispielsweise Pitch, Divisons, Gain oder den Typ des Delays.

Ok, schon klar. Du liest immer noch und möchtest wirklich tief in die Delay-Welten eintauchen. Ein kurzer Druck auf das Preset-Poti öffnet die sogenannte „Edit Page“. Diese ist durch ihre Karussellansicht (ich hätte es ja Planetensystem genannt) tatsächlich wieder eine Mischung aus Funktion und Innovation. Wer es traditioneller mag, kann aber auch alles auf eine herkömmlichere Textansicht umstellen. Im mittleren Kreis sieht man die Kategorie und in den äußeren Kreisen die Parameter zu dieser Kategorie. Um mal zu verdeutlichen, was hier alles einstellbar ist, seien die Parameter der Kategorie „Delay“ genannt: Type, Structure, Mod, Crossfeed, Feedback, Right Div, Left Div und Time. Dabei bietet allein Type die Möglichkeit, zwischen BBD, Magnetic und Digital zu wählen. Mittels Structure stellt man dann ein, ob man Standard, Multi Tap, Multi Filter, Poly, Reverse oder Series bevorzugt.

Weitere Auflistungen spare ich mir erst mal. Wer das noch genauer wissen will, lädt sich einfach das (sehr gut gemachte) 38-seitige englische Handbuch von der Herstellerseite herunter. Und obwohl sich das jetzt alles ziemlich komplex anhört, ist es das zum Glück eigentlich nie und ich brauchte das Handbuch nicht.

Hast du erst mal den Sound gefunden, der dich inspiriert, kannst du ihn mit einem langen Druck auf das Preset-Poti auf einen der 99 Plätze speichern und benennen.

Soundcheck & Resümee auf Seite 2

SOUND

Eigentlich könnte ich das hier ganz kurz halten: Es geht fast alles, was du von einem Delay möchtest und es klingt alles super. Echt. Eigentlich muss man sich hier nicht die Frage stellen, ob es bessere Delays gibt, sondern nur, ob man den hier gebotenen Umfang braucht und bezahlen möchte.

Dennoch möchte ich kurz mal ein bisschen vorstellen, was einem hier geboten wird: Schon bei Preset Nr. 3 mit dem Namen „Cinema“ bin ich lange hängen geblieben. Spielt man hier Stakkato, hört man ein deutliches rhythmisches Delay, welches stark moduliert ist. Lässt man den Akkord stehen, mischt sich ein sehr angenehmer Swell-Sound dazu, den man mittels Pitch auch problemlos in Shimmer-Gefilde treiben kann. Was bei anderen Pedalen schnell billig und kitschig wirken kann, klingt hier grandios. Nimmt man das Attack im Spiel etwas zurück oder fadet die Gitarre mittels Volume-Poti ein, bleibt nichts mehr vom rhythmischen Delay und es ertönt nur noch der Shimmer-Part. Und all das, ohne irgendwas am Preset zu ändern. Aber das dürfen und wollen wir hier natürlich. Also schnell den Delay-Typ von Digital auf Magnetic geändert und der Sound bekommt sofort einen leichten Retro-Charme. Etwas kaputter, etwas analoger, etwas saturierter. Ich weiß gar nicht, was mir hier besser gefällt. Schnell noch den Preamp-Typ von Tube zu Transistor gewechselt, um etwas mehr Betonung in den Höhen zu erhalten. Wow.

Achso … Es gibt sogar noch andere Presets? Dich interessieren die Swells und Drones? Dann ist Preset Nr. 5 namens „Prism Shift“ genau dein Ding. Der Name ist Programm. Da bin ich fast froh, Mix und Feedback im Direktzugriff ein klein wenig zurücknehmen zu können.

Wer auf Reverse-Delays steht, sollte unbedingt „Rewind“ ausprobieren. Hier wird das Signal nicht nur umgedreht, es passiert auch jede Menge Modulation und Pitch-Shifting. Zudem wird es rhythmisch anders aufbereitet und so entsteht ein wunderbares Chaos. Ich weiß gar nicht, wie ich das in anderen Delays nachbauen würde.

Und einfach nur, weil es geht, ändere ich den Preamp-Typ auf „Bit Crusher“. Dieser Modus ist aus dem genialen Ottobit Jr. von Meris entliehen und lässt sich in der Bit-Tiefe regeln. Schon mal ein 6-BitReverse-Delay mit Flanger gehört? Hier lohnt es sich, auch den Mix voll aufzudrehen und so nur noch das Signal mit Effekt auszugeben.

Im „Suboct Swell“-Preset fadet sich anschlagsdynamisch die Oktave unter dem gespielten Ton ein. Das Tracking funktioniert wunderbar und der Sound erinnert schon deutlich an Synthies.

Von den 99 möglichen Speicherplätzen sind 81 bereits vorbelegt. Natürlich kann man diese ändern oder auf den verbleibenden 18 seine eigenen Kreationen beginnen.

Bauen wir doch zur Abwechslung mal ein „Brot und Butter“-Delay. Denn warum sollte man neben dem LVX noch ein anderes Delay-Pedal auf dem Board haben? Also Preset 82 ausgewählt und los geht’s. Ein Tape-Delay mit leichter Modulation und einem Op-Amp-Preamp, der etwas Gain einfügt, ist in kürzester Zeit erstellt und klingt ebenso grandios wie der Rest des Pedals.

Wer die anderen Meris-Pedale wie das Polymoon, Hedra, Enzo oder eben Ottobit Jr. kennt, der wird hier einige Sounds wiederfinden. Looper und Tuner funktionieren übrigens wie zu erwarten ohne Fehl und Tadel. Der Looper lässt sich gut bedienen und gibt das Signal originalgetreu wieder. Die 60 Sekunden Stereo sind auch eine Ansage und dürften für viele Anwendungen reichen. Der Tuner erkennt präzise selbst die tiefen Töne und bietet eine gute optische Hilfestellung. Dabei zeigt er (klein und nicht störend) Zeichen, welche Buchstaben einer fremden Zivilisation sein könnten. Solche kleinen Gimmicks finde ich ja immer cool.

ALTERNATIVEN

Vor nicht allzu langer Zeit durfte ich das Eventide H90 testen (Test in Ausgabe 01/2023). Es kostet mit rund € 1200 noch mal eine ganze Ecke mehr und hat einen etwas anderen Fokus. Beim Eventide hatte ich immer das Gefühl, man kauft es, weil man eben genau die Eventide-Effektkombinationen gut findet. Und gut sind sie natürlich auch, keine Frage. Das Meris bietet einem viel mehr Freiheit, eigene Kreationen zu erschaffen, was mir persönlich noch ein bisschen lieber ist. Natürlich gibt es auch von Herstellern wie Strymon, Empress oder Source Audio super Delays. Diese basieren aber eigentlich immer auf grundlegenden Delay-Typen, die man dann in kleinen Details anpasst. Die Herangehensweise ist also eine andere, auch wenn man natürlich zu ähnlichen Ergebnissen kommen kann. Wenn man den Ansatz und Sound von Meris mag, kann man durchaus auch mit dem Polymoon Delay für € 370 glücklich werden. Es kann weniger und ist durch das fehlende Display schwerer zu bedienen, klingt aber ebenso grandios.

RESÜMEE

Meris war schon immer ein wenig speziell und hat außerhalb der Norm gedacht. Damit hat man Gitarristen ein riesiges Potential zur kreativen Entfaltung gegeben – und es immer ein wenig durch die komplexe Bedienung beschränkt. Das LVX kann nicht nur mehr als die anderen Meris-Pedale, es lässt sich auch leichter bedienen. Dabei kann man dank vier Potis die wichtigsten Parameter direkt einstellen und hat sowohl einfachen Zugriff auf Presets, als auch auf Looper und Tuner. Der Klang ist absolute Referenzklasse und kann dank der vielen Optionen wohl so granular abgestimmt werden, wie bei keinem anderen Pedal auf dem Markt.

Wer Delays nur zum Andicken von Soli nutzt, wird vermutlich keine € 700 ausgeben wollen. Alle, die experimentellere Klänge und Soundscapes bauen möchten, sollten jetzt mal gut das Portemonnaie durchsuchen, ob sich noch irgendwo die nötigen Scheine finden. Billig ist das Meris keinesfalls, aber sein Geld mehr als wert.

PLUS

  • Bedienung
  • Sounds
  • kreative Möglichkeiten


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2024)

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