Lebhaft & Kraftvoll

Mehr Sein als Schein: Music Man Valentine SH TV Yellow

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(Bild: Dieter Stork)

Die Valentine SH, die in Zusammenarbeit mit Maroon-5-Gitarrist James Valentine entstand, wird bereits seit einigen Jahren von Music Man mit aufwendigen Sparkle- und schlichteren Plain-Finishes angeboten. Neu in die Farbpalette aufgenommen wurde kürzlich das deckende TV Yellow, und da wir die Valentine bislang noch nicht unter der Lupe hatten, dann halt jetzt …

Ausstattungsmäßig ist unsere Testgitarre mit allen anderen Music Man Valentines identisch. Es gibt jedoch auch Tremolo-Modelle. Auf den ersten Blick wirkt die Gitarre eher schlicht. Ansprechendes Design, zwei Pickups, zwei Regler, Dreiwegschalter. Oh, die Potis lassen sich ja auch push-push-schalten! Und ein Batteriefach auf der Rückseite? Nicht weniger überrascht der Blick ins mittels Graphit-Acrylharz und Aluplatte sorgfältigst abgeschirmte E-Fach, in dem eine große, u.a. mit vier Trimmern üppig bestückte Platine zum Vorschein kommt. Was ist denn hier los?! Eine Wölfin im Schafspelz?

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AUF ANFANG

Basis aller Valentines ist ein Esche-Body, dessen Keilform erst nach dem x-ten Hinsehen auffällt. Schaut man nämlich frontal von unten auf den hinteren Gurtknopf in Richtung Hals, wird deutlich, dass der Korpus rechts mit 42 mm startet und links mit 34 mm endet. Dazwischen sind die Flächen völlig plan. Die umlaufenden Kanten hat man lediglich verrundet, hinten etwas mehr als vorne.

(Bild: Dieter Stork)

Der intensiv geflammte Ahornhals, mitsamt des Ahorngriffbretts thermobehandelt, sitzt, von Konterblech und fünf Schrauben gehalten, in seiner präzise gefrästen Aufnahme. Nun ja, zwei Zehntelmillimeter hat Music Man schon Luft gelassen, was weder Stabilität noch Schwingungsübertragung beeinträchtigt. Am Übergang ergonomisch verrundet, gewähren Body und Cutaway barrierefreien Zugang zu den höchsten Griffbrettregionen. Wie bei Music Man üblich, lässt sich die Halskrümmung komfortabel über das stirnseitige Speichenrad justieren. 22 tadellos bearbeitete Medium-Edelstahlbünde verteilen sich auf dem Spielfeld, die Lagen markiert von schwarzen Punkten und Side-Dots. Auch der optimal abgerichtete gleitfreudige Kunststoffsattel mit stimmungsfördernden kompensierten Kerben ist inzwischen MM-Standard.

Kompensierter Sattel (Bild: Dieter Stork)

Dank der kleinen rückwärtig versetzten 4/2-Kopfplatte erübrigen sich Stringtrees. Werksseitig extrem schwergängig eingestellte Schaller-M6-Locking-Tuner garantieren Stimmstabilität. Zum Glück lässt sich die Gängigkeit über die flügelseitigen Schlitzschrauben nachjustieren.

Music Man Modern Hardtail (Bild: Dieter Stork)

Beim Valentine-Modell ohne Vibrato findet die Music Man Modern Hardtail Bridge Verwendung, deren aus Stahlblech gebogene Reiter sich wie beim Vintage-Strat-Vibrato zweidimensional justieren lassen. Die Saiten werden von hinten durch den Korpus gefädelt, die Stegabdeckung zeigt Handschmeichler-Potenzial. Das vierlagige Pickguard mit imitierter Schildplatt-Oberfläche dient lediglich zum Schutz der makellosen Hochglanzlackierung, irgendwelche Kammern muss es nicht abdecken. Der Hals-Humbucker und ein Custom-Wound-Steg-Singlecoil mit diagonal angeordneten, gestaggerten Magneten, beide aus eigenem Hause, lagern in Rähmchen und lassen sich in Höhe und Neigung einstellen. Ersterer lässt sich über den Push-Push-Schalter des Tone-Potis splitten, wobei dessen Halsspule aktiv bleibt. Auch der Volume-Regler besitzt einen Push-Push-Schalter, der allerdings den bordeigenen Booster in Betrieb nimmt. In traditioneller Manier aktiviert der Dreiwegschalter die Pickups.

In den Korpusrücken hat man die Aufnahmehülsen der Saiten und ein Schnellwechselfach für die 9-Volt-Blockbatterie eingelassen.

Cleveres Batteriefach (Bild: Dieter Stork)

Schraubt man den Aludeckel des E-Fachs ab, in das eine stramm packende Rohrklinkenbuchse mündet, trifft man u.a. auf diese vier Trimmpotis:

  • Trimmer 1: Boost Gain (0-20 dB)
  • Trimmer 2: Coilsplit Level (Pegelanpassung der Halsspule des Humbuckers im Split Mode)
  • Trimmer 3: Silent Circuit Intensity (Brummunterdrückung der Humbucker-Halsspule im Split Mode)
  • Trimmer 4: Silent Circuit Intensity (Brummunterdrückung des Steg-Pickups)

Im Auslieferzustand steht Trimmer 1 etwa in Mittelposition, bietet also noch reichlich Luft nach oben. Trimmer 2 hat man so eingestellt, dass der Hals-Humbucker und dessen Split-Mode (Halsspule) identische Outputs liefern. Auch hier zeigt der Trimmer noch soviel Headroom, dass sich der Output der Halsspule sogar auf Solopegel steigern ließe. Trimmer 3 und 4 senken sehr effizient etwaiges Brummen der Einzelspulen ab, wenngleich die Geräusche nicht komplett ausgeblendet werden können. Hier stellt sich mir die Frage, warum Music Man das regelbar macht und nicht gleich auf den Optimalwert festlegt, zumal die Silent Circuits keinen klanglichen Einfluss nehmen.

Viel Elektronik: E-Fach mit Platine und Trimmern (Bild: Dieter Stork)

LEBHAFT & KRAFTVOLL

Am Gurt, der an den großen Pins sicheren Halt findet, macht sich ein Hauch von Kopflastigkeit bemerkbar, was offenbar dem leichten, sich einseitig verjüngenden Body geschuldet ist. Für eine Music Man ist das auch angesichts der kleinen Kopfplatte eher ungewöhnlich. Dagegen zeigt die Valentine auf dem Bein perfekte Balance. Halsprofil, Öl/Wachs-Finish, die vorzüglich verrundeten Griffbrett- und Bundkanten und nicht zuletzt die niedrig eingestellte Saitenlage bieten in der Summe traumhaft entspannende Bespielbarkeit bis in die höchsten Lagen.

Die werkseitig aufgezogenen Saiten (11-48) bringen die Valentine regelrecht in Wallung, was sich in kraftvollen, ausgewogenen, drahtig spritzigen, obertonreichen Klangbildern äußert. Korpus und Hals schwingen höchst intensiv und bescheren der Gitarre im Zusammenspiel mit dem Strings-thru-Body-Steg langsam und kontinuierlich abklingendes Sustain. Ihre direkte, nuancierte Ansprache und lebhafte, spritzige Tonentfaltung zeugen von bester Dynamik. So empfiehlt sich die MM Valentine für facettenreiches und ausdrucksstarkes Spiel.

Der Custom-Wound-Steg-Singlecoil lässt schon durch die diagonale Anordnung seiner gestaggerten Magnete eine Verwandschaft zum traditionellen Tele-Pickup vermuten, was sich auch prompt bestätigt. Im Direktvergleich mit einem Vintage-Pendant liefert der MM etwas mehr Output und kommt durch leicht gezügeltere Höhen, einem Plus in den oberen Mitten und kraftvollere drahtige Bässe insgesamt ausgewogener aber auch kerniger daher. Obwohl sein Twang nicht ganz so ausgeprägt ist, wird die Verwandtschaft deutlich.

Der Humbucker rangiert pegelmäßig im Vintage-PAF-Bereich, zeigt gesunde Balance, liefert charaktervolle Wärme in den Mitten, samtweiche Höhen und bildet auch das breite Obertonspektrum der Valentine ab. Seine klaren, definierten Bässe besitzen nicht die Wucht und das Volumen, aber auch nicht das mitunter kritisierte Wummern einer Les Paul, betten sich aber wunderbar in das Spektrum des Pickups ein. Im Coilsplit-Mode liefert die Halsspule einen leicht verschlankten luftigeren Ton, der allerdings insgesamt kraftvoller und ausdrucksstärker als der eines Tele-Hals-Pickups daherkommt. Dank Pegelangleichung per Trimmer 2 klingen beide Schaltungsvarianten gleich laut. Die Pickup-Kombi glänzt mit glockenklar perlenden Rhythmus- und Arpeggio-Sounds, deren Spritzigkeit im Coilsplit-Betrieb noch zulegen kann.

Während der variable 20-dB-Booster genügend Reserven besitzt um Klarklängen zu Solopegeln zu verhelfen, hängt seine Wirkung bei Distortion-Sounds von deren Zerrintensität ab. Je weniger Zerre umso effizienter agiert der Booster. Er verstärkt nicht nur das gesamte Klangspektrum, sondern darüber hinaus zusätzlich auch mittlere und obere Mitten, was sowohl der Transparenz als auch dem Durchsetzungsvermögen zugutekommt. Die Valentine bietet ein breites Spektrum unterschiedlichster Sounds und überzeugt sowohl im Clean- als auch High-Gain-Betrieb. Beide Potis arbeiten butterweich, und über die gesamten Regelbereiche völlig gleichmäßig und präzise. Deren Push-Push-Schalter lassen sich erheblich komfortabler bedienen als die meist verwendeten Pull-Push-Typen. Bei Nichtbenutzung der Gitarre empfiehlt Music Man den Stecker aus der Klinkenbuchse zu ziehen um den Preamp auszuschalten und damit die Batterie zu schonen.

RESÜMEE

Obgleich Music Man die James Valentine Signature schon einige Jahre im Programm führt, hatte ich mit der neuen TV Yellow erstmals das Vergnügen. Hinter ihrer auf den ersten Blick schlichten Fassade versteckt das aus selektierten Tonhölzern, erstklassigen Pickups und High-End-Hardware gefertigte und vorzüglich verarbeitete Instrument einen 20-dB-Booster, eine Coilsplit-Pegelangleichung und für jeden Einspuler eine separate Brummunterdrückung. Warum Selbige regelbar ist und nicht als feste Optimal-Einstellung implementiert wurde? Keine Ahnung, ist aber auch egal. Des Weiteren punktet die Valentine mit zahlreichen praktischen Details, besten Schwingungseigenschaften, exzellenter Dynamik und einem breiten Sound-Angebot, das sich für unzählige Stilrichtungen empfiehlt. Chapeau Music Man, very well done!

PLUS

  • Sounds & Klangvielfalt
  • Dynamik & Sustain
  • Qualität Hölzer & Hardware
  • viele praktische Details
  • Edelstahlbünde
  • aktive Schaltung
  • Verarbeitung
  • Bespielbarkeit

MINUS

  • leichte Tendenz zur Kopflastigkeit


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2022)

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