Mit Andy Powers in Nashville: Die neue Taylor Grand Pacific 517e / 717e Builder‘s Edition
von Guido Lehmann,
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(Bild: Dieter Stork)
Quint/es/senz, die; -en (lat.) (das Wesentliche einer Sache) Diese Duden-Definition beschreibt wohl ganz gut, was Masterbuilder Andy Powers mit diesen neuen Taylors erreichen wollte.
Er wollte nämlich in der Grand Pacific Serie alles umsetzen, was ihm für eine gute Steelstring-Acoustic essentiell wichtig erscheint – und dabei auch klanglich eine neue Seite im Taylor-Katalog aufschlagen – für die Acoustic-Player, denen bisher der Taylor-Sound zu kühl und analytisch war.
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Und er wollte dabei keine Feinjustagen vornehmen, die zwar eine Sache verbessern, dafür aber eine andere verschlechtern. Die Akustik-Gitarre insgesamt auf das nächst höhere Level heben – ein ganz schön ehrgeiziges Ziel.
Aber der Mann ist kein Spinner, es geht ihm ja lediglich um seine persönliche Vision von der perfekten Gitarre. Wichtige Keywords sind dabei Ausgewogenheit und Balance.
Komfort-Paket …
Die Suche nach der idealen Korpusform mündete in einem Roundshoulder-Dreadnought-Shape, den beide Modelle (und auch das hier nicht vorliegende 300er-Modell) gemeinsam haben. Auch die Decken sind identisch: wärmebehandelte massive Sitka-Fichte mit einem äußerst attraktiven matten Honey-Burst-Finish ist hier verbaut. Wo wir dann bei der 517e Mahagoni für Zargen und einteiligen Boden vorfinden, ist es bei der 717e Palisander.
(Bild: Dieter Stork)
Die Korpusteile sind mit einem herrlich verrundeten Sapele-Binding verbunden. Der wichtigste Schlüssel zu allen klanglichen Werten dieser Taylors ist natürlich das von Andy Powers entwickelte (und in diesem Magazin schon hinlänglich erläuterte) V-Class-Bracing – also die ausgeklügelte Art der Beleistung von Decke und Boden. Zu deren Wirkung kommen wir noch.
Nicht nur die Korpuskanten und der Steg vermeiden jegliche scharfe Kante, auch der Mahagonihals mit dem Ebenholzgriffbrett zielt auf einen optimalen Wohlfühl-Faktor. Das Halsprofil startet in den unteren Lagen mit einem sanften V und verflacht zum Korpus hin zu einem C-Shape, und passt sich so stets perfekt der Handhaltung in der jeweiligen Lage an. Die runden Griffbrettkanten leisten ihren Beitrag zum Spielkomfort.
… für Haptik & Klang
Man möchte sich gar nicht so sehr in den Specs verlieren, man will diese Gitarren in die Hand nehmen und spielen. Die beiden Grand Pacifics fühlen sich einfach gut an. Alles ist rund und glatt – keine Ecken, keine Kanten, dieses Matt-Finish, dieser Hals. Absolute Wohlfühl-Instrumente.
Ich weiß noch, wie ich mit Andy Powers in Nashville einen Song gejammt (siehe Video!) habe und keinen Moment daran dachte, jetzt auf einer völlig fremden neuen Gitarre zu spielen. Die Grand Pacific fällt dir auf den Schoß und in die Hand und ist augenblicklich deine Vertraute. Klingt kitschig – war aber so.
Interessant: die Taylors schwingen so frei und präzise, dass man kleinste Verstimmungen geradezu „spürt“. Das zwingt einen zu sehr genauem Stimmen. Ist dann die Gitarre „in Tune“ spielt das V-Bracing seine Asse aus.
Eine breite Klang-Projektion, ein warmer voller Sound auch schon bei ganz leichtem Plektrum-Anschlag, eine perfekte Intonation in allen Lagen, ein langes, an allen Positionen gleiches Sustain, hohe Dynamik-Reserven – das anfangs erwähnte Keyword „Balance“ kommt hier in jeder Hinsicht zum Tragen. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob ich die Taylors einen Ganzton runterstimme, oder ob ich mit Kapo am 7. Bund spiele.
Was dieses V-Bracing auch schafft: die beiden Modelle – so ähnlich sie auch aussehen – klingen total verschieden in ihrem Grund-Charakter. Einfach, weil das jeweilige Korpusholz voll zur Geltung kommt und seine Eigenheiten explizit ausspielen kann. Die Wahl zwischen den beiden unterliegt zu 100% dem eigenen Geschmack.
Gemeinsam haben sie allerdings diese Wärme im Sound, die man so von einer Taylor-Gitarre noch nicht kannte. Andy Powers macht damit einen großen Schritt auf Player zu, die bisher von den bekannten „modernen“ Trademark-Sounds des Herstellers nicht so abgeholt wurden.
Das hauseigene Pickup-System ES-2 klingt Taylor-typisch, was schon immer ein Stück weit Geschmackssache war. Man hat über die drei Inbusschrauben oben im Sattel großen Einfluss auf Direktheit und Lautstärke des Signals. Coole Lösung!
Resümee
Sicher kein Zufall, dass die Instrumente in Nashville präsentiert wurden, im Studio von Zac Brown und in dem berühmten Folk-Club „The Bluebird Cafe“. Country, Blues, Bluegrass, Folk – die Spieler dieser Genres sollten sich die Grand-Pacific-Serie genauer anschauen.
Aber natürlich auch alle, die eine perfekt abgestimmte, haptisch wunderbare und klanglich hervorragende Edel-Acoustic suchen und das passende Kleingeld zur Hand haben. Grand Pacific: The next big thing!
PLUS
Konzept, Design
Hölzer, Bracing, Hardware
Verarbeitung, Werkseinstellung
Bespielbarkeit, Haptik
Ausgewogenheit in allen Lagen bei Ansprache,Dynamik, Sustain und Lautstärke
hervorragender Klang, der vom jeweiligen Korpusholz stark geprägt wird
Mit Andy Powers in Nashville
Es gibt ein paar Städte, die man als Musiker einmal gesehen haben sollte: Chicago, Memphis, Austin, New Orleans … und natürlich die „Music City USA“ Nashville.
Wenn ein namhafter Gitarrenhersteller dich also in letztgenanntes Mekka aller Gitarristen einlädt – don’t think twice!!
Ich hatte die Ehre und das Vergnügen, zusammen mit Kollegen aus Frankreich, England, Kanada und USA, genau diese Einladung von Taylor Guitars zu erhalten. Einen großen Dank an das ganze Taylor Team für die umwerfende Gastfreundschaft und Fürsorge. Und wann merkt man, dass Nashville die Music City schlechthin ist?
Noch bevor man den Flughafen verlassen hat. Am Ende der Rolltreppe sieht man als erstes ein Dreh Display mit Gibson-Gitarren und 30 Meter weiter spielt eine Live-Band! Holy shit, das ist mir in Düsseldorf noch nie passiert 😉
Zentraler Mittelpunkt dieses Trips waren natürlich die brandneuen Taylor Modelle der Grand-Pacific-Serie. Diese Gitarren haben sofort beeindruckt, verkörpern perfekt die Visionen, Ideen und Vorstellungen von Andy Powers, dem Masterbuilder des Hauses Taylor.
Der Mann ist Surfer, Tischler, Sänger, Gitarrist, Mandolinen-Picker, Songwriter und ein unheimlich netter Kerl in Jeans, Karohemd, Arbeitsschuhen und Schlapphut. Und all das spiegelt sich in seinen Instrumenten wider.
Er hat – meiner Meinung nach – nicht weniger getan, als Taylor-Gitarren eine Seele zu geben.
Aber am Tag vor der Präsentation … hatte ich Zeit, und war in Nashville! Also, bequeme Schuhe an, und dann los: Ryman Auditorium, Ernest Tubb Record Store, Robert’s, Country Music Hall of Fame & Museum, Carter Vintage Guitars – und alle Hut-, Boots-, Klamotten-, Platten- und Second-Hand-Läden auf dem Weg.
(Bild: Guido Lehmann)
Ein absolutes Muss ist ein Besuch im beeindruckenden Ryman Auditorium. Ehemals eine Kirche, ist es seit Langem die Heimstatt der Country-Music. Viele Jahrzehnte lang und nun auch heute wieder, wird hier die Grand Ol Opry veranstaltet. Vor der Tür empfängt einen der Godfather of Bluegrass, Bill Monroe.
Seine originale Gibson-F5-Mandoline kann man in der CMHOF & Museum bewundern. Sie hat viel erlebt, wurde 1923 vom legendären Lloyd Loar gebaut, 1940 in Florida von Monroe erworben, 1985 von einem Einbrecher in Stücke gehauen, von Gibson sorgsam wieder hergestellt und von „Mr.Bluegrass“ bis zu seinem Tod 1996 gespielt.
(Bild: Guido Lehmann)
In der Country Music Hall of Fame kann man die unglaublichsten Exponate entdecken. Den Nudie-Suit von Porter Wagoner, die völlig verschrammte Tour-Gitarre von Johnny Cash, ein Stirnband von Willie Nelson, den Trans Am von Bandit alias Burt Reynolds …oder eben auch die Doppelhals-Gitarre (mit 2 Bigsbys!!) von Paul Buskirk – Weggefährte von Willie Nelson und hochtalentierter Western-Swing-Picker. Plattentitel: „Paul Buskirk plays a dozen strings!“. Yo, stimmt.
(Bild: Guido Lehmann)
Der Blick aus dem Hotelfenster – rechts das Stadion der Nashville Predators (Eishockey bei 35 Grad?!), weiter links das legendäre Ryman Auditorium. Dahinter das Silhouette-prägende „Batman“-Building von AT&T. Auch die Country Music Hall of Fame ist nur einen Steinwurf entfernt – die wichtigsten Attraktionen in Nashville kann man ganz lässig zu Fuß abklappern.
(Bild: Guido Lehmann)
Der Nashville-Broadway – einfach unglaublich, was hier los ist! Ein Club neben dem anderen, und in jedem spielt eine richtig gute Band … auch an einem, sagen wir, Dienstagvormittag um viertel nach elf. Und abends dann sowieso!! Der vielleicht bekannteste Live-Club ist das Robert’s. Hier haben BR-549 jahrelang gespielt, bevor sie überregional bekannt wurden.
(Bild: Guido Lehmann)
Jeder, der etwas für Saiteninstrumente übrig hat, sollte die 8th Avenue hochtippeln bis zur Hausnummer 625. Dort ist Carter Vintage Guitars ansässig. Ein unglaublicher Laden, wo die 50er-Jahre-Martins an der Wand hängen, als wär das das normalste der Welt. Eine Mandoline für $150.000 hatte ich vorher auch noch nie gesehen.
(Bild: Guido Lehmann)
Und die Amp-Ecke … mann-o-mann. Sehr sehenswert sind die Video-Clips auf YouTube, wo grandiose Gitarristen wie z. B. Joey Landreth tolle Gitarren und Amps präsentieren.
(Bild: Guido Lehmann)
In dem beeindruckenden Tonstudio „Southern Ground“ (Ambiente zum Niederknien) lud Taylor Guitars zur Präsentation der Grand Pacific Modelle. Andy Powers sprach über und spielte auf den neuen Gitarren, die – daran konnte kein Zweifel bestehen – sein ganzer Stolz sind. Dann hatte jeder die Gelegenheit, die Grand Pacifics ausgiebig anzutesten.
PS: das Studio gehört Zac Brown, Country-Star und guter Freund der Taylor-Company. Andy Powers hat hier den wunderschönen Holzboden verlegt.
(Bild: Guido Lehmann)
Der Tag blieb weiter aufregend – nach kurzer Fahrt stiegen wir beim vielleicht berühmtesten Gitarren-Laden überhaupt aus: Gruhn Guitars. Der überaus freundliche ruhige und etwas älter gewordene George Gruhn sprach – im Dialog mit Andy Powers – über seine Sicht der Dinge, und worauf es bei Gitarren ankommt. Sein Schlüsselwort war „Ausgewogenheit“.
Und die sucht er in vielerlei Hinsicht bei einem Instrument: die Lautstärke der Saiten, das Verhältnis von Bässen, Mitten und Höhen, Sustain in allen Lagen, die Projektion, auch die Optik, die Gewichtsverhältnisse, die Spielbarkeit über das gesamte Griffbrett usw. Er sagte, er habe all dies in den neuen Taylor-Modellen gefunden. Und als wären das nicht genug Eindrücke für einen Tag gewesen, ging es dann…
(Bild: Guido Lehmann)
… von George Gruhn geradewegs zum berühmten „Bluebird Cafe“. Dieser Folk-Country-Blues-Singer/Songwriter-Club hat unter Musikern einen extrem hohen Stellenwert. Da kann es schon mal passieren, dass bei der Open-Mic-Night eine Cheryl Crow oder Taylor Swift auf die kleine Bühne klettern.
Hier hat dann Andy Powers mit den vorzüglichen Folk-Musikern Sarah Masen, Michael Lille und Sean Watkins einen Kreis gebildet und ein exquisites kleines Bluegrass-Konzert abgeliefert, welches ihn dann auch als spitzenmäßigen Madolinen-Picker, Sänger und Songwriter präsentierte. Damn – was kann der eigentlich nicht?!
Auf der NAMM Show 2019 haben wir Andy Powers noch einmal getroffen: