Mit den in Ausgabe 11/2017 getesteten Meris-Pedalen Ottobit Jr. und Mercury7 gelang es der recht jungen Firma sofort mein Herz zu erobern. Terry Burton, der zuvor bei Line6 tätig war und im Anschluss Strymon gründete, legt nun ein Delay nach. Doch so ganz normal kann das bei der Vorgeschichte ja nicht werden.
Die ersten Minuten des Anspielens gestalten sich zunächst fast schon ernüchternd und ich bin kurz davor zu denken „das ist ja doch nur ein ganz normales Delay“. Zum Glück weiß ich von den anderen Geräten schon um die Bedeutung des Alt-Schalters, welcher Alternative Funktionen aufruft. Und dort liegt dann auch die Magie versteckt. Doch zunächst zur generellen Funktion.
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Konzept und Bedienung
Die kleine Metallkiste mit Anschlüssen auf der Oberseite wirkt robust und gut verarbeitet. Alle Potis laufen sanft und wirken verlässlich. Auch die kleinen Druckknöpfe für Alt und den Phaser fühlen sich gut an und sehen gut aus. Die Intensität der Beleuchtung, die Tap-Tempo und den Schaltzustand anzeigt ist angenehm, aber nicht außergewöhnlich hell. Lediglich die Fußschalter wollen nicht so ganz ins gute Bild passen. Sie wackeln ein wenig und der linke der beiden weist beim Drücken etwas Reibung auf. Natürlich ein Phänomen, welches nur auffällt, wenn man das Pedal zum Testen auf dem Tisch stehen hat und mit der Hand bedient, aber in dieser Preisklasse muss das nicht mehr sein.
Schaut man sich nur die obere Reihe der Potis an, könnte man das Polymoon tatsächlich für ein stinknormales Delay halten. Hier lassen sich Time, Feedback und Mix regeln. Dazu unten noch der Tap-Taster und ein Bypass-Schalter. Fertig ist die grundlegende Delay-Bedienung. Doch da sind ja noch drei weitere Potis: Multiply regelt, an wie vielen Punkten das Delay zum Output abgegriffen wird. Dimension nimmt Einfluss auf die Delay Taps, verschmiert diese und sorgt dafür, dass sie längeres Sustain haben. Dynamics wiederum wählt die Intensität des eingebauten Flangers. Letzterer ist bei Stellung Null ausgeschaltet. Die Alternativ-Funktionen der Potis schauen wir uns am besten gleich im Praxis-Teil an, dann wird auch klarer, wie das klangliche Ergebnis ausfällt.
Das Polymoon nimmt einen Mono-Input entgegen und kann Stereo über zwei getrennte Klinkenbuchsen ausgeben. Soweit nichts Spannendes. Interessanter wird dann die Exp/MIDI Buchse. Leider schweigt sich das beigefügte, dreiseitige Manual komplett über die Anschlüsse aus. Auf der Herstellerhomepage findet man dann ein 14-seitiges Dokument, welches weitaus genauer erklärt, was hier alles möglich ist. Zwar ist die beigelegte Anleitung schön aufbereitet und gibt einen guten Überblick über erste Funktionen, aber bei diesem Funktionsumfang sollte man schon etwas mehr an die Hand genommen werden.
Hat man nun das „richtige“ Manual gefunden, so wird deutlich, dass die Buchse vier verschiedene Operationsmodi unterstützt: Man kann ein Expression-Pedal anschließen, einen Tap-Switch, einen Schalter für vier Presets oder ein MIDI-Pedal. Mittels Expression-Pedal lässt sich stufenlos zwischen zwei Presets hin- und herfaden, der Tap-Switch funktioniert genauso wie der im Gerät integrierte, und der versprochene 4-Preset-Switch soll angeblich ein proprietäres Gerät von Meris sein, welches sich zum Zeitpunkt des Tests leider noch nirgends finden lässt. Mittels MIDI lassen sich schließlich CCs empfangen und somit alle Werte aller Potis und Schalter steuern. Schon ziemlich cool.
Praxis
Zunächst ist festzuhalten, dass meine anfängliche Sorge, dass es sich „nur“ um ein Delay handelt unberechtigt ist. Dennoch kann man das Polymoon natürlich genau so benutzen. Und dann hat man auch nicht irgendein Delay, sondern ein verdammt gutes. Mit 1200 ms Delayzeit gehört es zwar nicht zu den Spitzenreitern was die Zeit angeht, doch dieser Wert sollte für die meisten Anwendungen ausreichen.
Zudem lassen sich die Repeats wunderbar in die Selbstoszillation treiben und dort wiederum mit dem Time- Regler modulieren. Klar, das geht bei einer ganzen Menge von Delays, aber hier klingt es irgendwie besonders gut. Nicht zuletzt trägt hierzu die Alt-Funktion des Feedback-Potis bei, durch die ein Filter auf die Repeats gelegt wird. Dreht man das Poti auf unter 12 Uhr, so werden die Wiederholungen jedes Mal etwas dunkler, bei einer Stellung über 12 Uhr jedes Mal etwas heller. Zusammen mit dem Phaser ergeben sich hier wunderbare Retro-Sounds, dazu aber später.
Die anderen Alt-Funktionen sind alle etwas schwieriger zu erklären, also Aufmerksamkeit bitte, wir fangen einfach an: Hinter Mix versteckt sich noch das Delay Level, mit dem das Gain des effektierten Signals gesetzt werden kann. Hier lässt sich zwischen 0dB und -12dB regeln. Hinter Time verbirgt sich alternativ die Modulation der Early Delay Taps. Diese lassen sich von leichter Modulation bis hin zu Pitch-Shifter ähnlichen Effekten regeln. Allein hiermit ist das Pedal schon crazy genug, um sich des Namens Meris würdig zu erweisen. Passend dazu gibt es hinter dem Multiply-Poti noch die Late Modulation. Hier lässt sich das gleiche Spiel mit den späteren Taps durchführen.
Setzt man nun Late Modulation auf etwa 10 Uhr und Multiply auf 3 ergeben sich wunderbar eiernde Sounds. Wählt man auch bei den Early Modulations einen entsprechenden Wert, so wird das eiern irgendwie wieder „konsistenter“ und klingt gewollter. Kann auch cool sein.
Spätestens wenn einer der Alt-Regler über die 12-Uhr-Stellung hinaus gebracht wird herrscht wunderbar produktives Chaos. Dazu noch den Multiply-Regler auf 4 oder höher und man hat keine Ahnung mehr, was passiert. Hier ist alles drin von Kirchenglocken, Pitches, über Synth-ähnliche Klänge bis zum kaputten Radio.
An dieser Stelle muss man leider auch bemerken, dass es zwar super ist, die ganzen Alternativen Möglichkeiten direkt am Gerät bedienen zu können, aber spätestens, wenn man den zweiten Regler verstellt hat, weiß man nicht mehr auf was der erste steht. Dazu kommt, dass man nun durch bloßes Draufschauen auch nicht mehr weiß, ob beispielsweise die Einstellung des Time-Reglers nun wirklich auf 9 Uhr steht, oder ob man nur dessen alternative Funktion zuletzt so gesetzt hat. Gar nicht so einfach, da den Überblick zu behalten. Insbesondere weil hier total coole Funktionen über Alt angesteuert werden, also durchaus Dinge, die man mehr als ein Mal im Leben ändern möchte.
Der kleine Button auf der rechten Seite Wiederum zeigt völlig klar die Einstellung des integrierten Barberpole Phasers an. Dieser kann ausgeschaltet im Modus Slow (fix auf 0,1 Hz), Sync (Viertelnote der Delay Time) oder Slow + Sync (gelinkt auf eine ganze Note der Delay Time) stehen. Mir persönlich gefällt Letzteres am besten, da hier zwar das ganze bisher geschaffene Signal nochmals angereichert werden kann, dies aber nicht zu auffällig geschieht.
So, hörte sich das alles schon vielfältig an? Ich denke ja. Aber du bist so jemand, dem das noch nicht reicht? Kein Problem: Schließ einfach dein Expression-Pedal an und morphe freigiebig herum. Die Einstellung ist hier sogar denkbar einfach. Expression-Pedal anschließen, in die Startposition bringen, alles so einstellen wie du willst, in die Zielposition (gedrückt) bringen, wieder alles so einstellen wie du willst – und fertig. Nun kannst du stufenlos zwischen den beiden Sounds überblenden. Und das beinhaltet alle einstellbaren Parameter dieses Pedals, also auch die Alt-Funktionen. Da geht so einiges.
Bei extremen Delay-Settings fügt das Polymoon leider manchmal etwas Rauschen hinzu, dies hält sich aber völlig im Rahmen. Und um den Praxisteil noch mit einer persönlichen Empfehlung abzuschließen: Bei Multiply auf etwa 2 und mittlerer Einstellung ergibt sich ein Tremolo- artiger Sound, der dennoch erfrischend neu wirkt. Durch die Alt-Einstellung ist nun die Wellenform der späteren Delay Taps änderbar. Legt man diese Änderung auf das Expression Pedal, erhält man einen sehr praxistauglichen Sound, der dennoch weit abseits der Norm liegt.
Alternativen
Na klar, man kann das Meris ruhigen Gewissens als Delay-Pedal empfehlen. Der Text der Homepage „Mathematical Dream State“ trifft es aber wohl doch besser. Und so ist es auch irgendwie schwer im Markt einzuordnen. Klar, ein Empress Echosystem ist ein super Delay, welches auch eine Menge Einstellmöglichkeiten mitbringt, sich sehr intuitiv bedienen lässt und toll klingt. Aber ist es auch nur annähernd so verrückt wie das Meris? Irgendwie nicht. Ähnliches kann man über das Strymon Timeline oder das Eventide Time Factor sagen. All diese Pedale stellen zusammen die Speerspitze deren-Delays dar. Das Polymoon setzt sich eher ab und möchte eigenständig sein. Und so lässt es sich auch nicht mitMulti-Pedalen wie einem Eventide H9 vergleichen, eben weil es in erster Linie schon noch ein Delay ist.
Resümee
Meris hat es erneut geschafft. Was sich zunächst als „normales“ Delay verkauft, beinhaltet unter der Haube so viel mehr. Flanger, Phaser, Änderung der Wellenformen, Dimension … Eigentlich kann man hier nur noch schweren Gewissens von einem Delay reden. Aber klar: Auch nur dafür kann das Polymoon exzellent verwendet werden.
Durch die Möglichkeit ein MIDI-Pedal anzuschließen erhöht sich die Nutzerfreundlichkeit gleich enorm. Denn eines muss man dem Meris leider etwas ankreiden: Bei der gebotenen Vielfalt auf Presets zu verzichten tut schon weh. Zumal das Interface durch die vielen – und durchaus extrem wirkenden – Alt-Funktionen nicht sehr übersichtlich ist. Aber die Möglichkeit, ein Expression Pedal anzuschließen um zwischen zwei Sounds zu morphen, macht extrem viel Spaß. Wie generell das ganze Pedal. Meris ist seinem Ruf also treu geblieben und hat ein existierendes Konzept sinnvoll – und fast schon etwas verrückt – vorangetrieben. Ich hoffe, so geht es weiter. Ich freue mich auf das nächste Pedal aus dem Hause von Terry Burton!