Modern Telly from Brazil: Carrozza Custom Guitars Viper-T HH im Test
von Franz Holtmann, Artikel aus dem Archiv
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(Bild: Dieter Stork)
Mit dem Modell Viper liegt uns eine Electric von Carrozza Custom Guitars aus São Paulo/Brasilien vor. Ein attraktives T-Design mit Humbuckern in der ungewöhnlichen Holzkombination Marupá und Pau Marfim/Purpleheart. Einladung zum Samba?
Die Verwendung von Tropenholz im Gitarrenbau hat ja bei uns inzwischen ein Geschmäckle bekommen. Sitzt man aber in den Tropen selbst, so kann man getrost vom Verbau heimischer Hölzer sprechen und das Angebot ist groß. Carrozza Custom Guitars, die nun auch in Deutschland erhältlich sind, verarbeitet aber auch gern alte recycelte Materialien. Das Angebot umfasst traditionell ausgerichtete Designs und deren moderne Fortschreibungen, wie auch eigene Entwicklungen. Der Kunde kann überdies aus vielen Custom Optionen wählen: „The best that’s out there can be in there“. Die Lieferzeit für Custom Order Instrumente beträgt 4 bis 5 Monate.
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ANDERE MATERIALIEN – EIGENE SOUNDS
Für den formal stark modifizierten T-Style-Body der Viper-T HH nahm man Marupá, ein leichtes, helles und homogen strukturiertes Holz, das in der Karibik, Mittel- und Südamerika verbreitet vorkommt. Abweichungen von der „Mutter aller Brettgitarren“ finden wir bei vergleichbarer Korpusgröße und -tiefe im stark und pointiert ausgeformten Cutaway und in ausgeprägten Konturen zur komfortablen Anlage und Armauflage. Die Frontseite des in Olympic White hochglänzend deckend lackierten Bodys ist mit einem cremefarbenen Kunststoff-Binding eingefasst.
(Bild: Dieter Stork)
Der Hals mit ‚Soft C‘-Profil wurde aus Pau Marfim gefertigt, ebenfalls ein Tropenholz, allerdings eher hart, fest und recht schwer, welches gerne als Ersatz für Ahorn genommen wird. Fixiert ist er über vier Senkkopfschrauben aus Edelstahl in der sauber angepassten Halstasche im rückseitig optimal verrundeten vorderen Korpusbereich. Das hochdichte Purpleheart (Amaranth) ergänzt den Hals als großzügig dimensioniertes Griffbrett von 14″ Radius. 22 Bünde im Jumboformat aus Edelstahl wurden an der Griffbrettkante sauber abgefast. „Snake Inlays“ aus Perloid markieren die Lagen. Wie zuvor schon das Cutaway, so führt auch der frontseitig in Olympic White lackierte „Viper Headstock“ mit pointierter Gestaltung weg vom Ur-Design.
Der parallel herausgeführte Kopf ist mit SG381-Mechaniken von Gotoh ausgestattet. Ein Niederhalter sorgt für den verlangten Andruck der zwei hohen Saiten auf den Sattel aus Knochen, zwischen dem und der Fixed Bridge (GTC 102 mit beweglichen Saitenreitern von Gotoh) sich die Saiten in 648-mm-Mensur spannen. Elektrik: Malagoli Custom Humbucker mit cremefarbenen Bobbins geben der Viper T elektrische Kompetenz. Das Familienunternehmen Malagoli Pickups fertigt bereits seit 1965 Pickups in São Paulo.
Über einen 3-Weg-Schalter lassen sich die Pickups einzeln und in Kombination aufrufen. Schalter und generell arbeitende Volume- und Tone-Potis wurden direkt auf die Decke montiert. Im großzügig geschnittenen, mit Isolierlack ausgepinselten Elektrofach finden wir ordentlich verarbeitet elektrische Komponenten (500K Alpha Pots). Alle Arbeiten an der Viper-T sind tadellos ausgeführt und das Instrument kam perfekt eingestellt zum Test.
Spielkomfort und Soundcheck auf Seite 2 …
(Bild: Dieter Stork)
GIMME GUMMI
Der Zuschnitt des Bodys mit starken Abflachungen vorn wie hinten im Anlagebereich verringert dort die Brettstärke von 4,5 cm auf bis zu 1,4 cm hinten oben. Diese ausgeprägten Konturen optimieren einerseits den Spielkomfort, sorgen aber darüber hinaus durch die veränderte Ausrichtung der Gitarre auch für eine verbesserte Griffbrettaufsicht. Der zu einem gefällig verrundeten Soft-C profilierte Hals fällt bei einer Sattelbreite von 43,6 mm mit höchst angenehmem Griff in die Hand. Die tadellos verarbeiteten Edelstahlbünde sind bis an den Griffbrettrand vorgezogen und recht winkelig abgefast. Vorteil ist die maximale Auflagefläche der hohen E-Saite ohne Abrutschgefahr – Nachteil, zumindest für manche Handhaltung, ist das unter Umständen etwas eckige Greifgefühl. Kein Minuspunkt, aber nur individuell zu entscheiden. Bendings laufen auf diesem Hals erwartungsgemäß wie auf Schienen und auch sonst finden wir dank tief gelegter Saiten optimale Spielbedingungen mit perfekt freigestelltem und locker bespielbarem hohem Halsbereich.
Das von ihren Hölzern geprägte Klangambiente der Viper-T ist weniger warm, eher drahtig transparent und ausgesprochen präsent. Das sorgt für saubere Saitentrennung im Akkord und präzise Definition im Linienspiel. Der akustische Ton ist nicht von der fleischigen Art, dafür aber schnell, stringent und zupackend. Bemerkenswert ist auch das sehr gleichmäßig über das Griffbrett hinweg, ja selbst oberhalb des 12. Bundes zu erzielende Sustain. So weit so gut, aber „entscheidend is‘ auf‘m Platz“ und der ist bei uns bekanntlich elektrisch: Die Ausstattung der Viper mit Humbuckern weist schon den Weg zu etwas anderen Sounds, Sounds die mit dem Vorbildmodell nur noch wenig gemein haben mögen, was ja so falsch nicht sein kann. Möglich wäre, ja ist natürlich auch eine Ausstattung mit High-Gain-Pickups als Custom Option, aber in diesem Fall kamen maßvoll gewickelte Doppelspuler zum Einsatz.
Der Hals-Pickup eröffnet das Spiel im Bereich Clean mit breit gezogenen, höchst transparent aufgelösten Akkorden von leicht glasigem Ausdruck. Die leicht kühlen Sounds sind speziell, haben mit ihrer fast schon analytisch anmutenden harmonischen Ausleuchtung aber absolut was für sich. Die akustisch schon bemerkte klare Definition bestimmt auch das solistische Spiel, das mit markant herausgestellter Ansprache und gestochen scharfen Linien punkten kann.
Auf den Steg-Pickup geschaltet ziehen wir heiße Luft ein, die Wangen hohl, die Lippen spitz – mit den solchermaßen komprimierten und nadelspitzen Atemstößen pikieren wir dann das Trommelfell, wie ein Tätowierer die Haut. Meint: Man muss etwas leiden, um in den Genuss guter Ergebnisse zu kommen. Frisch und frech haut es mit unverhohlenem Rasiermessercharme raus, direkt und kompromisslos. Mit derart perkussivem Aufriss und scharfem Biss lässt sich locker durch jeden noch so festen Pudding schneiden – nennen wir es mal Ultra-Twang.
Bleibt noch die Kombi beider Pickups und in der Zusammenschaltung vertieft sich die Hohlkehle nochmals. Glasig, wenig Mitten, klingt das wie ein Spagat mit Eispickel – Albert Collins hätte seine Freude dran. Dieser Sound ergänzt das spezielle Klangbild der Viper absolut schlüssig.
(Bild: Dieter Stork)
RESÜMEE
Auch in Brasilien werden funktionsstarke Gitarren gebaut, das wundert uns nicht. Und dass diese Designs nicht unbedingt nordamerikanisch klingen wollen, ist ebenfalls wenig überraschend. Spielen lässt sich die Viper-T HH von Carrozza Custom Guitars mit ihrem gefälligen Soft-C-Halsprofil ganz hervorragend. Zu bemerken sind lediglich die weit an den Griffbrettrand vorgezogenen Bünde für größtmöglich Auflagefläche, aber das kann im Custom-Bereich ja jeder so haben wie er will. Das Klangambiente dieser Viper-Version ist eher hell und spritzig angelegt. Von den Humbuckern bleibt wenig an zuvor vermuteter Wärme, eher profitieren wir von der Brummfreiheit ihrer Konstruktion, als dass heimeliges Vintage Feel aufkommt. Die Bissigkeit und Präsenz ist da schon eher in Verwandtschaft einer heißen Tele zu verorten, denn dieses Messer ist in allen Positionen scharf.
Wer etwa auf Sounds von Iceman Collins steht, der hätte mit der Viper-T HH eine gute Gelegenheit der Annäherung. Anderen musikalischen Auslegungen stellt sich die brasilianische Lady natürlich auch nicht in den Weg. Wie schön, mit der Carrozza Viper-T HH eine Alternative zu den herkömmlichen Sounds zu finden, aber was den Samba angeht – nun ja, die Hardcore-Variante vielleicht. Guter Einstieg allemal – auf weitere Modelle des Herstellers darf man gespannt sein!
PLUS
Design
Holzkombination
Klangausstattung
Humbucker mit Biss
transparente Sounds
Spieleigenschaften
Verarbeitung
MINUS
kantig abgefaste Bundränder (optional anders möglich)