Alleskönner

Mesa Boogie Mark Five 35 Combo im Test

Anzeige

Aahh, der Mark 5 Twenty-Five jetzt mit mehr Leistung!? Nein, so einfach hat es sich Mesa nicht gemacht. Das neue Mark-5-Modell wurde verfeinert bzw. ist zusätzlich besser ausgestattet, und verspricht so, nicht nur im Sound (noch) vielseitiger zu sein.

Mesa Boogie_02
(Bild: Dieter Stork)

Als im Jahr 2009 der Mark 5 in den Handel kam, beschrieb er das Ende einer langen Entwicklung. Wir erinnern uns, die Baureihe hatte 1969 mit dem ersten Princeton-Boogie begonnen. Drei Kanäle mit je drei Grund-Sounds, das Konzept des Mark 5 profitierte von den Neuerungen, die Mesa mit dem Roadking und der Lonestar-Serie eingeführt hatte. Es spricht für sich, dass der Mark 5 noch immer, auch sechs Jahre später, unverändert weiter im Programm ist. Die Idee das technische Konzept in einer kompakteren Ausführung anzubieten, lag angesichts der Lunchbox-Bewegung nahe und hat in der Szene sicher großes Interesse geweckt. Den im Jahr 2014 erschienenen MK 5 Twenty-Five gibt es allerdings ausschließlich als Topteil. Wer Combos favorisiert, wird nun mit dem leistungsstärkeren „Thirty-Five“ bedient. Wahlweise ist aber auch der als Head erhältlich.

Anzeige

Konstruktion

Um sie besser voneinander abgrenzen zu können, hier erst mal ein paar Details zu den verschiedenen Modellen: Der ursprüngliche Mark 5 bietet dem Nutzer neun sogenannte Styles oder GrundSounds an. Im Kanal-1 Clean, Fat, Tweed. Im Kanal-2 Edge, Crunch, Mark I. Im Kanal-3 Mark IIC+, Mark IV, Extreme. Dem auf zwei Vorstufensektionen geschrumpften 25-Watt-Topteil bleiben davon sechs, indem die Kanäle #1 und #2 sozusagen zu einem gemorpht wurden, mit den Styles Clean/Fat/Crunch, und sein zweiter Kanal unverändert dem Kanal 3 des großen Mark 5 entspricht. Vollröhrenschaltung inklusive der Hallsektion und des seriellen Hard-Bypass-Einschleifwegs, Mesas CabClone integriert für anspruchsvolle D.I.-Abnahme (trafo-symmetrierter XLR-Anschluss mit GroundLift-Schalter), ein Fünfband-Equalizer (Halbleitertechnik), als Sahnehäubchen die Multiwatt-Leistungsumschaltung in der Endstufe, 25/10Watt.

Die Intensität des Halleffekts ist in den Kanälen separat regelbar. Das Cab-Clone-Signal füttert parallel den Headphones-Ausgang und bietet zwei Klangfarben an, Open Back und Closed Back (Box hinten offen o. geschlossen). Der Lautsprecherausgang kann stummgestellt werden. Ferner sind beide Kanäle voll ausgestattet mit Gain, Treble, Mid, Bass, Presence und Master (- Volume). Resultat: Auf kleinem Raum versammelt sich ein Maximum an funktionaler Bandbreite. Jetzt zu dem Neuen: Unser Testkandidat und sein Topteil-Brüderchen stimmen in diesen Features mit dem Mark 5 TwentyFive weitgehend überein. In fünf Punkten finden sich Änderungen. Zum einen ist die Gegentaktendstufe (statischer Gitterbias) mit vier statt zwei EL84 erstarkt.

Mesa hat das gleichzeitig genutzt, um drei statt nur zwei Leistungsstufen anwählbar zu machen: 35/25/10 Watt lautet nun die Abstufung. Die dritte Änderung betrifft den Fußschalter. Der Anschluss ist auf die Rückseite umgezogen und ist nun eine DIN-Buchse, statt Klinke. Warum? Weil hier nicht nur der Kanalwechsel und der EQ-Status fernbedienbar sind, sondern − vierte Änderung − zusätzlich zwei „Solo“-Modes; man sieht die beiden schaltbaren Lautstärkeregler rechts außen neben dem EQ. So stehen stets vier Volume-Ebenen zur Verfügung, zwei je Kanal. Kurzes Grübeln und man weiß, wie vorteilhaft das live sein muss. Und Mesa hat dafür gesorgt, dass man nicht den Überblick verliert.

Mesa Boogie_01
Bestens ausgestattet, rechts die D.I.- /CabClone-Sektion (Bild: Dieter Stork)

Die Solo-LED leuchtet am Fußschalter gedimmt, wenn der betreffende Kanal inaktiv ist. Man ist also „vorgewarnt“ bzw. sieht im Voraus, welche der beiden Lautstärkeeinstellungen (Solo-On/Off) dort aktiviert ist. Schließlich Punkt #5: Der Combo hat in der D.I.-Sektion ein drittes, in den Höhen defensives Sound-Preset namens Vintage. So ein aufwendiges Konzept, so viele Funktionen auf kleinem Raum, man darf sich zu Recht wundern, wie Mesa das auf die Reihe bringt. Nun, man greift nicht zu miniaturisierten SMD-Bauteilen, sondern benutzt konventionelle Kondensatoren, Widerstände usw. Knapp zwei Dutzend Relais sind mit den vielen Schaltmöglichkeiten beschäftigt. Bis auf die frei verdrahteten Potis und einige weitere Verkabelungen, sind sämtliche Komponenten inklusive der Röhrenfassungen direkt auf den Platinen kontaktiert.

Alles in allem macht der Aufbau den von Mesa gewohnten soliden und vertrauenserweckenden Eindruck. Auch fast schon Usus, der Combo erlebt prima Klima, dank eines kleinen Lüfters, der hier − wohl wegen des andersartigen Gehäuses − nicht so laut wirkt, wie bei dem Mark 5 Twenty-Five-Head, den ich Ende 2014 zum Test hier hatte (Artikel Ausgabe 12/2014, kostenloser Download auf unserer Homepage möglich). Was den Lautsprecher angeht, steht der 35-Watt Combo dem „großen“ Mark 5 nicht nach. Mesas C90, exklusiv gefertigt von Celestion und ein Allrounder par excellence, kommt als Speaker zum Einsatz. Sehr erfreulich ist im Übrigen, dass die Frontbespannung leicht, nach Lösen von vier Holzschrauben, abgenommen werden kann. Ich mag das sehr, schlicht weil man dann beim Ausrichten der Mikrofone genau sieht was man tut.

Mesa Boogie_03
(Bild: Dieter Stork)

Praxis

Natürlich hat der Mark 5 Thirty-Five deutlich mehr Headroom zu bieten als sein kleiner Bruder, sprich die Endstufe geht später in die Sättigung. Reine Cleansounds (CH1-Clean, -Fat) stehen in höherer Lautstärke zur Verfügung, und die anderen Styles geben in der Dynamik später nach. Den idealen Arbeitsbereich zu finden, ist dank der dreistufigen Leistungsvorwahl quasi unerreicht komfortabel. Und das ist mehr als Feinabstimmung, da vom lebendigen Atmen einer Röhrenendstufe das Spielgefühl erheblich beeinflusst wird. Jedoch, darüber muss man sich im Klaren sein: die 10-Watt-Ebene taugt nicht für fröhliches Heizen in der Mietswohnung. Der Modus ist einfach noch zu laut, als dass man dem Combo nachbarkompatibel richtig die Sporen geben könnte.

Der Test des Mark 5 Twenty-Five hatte bereits ergeben, dass das Konzept klanglich eine überdurchschnittlich weit gefächerte Klangbreite zur Verfügung stellt. Zu verdanken ist dies zum einen den sehr effizient arbeitenden Klangregelungen, zum anderen den günstig markant abgestimmten Grundtimbres der sechs Styles. Schon die Cleansounds trumpfen mächtig auf. Perfekte Klangkultur, voluminös, maximal transparent, süßliches Singen in den Mitten, „Clean“ schlanker ausgelegt, was fetten Les Pauls schmeichelt, „Fat“ angereichert mit satten Tiefmitten, dabei nachgiebig in der Ansprache und zu einem feinen Ansatz von Overdrive fähig, Energy-Booster für Singlecoil-Gitarren, so rund und stimmig, sehr überzeugend.

„Crunch“ übersteigt die Grenzen des für diesen Namen üblichen, indem die Gain-Reserven bis zu satter Distortion reichen. Die sensibel reagierende Ansprache und das fette leicht rotzige Zerren prädestinieren den Crunch-Style für Blues und Artverwandtes. Die Klangfarben des Channel 2 sind genau das: unterschiedlich gefärbte Grund-Sounds ohne krasse Abgrenzung voneinander. Alle drei Styles haben viel Gain, „Extreme“ sprengt allerdings wirklich die Grenzen. Irre viel Distortion bei überraschend geringen Nebengeräuschen und immer noch sehr präziser Artikulation des Gitarren-Sounds und der Spielweise prägen die Signalbearbeitung. Weil der Mid-Regler ähnlich wie beim King Snake im Bereich 50% bis 100% das Mittenspektrum singend aufbläht, steht der Ton kräftig und sustainreich, kippt gerne in höhere Intervalle um und begünstigt nachhaltig Flageoletts, mehr oder weniger bei allen drei Styles.

Na gut, um die insgesamt souveräne Sound-Formung wissen wir schon seit dem Erscheinen des Mark 5 TwentyFive bzw. seit seinem Test. Also ist auch der 35-Watt-Combo ein Allrounder wie er im Buche steht. Dass der Cab-Clone so elegant funktioniert, dass man gerne auf das Mikrofonieren des Speakers verzichten kann, ist auch längst bekannt. Sprechen wir zum Abschluss lieber davon, inwieweit das Combogehäuse dem Amp gewachsen ist. Nun, wenn man sehr laut, nahe der Vollaussteuerung spielt – und das ist wirklich laut –, verliert das Klangbild zwar nicht die Konturen, wirkt aber doch ziemlich angestrengt – ein größeres Kabinett bleibt da gelassen. Im Zweifel sollte man vielleicht ein zusätzliches Cabinet in Erwägung ziehen.

Mesas Thiele- 1×12-Box ist z. B. sehr zu empfehlen (vgl. auch meinen Lautsprecher-Workshop in Ausgabe 02/2016 bzw. den 1×12″-Vergleichstest in Ausgabe 05/2009). Bleibt man unter dieser Grenze, erfreut der Mark 5 Thirty-Five mit höchster Präzision, sehr schöner Klangtiefe, sowie raumgreifendem Volumen, dem man mit dem EQ durch Anheben der Bassfrequenzen noch erheblich nachhelfen kann. Kurz, die Wiedergabe ist gemessen an den Dimensionen des Combos großartig, im wahrsten Sinne des Wortes. Als Sahnehäubchen verbuchen wir das große Federhallsystem, das mit seiner gepflegten Raumsimulation definitiv ein Plus ist – der Twenty-Five hat ein kleines/kurzes.

Der Vollständigkeit halber muss außerdem noch erwähnt werden, dass der hinter den Master-Volumes liegende FX-Weg grundsätzlich einwandfrei funktioniert. Ein Return-Level-Regler wäre wegen der Pegelverhältnisse allerdings wünschenswert.

Mesa Boogie_04
(Bild: Dieter Stork)

Resümee

Mit dem Mark 5 Thirty-Five schließt sich gewissermaßen der Kreis der Boogie-Serie. Nur minimal größer in den Abmessungen als der Ur-Princeton-Boogie toppt er die Idee vom Sound-starken Combo im kompakten Format. Die tonalen Fähigkeiten des Mark 5 Thirty-Five sind qualitativ wie quantitativ höchst beeindruckend. Er ist klanglich höchst variabel und verwöhnt mit edlen Sounds. Im Verbund mit der luxuriösen Ausstattung ergibt sich ein maximaler Gebrauchswert. Die erstklassige Verarbeitung und Substanz hinzugerechnet darf man das Preis- /Leistungsverhältnis definitiv als unkritisch bzw. ausgewogen betrachten.

 

Plus

  • Sound, sehr hohe Variabilität
  • Dynamik, Ansprache sehr obertonfreundlich
  • harmonisches Zerrverhalten
  • relativ hohe Leistungsreserven, hohes Klangvolumen
  • warmer „Röhren“-Hall
  • Funktion d. CabClone
  • Ausstattung
  • geringe Nebengeräusche
  • sehr gute Verarbeitung, Qualität d. Bauteile

Minus

• FX-Return-Pegel nicht regelbar
guitarsummit-banner

Du willst den Mark 5 Thirty-Five sowie andere Amps von Mesa/Boogie live ausprobieren? Bei Guitar Summit findest du den Hersteller neben vielen weiteren Ausstellern, um zu testen, dich beraten zu lassen und deinen passenden Amp zu finden! Jetzt Tickets sichern!

 

Mesa Boogie_profil

Hinweise zu den Soundfiles.

Für die Aufnahmen kamen zwei Mikrofone zum Einsatz, ein AM11 mit Großflächenmembran von GT/Alesis (direkt) und ein C414 von AKG.

Die Clips wurden pur, ohne Kompressor o. jegliche EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt. Ab und an steuert das Plug-In „Platinum-Reverb“ Raumsimulationen bei (im Titel kenntlich gemacht durch den Zusatz „Room“ oder „RVB“).

Die Begriffe „Clean“, „Crunch“ usw. stehen hier nicht (nur) für den Sound-Charakter, sondern es sind die sechs Ton-Modes des Mark 5 Thirty-Five so bezeichnet.

 

Bedeutung der Buchstabenkürzel:

Dist: starke Verzerrungen.

OD: Overdrive, leichte Anzerrungen.

GitVol: Distortion-Intensität wird mit dem Poti an der Gitarre gesteuert.

 

Clip #1 bis #4: Die beiden Clean-Modes Clean und Fat arbeiten klanglich höchst kultiviert und sprechen überaus feinfühlig an. Den tonalen Unterschied zwischen beiden demonstriert Clip #4. Im Clip #3 hören wir den qualitativ maximal ausgereizten Federhall des Combos.

 

 

Der Crunch-Modus kann viel mehr als der Name sagt. Die hohen Gain-Reserven lassen richtig satte Distortion zu. Clip #5 verdeutlicht dies. Es wäre noch mehr gegangen, dann hätte aber der Regelweg des Guitar-Volume-Potis nicht mehr für die Bandbreite bis Quasi-Clean gepasst.

 

 

Es folgen zwei Impressionen vom Xtreme-Modus, Clip #6 und #7. Danach ein direkter Vergleich der drei Modes MKIIC+, Mark IV und Xtreme (zweiter Kanal). Clip #8, Achtung!!! Hinten raus macht Xtreme einen satten Lautstärkesprung!

 

 

Clip #9 und #10 bringen den CabClone, den integrierten Speaker-Simulator zu Gehör. Einmal im direkten Vergleich desselben Takes mit dem mikrofonierten Signal, zum anderen sind die drei Klangfarben im Wechsel zu hören, Open, Closed, Vintage.

Ich wünsche viel Vergnügen, und…,  wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).

Fragen, Anregungen  und  ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de.  Es klappt nicht immer,  aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.