Schlanker Combo mit dicken Muckis

Mesa/Boogie Rectoverb 25 Combo im Test

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Der Rectifier in der Schrumpfversion, klein wie die viel zitierte Lunchbox; als das Topteil 2011 auf der Bildfläche erschien, startete es sogleich famos durch. Logisch, Mini-„Gleichrichter“ mit Maxi-Ton, der Erfolg war vorprogrammiert. Von daher wundert man sich, dass es so lange gedauert hat, bis der Amp nun auch als Combo zu haben ist. Na ja, lieber spät als gar nicht.

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Der Markt hat in den letzten Jahren in der Ultrakompaktklasse der Röhren-Amps eine Blütezeit erlebt. Jau, die Brotbüchsenarmee ist groß wie nie. Viele Hersteller versuchen dabei niedrigpreisig zu bleiben, wohl auch, um Einsteiger für ihre Produkte zu interessieren. Entsprechend schlicht bis spartanisch fallen die kleinen Combos und Heads daher oft aus. Mesa verfolgt einen anderen Ansatz. Der Mini-Rectifier wurde in jeder Hinsicht als Vollwertverstärker konzipiert, er sollte vor allem absolut live-tauglich sein.

Was, wie wir aus dem Test in Ausgabe 11/2011 wissen, ganz und gar gelungen ist. Indes, eine strenge Kopie des so beliebten großen Haudegenbruders ist der Kleine technisch gesehen natürlich nicht. Schon der Name Rectifier trifft ja eigentlich gar nicht zu, denn der Amp muss ohne Gleichrichterröhren auskommen. Aber – und darum geht es ja – er trifft den gleichen Tonfall. So weit so gut, nur fragt man sich nun, ob und wie so ein extrem kompakter 1×12-Combo die Aufgabe bewältig. Der Unterschied ist schließlich krass: Hier der hinten offene Zwerg, dort das vor Kraft strotzende Topteil, das meist mit mindestens einer 4×12-Box loshämmert.

Konstruktion

Bevor wir uns dem Hörerlebnis hingeben, sollen die technischen Details Würdigung finden. Zunächst gibt es bei dem Combo zwei wesentliche Unterschiede zum MiniHead. Erstens hat der serielle FX-Weg keinen Hard-Bypass-Schalter zum Überbrücken der Sektion, zweitens ist der Combo mit einem Reverb-Effekt ausgestattet. Der wird wie bei den großen Mesa-Combos von einem langen Federsystem erzeugt – keine Kompromisse. Auch nicht bei der Signalbearbeitung. Statt der Einfachheit halber kostengünstig zu ICs zu greifen, wird der Hall von einer zusätzlichen Röhre angetrieben.

Der Rectoverb 25 basiert insofern wie der Mini-Rectifier auf Vollröhrentechnik, wobei zwei EL84 im Gegentaktbetrieb die Ausgangsleistung von maximal 25 Watt erzeugen. Die Intensität des Reverb-Effekts ist im Übrigen je Kanal individuell einstellbar. Das kann man von vorne nicht sehen. Die beiden Potis sind hinten in der Mitte zwischen den Lautsprecheranschlüssen (8Ω, 4Ω, 4Ω) einerseits und dem Reverb-Fußschalterund den FX-Buchsen andererseits zugänglich. Stichwort Kanäle: Der Combo hat zwei separate Vorstufen mit identischen Regelmöglichkeiten. Natürlich bewegen sich beide auf unterschiedlichem Gain-Niveau.

Was man auch an den kleinen Schaltern vorne neben dem Input und der Footswitch-Buchse erkennt: Clean/Pushed heißt es am oberen, Vintage/Modern lautet die Bezeichnung unten. Ein Gain-Regler, Dreibandklangregelung plus Presence, Master (-Volume) je Kanal, dazu gesellt sich ein exklusives Mesa-Feature, die sogenannte Multiwatt-Umschaltung. Bei Amps/Combos wie dem Lonestar hat diese drei Leistungsebenen zu bieten, hier beim Rectoverb sind es zwei, 25 Watt und 10 Watt. Was verbirgt sich dahinter?

Nun, die volle Power liefern die EL84 im Pentodenbetrieb, die Reduktion auf 10 Watt entsteht durch eine Triodenbeschaltung. Beide Modi sind zudem auch auf eigene Art abgestimmt, sodass letztlich nicht nur die Leistung, sondern auch Wiedergabe und Ansprache differieren. Mesa spricht deswegen davon, dass „ … es sich eigentlich auch um Voicing-Schalter handelt“. Wie üblich gehört zum Lieferumfang eine hochwertige Schutzhülle und vor allem ein Schaltpedal (LED) mit Kabel (ca. 4,4 Meter Länge), mit dem der Kanalwechsel fernbedient werden kann. Damit das funktioniert, muss der Dreifach-Miniswitch rechts außen am Frontpanel in der Mittelstellung stehen. In den beiden anderen Positionen werden alternativ die Kanäle aktiviert. Auffällig ist schon auf den ersten Blick, dass der Rectoverb 25 genauso edel gestylt ist, wie die größeren und teureren Kollegen im Katalog.

Die typischen Lederecken, der Black-Weave-Grill (wahlweise Black Jute) vorne abnehmbar, die Federhallspirale am Boden des Gehäuses in einer Tasche, innen an der Seite ein kleiner Beutel für das Schaltpedal o. a., alles sauber und gediegen hergerichtet. Nicht anders beim Alu-Chassis, das wie schon bei den alten Fender-Amps mit verchromten „Straps“ als Unterlage für die Schraubenköpfe hängend montiert ist. Das Bemühen um rationelle Fertigung ist dem Platinenaufbau anzusehen, er ist aber qualitativ über jeden Zweifel erhaben.

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Schon der oberordentliche Lead-Dress (Kabelverlegung) spricht eine deutliche Sprache, wenn es um die Sorgfalt geht. Da brauchen wir nicht lange zu lamentieren: Typisch Mesa, Substanz und Verarbeitung bewegen sich schlicht auf höchstem Niveau. Bleibt noch die Frage nach dem Lautsprecher. Da hat Mesa etwas Neues am Start, den sogenannten M-75. Im Untertitel Fillmore; angesichts der stilisierten Golden Gate Bridge auf dem Label wohl eine Anspielung auf das legendäre Fillmore West, eine Konzerthalle, die Bill Graham 1965 in Frisco eröffnete und in der über die Jahre unzählige prominente Bands spielten und auch viele Live-Platten produzierten (es gab damals insgesamt drei Fillmores: zwei nacheinander an verschiedenen Orten in San Francisco, 1965-1968-1971 und eines in New York 1968-1971; das Fillmore West wurde 1994 am ursprünglichen Ort wiedereröffnet).

Eminence baut diesen Lautsprecher, von dem Mesa sagt, man habe neun Jahre an einem eigenen Speaker gearbeitet, 500 Prototypen von führenden Herstellern aus aller Welt bekommen und in diesem vorliegenden Modell die Kulmination alle Bemühungen gefunden. Okay, wenn das so ist, schrauben sich unsere Erwartungen nur noch höher, gelle?

Praxis

Wie soll man die praktische Prüfung angehen? Ist es legitim den Rectoverb 25 am Potential des großen Rectifier zu messen? Ich denke nein. Denn: Konnte der Mini-Head noch Boden gutmachen, weil er an mehr oder weniger großen Cabinets seinem Vorfahren nacheiferte, ist die Sachlage für den Combo weitaus schwieriger: Wo soll denn bei einem so kleinen offenen Gehäuse die durchschlagende Bassdynamik herkommen. Also gehen wir erst einmal ganz sutsche an die Sache heran.

Bloß nicht die Erwartungen zu hoch schrauben und nachher womöglich enttäuscht sein. Gesunde Strategie, wie sich gleich zeigen wird. Es beginnt die übliche Prozedur: Power „On“, den Amp ruhig eine Weile durchheizen lassen, dann kann es losgehen. Der CleanModus muss als Erster ran. Grins, nun zeigt sich, das Tiefstapeln Freude macht. Wow, Überraschung! Was man da zu hören kriegt, passt gar nicht zu dem was man sieht. Fetter Ton, voluminös, richtig satte Bässe, volle Dynamik, im Mittenspektrum lebendige vokale Farben. Unser kleiner Recto klingt viel größer als es seine Körpermaße erwarten ließen.

Außerdem ist seine Ansprache, das Gemisch aus Gegenwehr und Nachgiebigkeit äußerst spielerfreundlich abgestimmt. Er reagiert sehr nuanciert, bleibt aber stabil und fängt den ersten Peak ein wenig ab. Genau das richtige für Naturalisten, die das Feinste vom Feinen der Röhrenverstärkung zu schätzen wissen. Wer sich bei Modeling-Equipment wohl fühlt, könnte dagegen ob der resoluten Rückmeldungen leicht verschreckt sein. Die kompakte Wiedergabe des Clean-Modus profitiert außerdem von einem grundsätzlich geschmeidigen Hochtontimbre. Weich und glockig. Wenn man es drauf anlegt, kann er aber auch anders.

Der effizient zupackenden Klangregelung sei Dank. Die entscheidenden Parameter sind Presence und Treble, die äquivalent zu einem Mischpult-EQ arbeiten, respektive High und High-Mids bearbeiten. So ist Presence der eigentliche Höhenregler. Treble greift in den oberen Mitten. Soll der Sound rotziger und offensiver sein: Presence etwas zurückdrehen, Treble oberhalb der Mittelstellung halten. Singender und dezenter ist die Wiedergabe, wenn Presence offener steht und Treble auf ca. 10 Uhr. Der Mittenregler wiederum packt so geschickt zu, dass man nachhaltig den Charakter der Klangfarben verändern kann.

Das wird in dem Moment da Overdrive-Verzerrungen entstehen umso deutlicher. Umschalten auf den Pushed-Modus, dann können schon in der Vorstufe leichte Sättigungszerrungen provoziert werden. (Aber bitte beim Antesten berücksichtigen: Treble und Mid beeinflussen erheblich die GainStruktur.) Die klingen für sich genommen schon erfreulich musikalisch, das heißt, man muss den Rectoverb nicht gleich weit aufdrehen. Aber wenn man es tut, geht doch erst wirklich die Sonne auf.

Es entwickelt sich Distortion britischer Prägung, nicht feingliedrig, knochentrocken in der Ansprache, puristisch, weil die Endstufe in der Sättigung den Ton aufbläht und der Combo schön kontrollierbar in ObertonFeedbacks verfällt, ach was red‘ ich, er giert geradezu danach! Treble und Mid betätigen sich quasi als Sustain-Regler, je weiter man sie öffnet, um so sensibler wird die Wiedergabe für die Feedbacks. Nein, leise ist der Combo dann nicht mehr, aber im Vergleich zu einem Halfstack doch viel ziviler. Tolle Sounds jedenfalls, für Rock alter Schule und erdigen bis offensiven Blues.

Das Umschalten auf 10 Watt macht sich nicht so drastisch bemerkbar, wie das mancher vielleicht erwartet, oder sich wünscht. Nur wenig leiser, wird die Wiedergabe in diesem Modus vor allem etwas weicher (Trioden-Betrieb betont die gradzahligen, harmonischen Oberwellen), dünnt im Low End deutlich aus. Dadurch werden die Klangbilder luftiger, es tönt „holziger“ und im Attack gibt der Amp mehr nach – schöne Alternative. Es sei noch angemerkt, dass die Clean-Ebene in der Lautstärke recht begrenzt ist. So überzeugend die unverzerrten Sounds sind, erst recht wenn man den tiefen, ausgesprochen kultivierten Hall draufgibt, für den Live-Einsatz reichen die Reserven nur bedingt. Womit wir zu den wertvollsten Genen der Recto-Familie kommen, der Distortion-Sektion.

Nun, wir wissen vom Mini-Rectifier, dass der Amp-Kanal die Klangfarben des Papas geerbt hat und die Ähnlichkeiten un- überhörbar sind. Aber wie bewähren sich die in diesem Combo, an einem Speaker, der der britischen Tradition nacheifert? Zunächst einmal steht die Wiedergabe unter dem Motto „Leise spielen leicht gemacht“. Sicher nicht der wichtigste Aspekt, aber der Rectoverb erfreut in Zimmerlautstärke mit ernsthaftem Ton. Da kommt Freude auf: Der Vintage-Modus ist schon sehr heiß, Modern kickt das Gain so heftig an, dass sich der Ton mit Humbuckern oder EMGs u. ä. anhört wie bei einem alten aufgerissenen Marshall, der kurz vorm Abnibbeln auf dem letzten Loch pfeift. Okay, lassen wir den Rectoverb lieber durchatmen.

Mesa Boogie Rectoverb 25 Combo_01

Erst jetzt kommt natürlich richtig Leben in die Bude. Schön: Die Verzerrungen sind schon in der Vorstufe fett und stark im Sound. Man ist also im Prinzip nicht von der Lautstärke abhängig. Es tut sich aber eine zusätzliche Dimension auf, wenn die Endstufe in die Sättigung gerät. Die EL84 tun ihr Bestes und blähen das Volumen auf. Der Ton verdichtet sich so sehr, dass man vorne am Gain wieder ein Stück runtergehen kann, bzw. muss. Im Verbund mit der Multiwatt-Umschaltung, die die gleichen Ergebnisse zeitigt wie in dem anderen Kanal, ist insofern eine Maximum an Variabilität in der Sound-Formung gegeben, vorausgesetzt natürlich, dass der Arbeitspunkt, die Lautstärke, ins Konzept passt. Die Klangregelung geht wiederum entschlossen zur Sache, sehr gut.

Nur, regelrecht den Bassbereich fördern kann sie in diesem Kanal nicht. Die Wiedergabe ist im Klang der Bassanteile durchaus variabel, es hört sich auch nach Schub an, aber es ist nicht wirklich Druck da. Was wohl zuviel verlangt wäre, unter diesen physikalischen Voraussetzungen. Das Timbre der Distortion-Sektion wird natürlich in hohem Maße von dem Speaker geprägt. Er geht äußerst elegant, aber defensiver ans Werk als z. B. der Vintage 30 von Celestion, der im Metal-Genre gerne genommen wird. Das erklärt, warum der Combo seine Verzerrungen nicht extrovertiert und offensiv herausschreit. Nein, kein Bug, nicht im Geringsten, sondern ein Feature. Denn die mildere Tonalität ist charakterstark. Von leichten Anzerrungen bis zu überheißer Distortion gibt sich der Kanal stets tragend, obertonfreundlich, zwar nur verhalten transparent, aber detailreich in der Umsetzung spielerischer Finessen.

Wer den Recto-Sound fördern will, sollte die Höhen betonen, Treble weit aufdrehen, dann beißt der Combo und präsentiert durchaus etwas von dem für die Familie typischen dichten Hochtonspektrum. Was die übrige Ausstattung angeht, ist zu betonen, dass die Hallsektion einen erheblichen Zugewinn darstellt. Hervorragend im Klangeindruck, und dank der Regelung je Kanal von maximalem Gebrauchswert. Auch der FX-Weg punktet voll im Plus. Relativ geringe Nebengeräusche beim Umschalten der Kanäle (leichtes Relais-Knacken) bzw. des Reverb-Status‘ − der Rectoverb 25 gibt sich unter dem Strich nirgends eine Blöße.

Alternativen

Wenn man bereit ist, so viel Geld für einen 1×12-Combo auszugeben, ist die Auswahl grundsätzlich riesengroß. Doch das Feld grenzt sich massiv ein, wenn maximale Tonkultur bei minimalen Abmessungen gefordert wird. Die Geister scheiden sich noch mehr, wenn Charakter und Ausstattung zusätzlich ins Spiel kommen. Heißt im Endeffekt, dass der Rectoverb 25 allein auf weiter Flur steht.

Resümee

Kleiner Combo, ganz groß: Wer hätte gedacht, dass dieser Zwerg so souverän aufspielt. Der Rectoverb 25 entwickelt nicht nur großes Volumen, sondern zeichnet sich insbesondere durch eine äußerst austrainierte Sound-Formung aus, die in den vier Gain-Ebenen neben Charisma auch große Flexibilität bereithält. Ein Combo für viele Lebenslagen, der u. a. im Studio-Einsatz sehr gute Dienste leisten kann. Großen Anteil an dem so positiven Gesamteindruck hat der Newcomer-Speaker M-75. Man darf gespannt sein, was Mesa in der Hinsicht noch vorstellen wird. Verarbeitung und Substanz liegen auf demselben hohen Niveau wie bei anderen Produkten aus dem Hause Mesa. In die Endbewertung ist außerdem das „Made in USA“ einzukalkulieren. Wenn man zudem bedenkt, was manches „exklusive“ Boutique-Produkt kostet, ist der Preis sicher als unkritisch einzustufen.

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