Brit-Klassiker:

G&B-Classics: Marshall JCM 800-Serie

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Marshall Jcm 800 Werbung
Mit der JCM-800-Serie erklimmt Marshall in den 80er Jahren den Rock-Olymp und verpasst der explodierenden Rock-Musik seine bis heute prägnante und unüberhörbare Stimme. Hier der Centerfold des JCM-800-Prospekts. (Bild: Marshall Amplification)

Als die JCM 800-Serie im März 1981 herauskam, brachte sie zunächst gar keine technischen Neuerungen. Nur den Look, die Optik, hatte man neu gestaltet. Insbesondere das über die ganze Länge durchgehende Bedien-Panel der Verstärker-Chassis prägte den drastischen Umbruch im Erscheinungsbild. 

Der Grund für die Maßnahme war, dass zwei Gegebenheiten ungünstig aufeinander trafen und so Marshalls Zukunft zu gefährden drohten. Denn just in dieser Zeit endete einerseits der Vertrag mit der Firma Rose-Morris, die 15 Jahre lang die Rechte für den weltweiten Vertrieb besaß. Andererseits hatte Rose-Morris noch reichlich Ware auf Lager, sodass Marshall Absatzprobleme bei neuen Partnern befürchten musste.

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Marshall 2203 Lead
Sicher das meistverkaufte 100-Watt-Top der Welt:
der 2203 Lead (Bild: Marshall Amplification)

Mit dem genialen Schachzug, ein neues Design einzuführen, kam Marshall aus der Klemme, und Rose-Morris sah sich schlagartig zum „Altwarenhändler“ degradiert. Im ersten Jahr wies der Katalog exakt dieselben Modelle aus, die bis dato als JMP-MKIIModelle in der Produktion waren: Zwei Gitarren-Topteile ohne Master-Volume, 1959 und 1987, zwei mit MV, 2203 und 2204. Die Bass-Amps 1986 und 1992 kamen leicht revidiert mit aktiven Klangregelungen (semiparametrische Mitten) auf den Markt.

Die von den MV-Tops abgeleiteten Combos sahen insofern anders aus, als dass die Bedienungselemente nicht mehr oben, sondern vorne positioniert waren. Parallel dazu bekamen sie neue Modellbezeichnungen: 4010 (1×12″, 50 Watt), 4104 (2×12″, 50 Watt), 4103 (2×12″, 100 Watt). Als zwischenzeitlich der 2204 und 2203 bzw. die baugleichen Combos waagerecht statt senkrecht angeordnete Input-Buchsen bekamen, hatte sich entgegen anders lautender Gerüchte an der Technik prinzipiell gar nichts geändert.

Dreimal JCM 800
Dreimal JCM 800: 2204S Mini-Top,
100 Watt 1992 Bass-Top und 50 Watt
2204 Lead-Top
(Fotos: Ebo Wagner / Iris Meyer / Klaus Schmidt)

Die vorher frei verdrahteten Potis und Buchsen waren lediglich mit auf das Printboard verlegt worden. Erst 1982, ein Jahr nach der Einführung der JCM 800-Serie, leitete Marshall mit dem 50 Watt starken 1×12″-Combo, Typ 4210, eine innovative Wende im technischen Design ein. Dies war der erste Clean/Lead- Zweikanaler des Programms. Ergänzt wurde das Konzept durch einen Federhall und einen dahinter angeordneten seriellen Einschleifweg – für damalige Verhältnisse eine Art Quantensprung in die Moderne. Der Verstärkermarkt war indes allgemein im Umbruch, angestoßen durch einen „ominösen“ Amp namens Boogie, der Ende der 1970er- Jahre in aller Munde war.

JCM 800 Bass Series
1992 Bass-Top
(Fotos: Ebo Wagner / Iris Meyer / Klaus Schmidt)

Auch Fender folgte dem Ruf und ließ bekanntlich von Paul Rivera das gesamte Verstärkerprogramm überarbeiten; da konnte Marshall natürlich nicht hintenanstehen. Zwangsläufig folgten dem 4210 im Jahre 1983 zwei Topteile mit 50 und 100 Watt, die Modelle 2205 und 2210, die wahlweise auch als 2×12″-Combos erhältlich waren. Die Resonanz auf diese neuen JCM 800 war äußerst erfreulich, obwohl der Lead-Kanal einen deutlich anderen Charakter offenbarte, als man das bisher von Marshall gewöhnt war. Die Verzerrungen wurden hier nämlich mithilfe von Dioden erzeugt, was mehr Distortion-Intensität erlaubte, aber auch in einen harscheren Ton mündete.

Marshall 2203 Lead
2203 Lead-Top
(Fotos: Ebo Wagner / Iris Meyer / Klaus Schmidt)

Ein kleines technisches Problem wurde diese neue Amp- Serie nie ganz los: Zwischen den Kanälen bestand ein gegenseitiges Übersprechen und sie waren nicht ganz unabhängig voneinander regelbar. Die Musik entwickelte sich in den 80er-Jahren rasant, neue Stilistiken kamen auf, die Ansprüche der Gitarristen veränderten sich und wuchsen. Der schlichte Clean-Kanal war bald nicht mehr upto- date und der Ruf nach mehr Gain in den harten Rock-Genres erzwangen technisches Umdenken. Daher liefen fast alle JCM- 800-Modelle 1990 aus.

Nur der 1959-Superlead und sein kleiner Bruder, das Modell 1987, überdauerten noch ein weiteres Jahr, um dann aber auch aus der Palette gestrichen zu werden und erst viel später als Reissues wieder zum Leben zu erwachen. In der JCM 800-Ära erblickten weitere Modelle das Licht der Welt, die technisch keine Neuerungen brachten, aber unter der Überschrift „Limited Edition. Original-Classic“ in einem besonderen Look, mit grünem Vinyl, an die Sixties erinnern sollten. Den 2204 gab es inklusive passender Cabs sogar als Mini- Modell, also mit verkleinerten Gehäusen.

JCM 800 Fullstack
Ein Bild, dass die
Rock-Bühnen der Welt
bestimmt – ein JCM-
800-Fullstack
(Bild: Marshall Amplification)

Etwas versteckt, von vielen kaum wahrgenommen, tauchte als Mitglied dieser Mini- Serie ein Amp-Top namens 3203 Artist auf. Ihm lag Hybrid-Technik zugrunde. Die per Fußschalter steuerbare Clean/Lead- Vorstufe basierte auf Transistortechnik, die Endstufe war mit zwei EL34 bestückt, angetrieben von einer ECC83 als Phasentreiber. Eigen im Sound, mit sehr ansprechender Distortion, Federhall, seriellem Einschleifweg, Line-Out, heute ein Geheimtipp. Was noch mehr für die 1×12″-Combo- Version gilt, dem 4203 Artist mit G12-Vintage- Speaker von Celestion. Ein anderer 1×12″-Combo aus der Zeit steigert schon seit längerem seinen Wert auf dem Vintage-Markt, der einkanalige 4001, auch bekannt als Studio-15 oder Little Fatty. Der erste und einzige Marshall mit 6V6- Endröhren, zwei an der Zahl. Was ihn besonders macht(e), ist das Post-Phase-Inverter-Master-Volume. Außerdem konnte man mit dem Abziehen des Lautsprechers die Leistung drosseln (Attenuator). Im Kopfhörer-Ausgang liegt dann das gedrosselte Signal an.

Der Little Fatty bietet eine interessante Option zur Drosselung der Leistung.
(Fotos: Ebo Wagner / Iris Meyer / Klaus Schmidt)

 

Übersicht
(Bild: Gitarre & Bass)

Dieses wurde auch bei einer Modellreihe eingebaut, mit der Marshall offensichtlich in Fenders Revieren wildern wollte. Cowboy-gestylt mit braunem („Leder“-) Tolex und dem Untertitel „Club and Country“ machten die beiden Combos aus ihrem Ziel auch gar keinen Hehl. Das Modell 4140 mit 2×12″“-Bestückung, der 4145 mit vier Celestion-Zehnzöllern, beide besaßen dasselbe Verstärkerchassis: Zwei Kanäle, Reverb, Boost, vier KT77 in der Endstufe, damals potentiell die neuen Könige des Clean. Mit dem 4150 gab es ergänzend einen 4×10-Basscombo, der sich fortschrittlich durch einen semiparametrischen Mitten- EQ und einen Kompressor auszeichnete. Der Vollständigkeit halber sei noch die 20th-Anniversary-Serie erwähnt, mit der Marshall 1982 das 20-jährige Bestehen des Unternehmens zelebrierte. Keine technischen Besonderheiten, ganz normale JCM 800- Modelle, allerdings schick gekleidet, in weißes Vinyl und schwarzen Frontstoff. (Näheres im entsprechenden Kapitel über die Anniversary-Amps).

1960ST-Box
Der Celestion G12T-75 in einer 1960ST-Box.
(Fotos: Ebo Wagner / Iris Meyer / Klaus Schmidt)

Was vielfach nicht ins Bewusstsein dringt, bzw. in Publikationen wenig bis gar keine Erwähnung findet, ist die Artenvielfalt der Cabinets in der JCM 800-Ära. Neben den typischen drei Bauformen 1×12, 2×12 und 4×12 gab es ab 1984 auch 4×10″-Boxen als Mini- Stack. Noch nichts besonderes, aber in der Zeit bereicherten neue Celestions das Angebot. Schon 1979 gab es die ersten 4×12 mit dem G12-65, einem exzellenten Lautsprecher, der einen vollen musikalischen Ton ohne aggressive Schärfe produzierte. Im Jahre 1982 kam der tendenziell nüchtern-lineare G12-H100 hinzu, der eine 4×12″-Box mit satten 400 Watt belastbar machte. Ein Jahr später wurde auch der G12-M70 verbaut. Erst 1986 tauchte der legendäre G12- T75 auf, der Rocker schlechthin, dem man übrigens zu Unrecht immer wieder einen besonders „fiesen“ Sound nachsagt. Er wurde auch in Marshalls erstem stereo/mono umschaltbaren 4×12″-Modell verwendet, der nur als „Straight-Version“ erhältlichen 1960ST.

Mehr zur Thema Marshall JCM 800 und anderen Marshall Amps findest du in unserer Marshall Sonderausgabe!

(Aus Gitarre & Bass Marshall Sonderheft 2012)


G&B-Classics

Oft nachgeschlagen, kritisch hinterfragt, heiß diskutiert – Die G&B-Classics sind die beliebtesten Artikel der Gitarre & Bass-Geschichte. Da sie immer wieder neue Leser*Innen erreichen und für lebhafte Debatten sorgen, holen wir sie für euch regelmäßig aus dem Archiv hervor.

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Hallo Gitarre & Bass Team.

    Mit Neugier habe ich eueren Artikel über die JCM Serie von Marshall gelesen und muss sagen,
    ich war schon schwer entäuscht.da ich mich fragte ,warum in dem Bericht keine Silbe über den JCM 800 2204 50 Watt geschrieben wurde. Ist der Amp den sooooo schlecht ? oder warum ist dieser nicht erwähnenswert.

    Mit lieben Grüßen.
    Joe Worker

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    1. Der 2204 hat sich schon auch verkauft, der macht aber wegen seiner 50 Watt eher zu, hat merklich weniger Headroom. ( Wir redem hier von LAUT & ohne Weichspüler. ) Der 2203 kommt einfach besser durch, und das bißchen Zerre, das der 2204 voraus hat, machst du mit deinem Overdrive / Booster vor dem Amp.

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  2. Der 50er war sogar besser im Klang, da er nicht immer so laut aufgedreht werden musste.

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    1. Hallo Beat , stimme Dir komplett zu , hatte selber mal den JCM 800 noch ohne Mastervolume , lediglich Preamp Volume Poti hatte der , der Klang mit seinen 50 Watt an ner 4mal 12 er Box mit 350 Watt natürlich lasch
      Dem müsste man nur eine schwächere Box dranhängen , und schon hatte der ne Menge Punch … eine screamer davor und Heaven is Born
      Ich hab immer gecovert , da reichte ein 50 ger völlig aus , ein Hunderter klingt erst viel später und aufgerissen tierisch gut … dann aber zieht jeder den Stecker , Gruß Rainer

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  3. Also die Jahres Angaben der Modelle sind falsch, die 2210/2205 wurden später eingeführt. Auch die Änderungen der Inputs wurden zu einer anderen Zeit eingeführt und mit der Änderung gab es eine technische Änderung im 2203. wäre aber Zuviel hier im Kommentar. Der 2204 blieb unverändert.

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  4. ” … der einkanalige 4001, auch bekannt als Studio-15 oder Little Fatty. Der erste und einzige Marshall mit 6V6- Endröhren, zwei an der Zahl. Was ihn besonders macht(e), ist das Post-Phase-Inverter-Master- Volume (das Michael Doyle in seinem Marshall- Buch irrtümlich als einen „Attenuator“ bezeichnet).”

    Obiges ist falsch.
    Der Amp hat(te) master-Volume UND einen Attenuator an Bord, die allerdings nix miteinander zu tun haben.

    Am Attenuatorausgang (6,3-mm-Klinkenbuchse, wie Lautsprecher) kann man entweder einen Speaker anschliessen, um sehr leise üben zu können oder auch einen Kopfhörer.
    Ersteres klingt mit angepasstem EQ, letzteres … naja, Geschmackssache.

    Derlei Fehlinformationen zu Little Fatty sind aber leider normal und kein Wunder, denn vom 4001er wurden deutlich weniger als 600 Exemplare gefertigt.
    Also haben die meisten Leute nie einen 4001er gesehen oder gar gespielt, was sie meist nicht hindert, über den Amp zu schreiben und zu reden.
    Dann aber meist Blödsinn.

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    1. Lieber Nick – da hast du tatsächlich recht. Wir haben den Artikel entsprechend angepasst. Danke für dein Adlerauge und Grüße aus der Redaktion.

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  5. 4001, der einzige Marshall mit 6V6 Röhren ist soo nicht ganz richtig. Ein 15 Watt Top (und Combo) namens DSL 15 hatte das auch.

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    1. Der Power-Attenuator war wirklich nicht der Hit. Man hatte halt einen dicken Lastwiderstand (10 Ohm/25 Watt) vor dem Kopfhörerausgang reingknallt.
      Bemerkenswerter ist:
      Balanced Line-out über den Ausgangsübertrager als XLR-Buchse ausgeführt.
      Das Biasing der Endröhren ist einen Mischung aus Kathoden-Bias und Fixed-Bias.
      Es war der erste Combo mit dem Celestion Vintage 30, der angeblich extra für dieses Modell entwickelt wurde.
      Das mit dem Mastervolume ist richtig und ich glaube es war Larry, der die Schaltung verfeinert hatte.
      Ich besitze übrigens das Modell seit 1989. Mit der JCM800 Serie hat er eher wenig gemeinsam.

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