Marshall hatte sich mit der JMD-Serie zum ersten Mal der digitalen Welt geöffnet. Ein spezieller technischer Ansatz, den Softube „Natural Harmonic Technology“ nannte, sollte die dynamischen Prozesse in der Röhrenverstärkung mit erfassen und nachbilden. Das Ansinnen war von Erfolg gekrönt, der JMD50 absolvierte bei uns den Test mit sehr positiven Ergebnissen (Artikel in Ausgabe 04/2010). Inzwischen ist einige Zeit ins Land gegangen, die Technik hat sich weiterentwickelt und heißt jetzt bei Marshall offiziell MST-Modeling ( … klar, nicht? Nach den Initialen der beiden Companys).
Neben unserem Testkandidaten, dem wirklich sehr kleinen und kompakten 1×10″-Combo Code25, ist ein weiteres Modell, der Code50 im Programm, ausgerüstet mit der doppelten Leistung von 50 Watt und einem 12″-Lautsprecher. Davon abgesehen sind die beiden nahezu deckungsgleich bzw. differieren nur in den Abmessungen.
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Viel hilft viel?
Angesichts der höchst opulenten Ausstattung des Code25 muss ich hier erst einmal ein paar Specs runterbeten. Die grundlegende Sound-Formung übernehmen inklusive eines Akustiksimulator-Typs insgesamt 15 Preamp-Models, je fünf in den Sparten Clean, Crunch und Overdrive. Darin vertreten (den Bezeichnungen nach) Klassiker des Marshall-Programms. Eine Auswahl: JTM45, DSL, JVM, Bluesbreaker, Plexi, JCM800, Silver Jubilee. In der Funktionsgruppe „Power Amp“ sind jeweils Resonance und Presence regelbar, wahlweise in den Endstufentypen: Classic Marshall 100 Watt, Vintage Marshall 30 Watt, British Class A, American Class A/B. Ergänzend dazu besteht die Wahl zwischen unterschiedlichen Cabinet-Typen:
1960 Classic 4×12″ Celestion G12-T75.
1960AV 4×12″ Celestion Vintage 30.
1960AX 4×12″ Celestion G12M-25.
1960HW 4×12″ Celestion G12H-30.
1936 Classic 2×12″ Celestion G12-T75.
1936V 2×12″ Celestion Vintage 30.
1912 Classic 1×12″ Celestion G12-B150.
1974CX 1×12″ handwired G12M-20.
Da der Code25 ein komplettes, komplexes Verstärkersetup simuliert/moduliert, sind natürlich auch diverse Effekte am Start. Einerseits in der Pre-FX-/Stompbox-Gruppe (quasi vor dem Amp) vier Typen – Compressor, Distortion, Auto Wah, Pitch Shifter -, hinter dem Amp (quasi im Einschleifweg) weitere 20, sortiert in den Gruppen:
Mod(-ulation): Chorus, Vibrato, Phaser, Vibes, Flanger and Tremolo.
Del(-ay): Studio, Vintage, Multi and Reverse Delays, Tap Tempo.
Rev(-erb): Room Hall, Spring, Stadium. Man kann natürlich nicht alle gleichzeitig nutzen, sondern nur einen aus jeder FX-Gruppe (bzw. zwei Stompboxes).
Wie es sich für diesen Gerätetyp gehört, hat der Code25 einen Tuner und bietet mehrere Anschlüsse, den Line-In zum Einspielen von Playbacks, eine Kopfhörerausgang und USB, um eine direkte Anbindung an DAW-Software zu bekommen, Firmware Updates zu ziehen und über MIDI zu kommunizieren. Außerdem ist es dank einer kostenlosen App (iOS + Android) möglich, den Modeler via Bluetooth vom Handy aus zu steuern.
Typisch für die digitale Modeling-Technik ist, dass die Elektronik herzlich wenig Platz braucht. Die Größe des sauber gearbeiteten Gehäuses (Spanplatten) ist alleine der physikalisch sinnvollen Unter bringung des 10″-Lautsprechers geschuldet. Die Verarbeitung ist einwandfrei. Wenn man überhaupt an der Substanz etwas kritisieren möchte, dann ist es das Fehlen eines Anschlusses für externe Lautsprecher.
Masse und Klasse?
Die Ausstattung mit so vielen Parametern, Modeling-Typen, Effekten usw. suggeriert ein hohes Leistungspotenzial. Diverse Preamps, vier Endstufen, acht Cabinets, schon die Tonformung an sich muss doch ungeheuer flexibel sein?! Im Prinzip ja, lautet die Antwort, doch erzeugen die Parameterschritte über weite Strecken nur geringfügige Nuancen im Sound. Anders ausgedrückt: Wenn wir plakativ voneinander abgegrenzte Sounds haben wollen – also deutlich wahrnehmbare, und ihrer Natur nach sinnvolle – schrumpft die Masse doch um einiges. Gleichermaßen sollte man sich nichts vormachen, was die Titulierung der soundformenden Modeling-Typen angeht.
Schön wäre es ja, wenn man für so kleines Geld „echte“ Abbildungen von Legenden der Verstärkergeschichte in einer kleinen programmierbaren Box kaufen könnte. Aber was selbst erlesenste Modeler wie z. B. das Axe-FX von Fractal Audio zwar schon sehr gut, aber längst nicht perfekt können, darf man vom Code25 schon gar nicht erwarten. Solchermaßen vom hohen Erwartungsdruck befreit, kann sich der Nutzer entspannt zurücklehnen und … sich sehr an dem kleinen Combo freuen. Das ist nämlich die Kehrseite der Medaille.
Die Soundtypen beweisen letztlich viel Kultur, klingen recht markant – durchaus den Vorbildern ähnlich – und bieten in ihrer Gesamtheit einen umfassenden Querschnitt durch die Vielfalt von Verstärkerklängen, von Clean bis Hard und Heavy. Manches davon würde ich mich nicht scheuen bei einer professionellen Produktion einzusetzen. Es gibt aber auch Presets, die in den Höhen überzeichnen und unangenehm klirrig klingen; muss man eben nacheditieren. Gemessen an seiner geringen Größe, produziert der Combo ein ansprechendes Klangvolumen, sogar mit einem Hauch von Bassanteilen. Mit anderen Produkten seiner 1×10″ Bauweise teilt er die Tendenz in den oberen Mitten zuweilen aufdringlich das Ohr „anzuschreien“.
Nur Pluspunkte bringt wiederum die Ansprache. Sie fühlt sich für den Spieler natürlich an und ist erfreulich reaktiv, indem sich provozierte Obertöne leicht umsetzen lassen und der Amp bei den fetteren Distortionsounds im Ausklang gerne in Feedbacks umkippt. Voll des Lobes bin ich eingedenk der Preiskategorie für die FX-Sektionen. Das hat alles Hand und Fuß, bietet beim Hall z. B. eine schöne Auflösung. Einzig der Pitch-Shifter konnte mit seinem unentschlossenen Tracking die Prüfung nicht bestehen.
Der Nutzwert des Combos steigert sich erheblich, weil man ihn problemlos als DAW-Sound-Modul nutzen kann. Auch und gerade in diesem D.I.-Modus punktet seine Sound-Vielfalt und -Qualität. Recording leicht gemacht, auf Knopfdruck kernige Sounds, mit den 100 Presets ist man zunächst reichhaltig und überwiegend geschmackvoll bedient. Wer flexibel mit dem Combo arbeiten möchte, kann das optionale Schaltpedal PEDL-91009 erwerben (UVP ca. € 72), das mit vier Fußtastern und einem Display flexibel benutzt werden kann, zum Abruf von Presets, Tap-Delay-Eingaben, oder Statusänderungen in den FX-Sektionen. Damit ist der Code25 grundsätzlich perfekt für den Live-Einsatz gerüstet.
Doch Vorsicht, seine 25 Watt sind nicht besonders laut, mit einer beherzt zulangenden Rhythm-Section hat man mit ihm kaum eine Chance. Zusätzliches Monitoring müsste zur Verfügung stehen. Als Nachteil fiel in dem Zusammenhang auf, dass dem Code25 ein Anschluss für externe Cabinets fehlt – ich hab‘s probiert, es macht viel her, ihn an eine größere Box anzuschließen. Könnte man allerdings problemlos nachrüsten, Platz ist drinnen im Gehäuse bzw. an der angeschraubten Rückwand genug.
Alternativen
In der hier relevanten Preisregion sind zwei Produkte eine qualitativ vergleichbare Option. Der VT40X von Vox und Blackstars ID:Core 40.
Resümee
Ein Mini mit Maxi-Leistung. Der Code25 ist sehr reichhaltig ausgestattet und bietet einen hohen Gebrauchswert, dank relativ kultivierter Sound-Vielfalt, hochwertiger Effekte und einer Allrounder-Ausstattung. Prädikat empfehlenswert Und der Preis? Keine Frage, der steht klar im grünen Bereich.
Plus
Sound, Variabilität
Dynamik u. Transparenz, recht ordentliches Durchsetzungsvermögen
Zerrverhalten harmonisch
befriedigende Darstellung der Instrumentendetails
Ausstattung, Allroundtalent
Verarbeitung, Qualität der Bauteile
Minus
kein Ext-Speaker-Anschluss
Hinweise zu den Soundfiles
Für die Aufnahmen kamen zwei Mikrofone mit Großflächenmembran zum Einsatz, ein AM11 mit von Groove-Tubes/Alesis und ein C414 von AKG, nahe vor einem der beiden Speaker des Code25 platziert.
Die Clips wurden pur, ohne Kompressor o. jegliche EQ-Bearbeitung über das Audio-Interface Pro-24DSP von Focusrite in Logic Pro eingespielt
Den Ton liefert eine Fender-CS-Relic-Strat-1956 am Steg auf-/umgerüstet mit einem Seymour Duncan-JB-Humbucker im SC-Format.
Nachfolgend sind Sequenzen zu hören, in denen jeweils mehrere Presets des Code25 aufeinander folgen; 40 an der Zahl, eine Auswahl aus den 100 Factory-Presets.
Manche klingen in den Höhen und/oder in den oberen Mitten etwas anstrengend, speziell wenn High-Gain-Distortion am Start ist. Damit sollte man aus zwei Gründen nicht hadern: 1. Der Code25 kostet nur ca. 280 Euro im Handel, 2. Im Kontext eines Playbacks verspielen sich solche Klanganteile bzw. machen sich unter Umständen sogar mit Durchsetzungskraft positiv bemerkbar. Außerdem kann man ja jederzeit in das Klanggeschehen eingreifen und das betreffende Preset geändert abspeichern.
Clip #09 präsentiert mein Referenz-Riff“ (RefRiff), das ich mit jedem Test-Amp/-Distortion-Pedal einspiele, damit man den Charakter (die Verzerrungen selbst sind hier gemeint) der von uns getesteten Produkte quasi auf einer neutralen Ebene vergleichen kann.
Ich wünsche viel Vergnügen, und…, wenn möglich, bitte laut anhören, über Boxen, nicht Kopfhörer! ;-).
Fragen, Anregungen und ja, auch Kritik sind wie stets willkommen. Nachrichten bitte an frag.ebo@gitarrebass.de. Es klappt nicht immer, aber ich werde mich bemühen möglichst kurzfristig zu antworten.
Ich bin ziemlicher Anfänger, spiele eigentlich nur für mich. Ich will ein Gerät mit dem ich möglichst variabel in den Klängen bin, aber nicht die 1000e elektronische Verzerrung. Es soll halt mal in die Richtung Purple Rain, mal funky, hazey, rockig oder country klingen. Auf herben Metallsound wird es kaum hinauslaufen
Im Idealfall will ich den Verstärker auch zum Musikhören als Lautsprecher verwenden.
Hallo!
Ich bin ziemlicher Anfänger, spiele eigentlich nur für mich. Ich will ein Gerät mit dem ich möglichst variabel in den Klängen bin, aber nicht die 1000e elektronische Verzerrung. Es soll halt mal in die Richtung Purple Rain, mal funky, hazey, rockig oder country klingen. Auf herben Metallsound wird es kaum hinauslaufen
Im Idealfall will ich den Verstärker auch zum Musikhören als Lautsprecher verwenden.
Interessant finde ich
Vox vt40x
Marshall Code25
Fender Mustang LT25
Wer kann mir einen empfehlen?
Danke vorab
Michael