Mensinger 35th Anniversary Joker ,Spalted Maple’ im Test
von Franz Holtmann, Artikel aus dem Archiv
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Der Hersteller Mensinger feierte 2015 sein 35-jähriges Bestehen. Das aus diesem schönen Anlass geschaffene und immer noch aktuelle Jubiläumsmodell Joker „Spalted Maple“ zeigt die Polen mit individuellem Klangbewusstsein auf der Höhe der Zeit.
Modern – klassisch – innovativ
Das Double-Cutaway-Modell erinnert von der Formgebung und den Konturen her nicht zufällig an PRS-Designs, weist aber genügend autonome Aspekte auf, um als emanzipiertes Instrument anerkannt zu werden, das seine eigene Sprache spricht.
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Die Korpusbasis aus mittig zweiteilig gefügtem Mahagoni bekam eine Decke aus höchst attraktivem Spalted Maple aufgesetzt. Am Boden finden wir eine sanft gestaltete Anlagebucht, die Decke verfügt über ausgeprägte Konturen mit Auskehlungen in beiden Cutaway.
Der eingeleimte Hals aus Mahagoni erhielt seinen Kopf im Bereich der ersten drei Bünde großflächig angeschäftet. Unterhalb des Sattels aus Black Tusq verstärkt eine herausgeführte Volute den Winkelübergang zum pointiert ausgeführten Kopf mit einer Auflage aus Spalted Maple (Matched Headstock). Die verbauten Locking-Mechaniken von Schaller verfügen über Griffe aus Schlangenholz, ein wunderbares Material, das an verschiedenen Stellen einen Akzent zu setzen vermag, so auch als Abdeckung für den Zugang zum Halsstab. Das intarsierte Edelweiß aus Perlmutt sehen wir auch noch einmal als Einlage im 12. Bund des ansonsten schmucklosen Griffbretts aus Ebenholz. 22 Bünde mittleren Formats zeigen perfekte kantenglatte Bearbeitung. Am Korpus werden die durch den Korpus gefädelten Saiten von der neuen innovativen Schaller Guitar Bridge Hannes 6C mit individuell beweglichen Saitenreitern aus Kohlefaser gehalten. Diese Reiter sind in einzelnen, flach auf den Korpus geschraubten Führungen gelagert und damit voneinander entkoppelt, auch ist die Oberfläche der Brücke vollkommen gratfrei und fühlt sich samtig gut an.
Die elektrische Ausstattung umfasst zwei in Rähmchen aus Schlangenholz gesetzte Humbucker von Harry Häussel: den VIN+ in der Halsposition und den TOZZ am Steg. Generell ausgelegte Volume- und Tone-Potis werden mit schönen Knöpfen aus Schlangenholz gedreht. Im Tone-Pot ist eine Push/Pull-Funktion zum Coil-Split integriert. Das mit Alu ausgekleidete Elektrofach am Boden ist von einem Deckel aus Mahagoni/Ahorn mit Anniversary- Fräsung verschlossen und birgt sauber verarbeitete Komponenten. Das präzise und detailgenau gefertigte Jubiläumsmodell verfügt über eine 628- mm-Mensur und zieht seine beeindruckende optische Eleganz aus den dekorativen, „natural“ matt versiegelten Holzparts.
Klasse Handling – spezieller Sound
Das Joker-Spalted-Maple-Jubelmodell ist nicht nur eine stattliche Erscheinung, es fühlt sich bei mittlerem Gewicht von 3,4 kg mit seinen satinierten Oberflächen auch noch bemerkenswert gut an. Der perfekt profilierte Hals – nicht zu breit, nicht zu dick – bietet mit seiner hervorragenden Bundierung und einer ultraflach eingestellten Saitenlage unmittelbaren Griffbrettzugang. Ein leichter Buzz beim Anschlag ist hinzunehmen, denn sofort klärt der Ton auf und schwingt frei und lang aus. Das Tonambiente ist von etwas kühler Natur, aber höchst transparent und trennscharf in der Separation der Saiten. Überdies prickelnd perkussiv im Anschlagsreflex der Basssaiten und von beachtlichem Sustain bis hinauf zum letzten Bund auf den hohen Saiten.
Am Amp bleibt uns die zuvor bemerkte Transparenz erhalten, aber Harry Häussels Humbucker wandeln den akustisch schlanken Ton in durchaus charaktervolle Sounds. Der Hals-Pickup vermittelt das harfenähnliche Akkordverhalten mit eher gestochen scharfen Darstellungen, anstelle der weichen Fülle anderer Konstruktionen. Wer das Instrument zur Hand nimmt, weiß wohl sofort, ob er es mag oder nicht. Auf jeden Fall ist das Sound-Angebot speziell. Der verzerrte Ton kommt eher wie ein linearer, lang aushaltender Strahl, ist nicht so sehr von wendiger Dynamik bestimmt. Das wäre also etwas für dich, wenn du gleichmäßig singende Linien bevorzugst.
Wechseln wir auf den Steg-Humbucker, so tritt eine leichte Kompression der Mitten in den Vordergrund, der Sound wird enger und fokussierter, zeigt auch eine spezielle wie charakteristische Nase. Dieser Nöck ist nichts für Puristen im Clean- Bereich, hat aber doch seinen ganz eigenen Reiz beim rhythmischen Begleitspiel. Klar, dass der ausgangsstarke Pickup erst auf Zerre geschickt seine Stärken ausspielt. Stramm und konturiert drückt er dann aus der Mitte heraus, dabei leicht kratzig auf den Basssaiten. Oben herum gehen harmonische Obertöne in harten Wettbewerb miteinander um die besten Plätze und die vergibst du mit deinem Spiel. Das hat jedenfalls was, wie die Pinch Harmonics bei härteren Zerrgraden aufgeregt vom Griffbrett springen. Und das ohne große Anstrengung, lediglich gesteuert von der leicht variierenden Winkelstellung des Plektrums.
Originell ist als dritter im Bunde auch der crispe Sound der zusammengeschalteten Pickups bei dieser Joker-Ausführung. Das ausgekämmte Klangbild zieht noch mehr klar, lässt Arpeggien glasig brillant perlen und liefert einen kehligen Sound, der auch im Overdrive seine kühle, lichte Eigenheit selbstbewusst zur Schau stellt. Die im Tone-Regler angelegte Coil-Split- Option, liebe Freunde, halte ich aber für überflüssig. Das eh schon etwas hart und spröde angelegte Tonambiente, so gut es auch bis hierhin sein mag, wird dadurch im wahrsten Sinne des Wortes überspitzt, bis zur Karikatur übertrieben. Das hat mit meinem Ohr gehört nur noch extremen Nischenwert. Aber bitte: es ist ja auch nur ein Bonus!
Alternativen?
Die Klangeigenheiten der Joker erinnern mich entfernt an den (sogar zweimaligen) Besitz einer L5S Solidbody von Gibson mit jeweils prachtvoll gemasertem Ahorn-Body, wunderbarem Ahornhals plus Ebenholzgriffbrett. Die erste hatte ich wegen ihrer sehr speziellen Tonentfaltung sofort wieder verkauft, später aber gemeint, ich könnte mich geirrt, vielleicht auch nur geschmacklich weiterentwickelt haben, denn Pat Martino, der alte Jazz-Meister, holte doch seinen flockig ploppenden Arpeggio-Sound damals zumindest zeitweise genau aus diesem ahornlastigen Modell. Half nix, auch der zweite Versuch ging in die Hose – das war einfach nicht meines. Sicher, ich wollte nur erwähnt haben, dass die klangliche Extraktion, also das, was ich hören will und wie ich es aus einem Instrument heraus bekomme, unberechenbar ist. Auf spezielle Sounds reagiert man mit veränderter Spielweise und bekommt vielleicht genau darum seinen individuellen Ton. Go for it!
Resümee
Mit dem Jubiläumsmodell Joker „Spalted Maple“ legt Mensinger erneut eine Visitenkarte als Hersteller mit authentischem Sound vor. Die Gitarre klingt nicht wie diese oder jene, sondern kümmert sich erfolgreich um ein originäres eigenes Klangbild, das natürlich seinen Platz hat und Freunde finden wird. Das perfekt gemachte Instrument bietet einen „schnellen“ Hals für virtuoses Spiel und wartet mit klarem, ja brillantem Tongefüge auf, das von den leistungsstarken Häussel- Humbuckern in gewohnt souveräner Art und Weise übersetzt, ja überhöht wird. Die Sounds erscheinen knackig, crisp, leicht kantig, aber zugleich harmonisch aufgeräumt, sozusagen tiefentransparent und machen auch in Zerrpositionen ihre ganz speziellen Punkte. Das ist nicht unbedingt etwas für vollfettig tönende Blues-Spieler, eher kommen wohl Liebhaber von Art-/Prog-/Post-Rock etc. auf ihre Kosten. Wenig Freude machten eurem Vorschmecker dagegen die alternativ beigegebenen Split Sounds – da ist mir einfach zuviel Fakirnagelbrett drin. Davon abgesehen: sehr originell tönendes, bestens handhabbares Arbeitsgerät. Wir gratulieren nachträglich zum Jubiläum!