(Bild: Dieter Stork)
Ein passionierter Zwei-Mann-Betrieb, ganz viel Erfahrung und Talent und eine außergewöhnliche Holzsammlung – dabei muss ja etwas Besonderes herauskommen.
Man könnte wohl ein ganzes Buch darüber schreiben, wie der Ausnahme-Gitarrenbauer Lutz Heidlindemann in den Besitz exquisiter alter Hölzer gelangte, die er den „Schatz von Potsdam Mittelmark“ nennt und die nun die Grundlage für ca. 300 noch zu bauende Gitarren bilden. Im Fall der vorliegenden M95 tat dies sein Kompagnon bei LuK, Anthony Schneider.
ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT
Die Modellbezeichnung M95 ist schnell erklärt: Diese Gitarre basiert auf dem Meisterstück, welches Heidlindemann 1995 zur Meisterprüfung in Mittenwald angefertigt hat. Schauen wir uns den Korpus an. Die Decke aus bester Alpenfichte ist der erste Hingucker – so feine dichte Jahresringe habe ich noch nicht oft gesehen. Beleistet ist das Top mit einem Forward-X-Bracing aus Fichte, was die frei schwingende Fläche für ein Plus an Dynamik vergrößert. Schallloch-Umrandung und -Einfassung sowie auch das Binding sind schlicht-edel aus Holz gefertigt. Für Zargen und Boden kam Ostindischer Palisander – geschlagen in den 50er-Jahren – aus besagtem Holz-Refugium zum Einsatz. Interessanterweise ist die Beleistung hier aus Mahagoni. Der Boden ist zur Verstärkung des Klangvolumens relativ stark gewölbt.
(Bild: Dieter Stork)
Der Hals aus Karibischem Mahagoni (ebenfalls 50er) ist nach Schwalbenschwanz-Methode am 14. Bund am Korpus angesetzt. Die Saiten sind im Steg aus altem Palisander mit Pins aus Knochen fixiert und liegen auf der kompensierten Einlage aus Knochen. Sie laufen über das Griffbrett aus ebenfalls ca. 70 Jahre altem Palisander über den Knochensattel zur Kopfplatte. Das Griffbrett ist mit 21 Bünden bestückt, Dot-Inlays aus Ton (!) geben Orientierung in den Lagen. Die eher modern geformte Kopfplatte ist in alter deutscher Gitarrenbau-Manier per dreidimensionalem Kopfanschäfter angesetzt. Offene Schaller-GrandTune-Mechaniken mit kleinen Butterbean-Stimmwirbeln sorgen für präzises Tuning.
Drei Fragen an Anthony Schneider
Wie sieht generell eure klangliche Zielsetzung aus?
Die Dreadnought-Korpusform hat für eine Westerngitarre das perfekte Luftvolumen zur Tonverstärkung. Konstruktiv haben wir durch das Forward-X-Bracing die flexibel schwingende Fläche unter dem Querriegel für eine schnellere und lebendigere Ansprache vergrößert. Die Beleistung ist so geformt, dass die typischen Deadnotes minimiert werden. Die Materialstärken aller Bauteile sind so gewählt, dass das Instrument ausreichend Stabilität hat, der Ton sich aber in allen Frequenzbereichen ausbilden kann. Je nach verwendeter Holzart für Boden und Zargen können wir verschiedene Frequenzbereiche und Klangcharakteristiken bestärken.
Wie muss man sich die Herstellung einer LuK Gitarre vorstellen?
Zuallererst suchen wir gemeinsam mit dem Kunden die Hölzer aus. Dabei wird abgeklopft, gehört und natürlich die Holzzeichnung betrachtet. Dann beginnen wir mit dem Bau und nach der Hochzeit, bei der Körper und Hals miteinander verbunden werden, kommt der Kunde zur Anprobe vorbei. Nach dem letzten Feinschliff geht es in die Lackierung und 4 Wochen später in die Endmontage. Wir nehmen uns für die Fertigung ausreichend Zeit, damit sich die Hölzer zwischen den Bearbeitungsschritten immer wieder beruhigen können. Für ein Instrument sind in Handarbeit 120-150 Arbeitsstunden nötig. Ein Fertigungszyklus in unserer Werkstatt dauert drei bis vier Monate, wobei zwei Mitarbeiter an den Instrumenten arbeiten.
Provokant gefragt: Was habe ich als Player davon, dass eine Gitarre aus altem Holz gebaut ist? Ist das nicht nur Voodoo?
Diese alten Hölzer, die langsam gewachsen sind und luftgetrocknet wurden, gibt es so heute nicht mehr (Schatz von Potsdam Mittelmark). Wir merken schon während der Bearbeitung, dass wir es mit einer ganz anderen Qualität zu tun haben, als bei „modernen“ Hölzern aus Plantangenwirtschaft. Teure Vintage-Gitarren sind nicht nur teuer weil sie alt sind, sondern auch wegen derer Materialien und den damit verbundenen Klangeigenschaften. Wir erkennen bei unseren Hölzern sofort den Charakter eben dieser Vintage-Instrumente.
Lutz Heidlindemann zu den Hölzern: „Die Auswahl der Hölzer für Zargen und Böden ist weltweit einzigartig. Wir dürfen Gitarren bauen, die es so nie wieder geben kann. Die Bäume meiner Tropenhölzer wurden in den 1950er- bis Anfang 60er-Jahre geerntet. Die Art können wir, Dank der Unterstützung des Thünen Instituts, belegen. Eine C14 Untersuchung hat uns die Gewissheit über Alter und Standort versichert.“
Es sei noch vermerkt, dass zur Verbindung aller Hölzer Knochenleim Verwendung fand. Die M95 ist komplett (außer Griffbrett) mit Hochglanz-Nitrolack versiegelt. Es ist fast ein wenig müßig zu erwähnen, dass die Bearbeitung der Bünde, die Verarbeitung insgesamt, die Lackierung und Einstellung der Gitarre makellos erstklassig ausgeführt sind. Für Sicherheit beim Transport der LuK M95 sorgt der dazugehörige Hiscox-Koffer.
Klang, Haptik und Resümee auf Seite 2 …
(Bild: Dieter Stork)
KLANG UND HAPTIK
Die linke Hand trifft auf ein eher flaches Halsprofil und ein etwas breiteres Griffbrett, was – zumindest bei mir – etwas Eingewöhnung fordert, dann aber nach kurzer Zeit einen hohen Wohlfühl-Faktor erzeugt. Am Steg beträgt der Abstand zwischen tiefer und hoher E-Saite stattliche 60 mm … gleicher Effekt für die rechte Hand: nach kurzer „Kalibrierung“ empfindet man die Gegebenheiten – sowohl bei Strumming, als insbesondere auch bei Fingerstyle – als total angenehm. Man kann seinem Spiel optimal Ausdruck verleihen und Dynamik-Feinheiten ausloten. Und das fordert diese Gitarre auch vom Spieler, der schon etwas Erfahrung, Spieltechnik und Style mitbringen sollte, wenn er die Möglichkeiten der M95 voll auskosten will.
Die Ansprache dieser LuK Dreadnought ist nämlich einzigartig! Man greift gleich erstmal zu einem etwas dünneren Plektrum, denn schon bei leichtestem Anschlag kommt die Gitarre frisch und klar aus den Startlöchern. Eine Strahlkraft, Direktheit und klangliche Auflösung die Respekt einflößt, trifft auf Wärme, Charakter und Tiefe, wie das wohl nur alte Hölzer verströmen können. Ich denke mir so: jemand wie Billy Strings würde diese Dreadnought so schnell nicht mehr aus der Hand geben. Sie hat einfach alles – und davon ganz viel. Ein so gutes Instrument ist dann eben auch ein Allrounder im besten Sinne, der rasante Bluegrass-Solos genau so souverän wiedergibt wie einen Bottleneck-Blues. Bei Fingerstyle-Techniken kann man getrost mit bloßen Fingern (ohne Picks) spielen, die besondere Frische und Klarheit im Sound macht das möglich. Kompliziertere Akkord-Griffbilder lassen sich auf dem geräumigen Griffbrett auch besonders leicht darstellen.
Ich überlege die ganze Zeit, was man mit der LuK stilistisch eventuell nicht machen kann … mir fällt aber nichts ein.
(Bild: Dieter Stork)
RESÜMEE
Es ist eigentlich unmöglich, eine Gitarre zu bekommen, die gebaut ist aus Ostindischem Palisander und Karibischem Mahagoni aus den 50er-Jahren – außer bei LuK! Lutz Heidlindemann und Anthony Schneider haben das Holz, das Können, die Geschmackssicherheit und das Umfeld, um außergewöhnliche Gitarren zu bauen. Die M95 ist optisch, haptisch und klanglich ein makelloser Leckerbissen. Als Tester möchte man ja auch kritisch Schwachpunkte aufzeigen – das gelingt hier nicht, es gibt keine. Der Preis vielleicht? Ja, der ist hoch … aber für eine vollständig in Deutschland aus alten Hölzern handgebaute Highend-Gitarre dann auch wieder angemessen. Ich geb’s auf … Also: Hut ab!
PLUS
- Hölzer & Hardware
- Design, bauliche Details
- Verarbeitung, Lackierung
- Halsprofil, Griffbrett
- Bespielbarkeit, Haptik
- klangliche Dreidimensionalität
- Ansprache, Dynamik, Sustain
(erschienen in Gitarre & Bass 04/2024)