Die Perlen des Gebrauchtmarkts

Kleinanzeigen Heroes: Rogue RK600 Rickenbacker-Kopie

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Günstige Arbeitstiere, unterschätzte Underdogs, übersehene Youngtimer und vergessene Exoten: In den „Kleinanzeigen Heroes“ stellen wir euch die Geheimtipps des Gebrauchtmarkts vor, die einen maximalen „Bang for the buck“ liefern.

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(Bild: Bernd C. Meiser)

Rogue RK600

Rickenbacker-Instrumente haben einen exzellenten Ruf. Und einen exzellenten Klang. Kein Wunder, dass es da Nachahmer gibt …

Das Image des amerikanischen Herstellers prägten bekanntermaßen die 12-saitigen Modelle wie 330/12 oder 360/12, die ihren glockengleichen Sound fest in der Geschichte der Rock- und Popmusik verankern konnten und in den Händen von Sixties-Helden wie Roger McGuinn (Byrds), George Harrison (Beatles), Paul Kantner (Jefferson Airplane) und später Tom Petty und Mike Campbell von den Heartbreakers ganze Generationen von Musikern verzückten.

Im Schatten der 12-Saitigen konnten sich aber auch die 6-saitigen Modelle des Herstellers eine solide Fanbase aufbauen. Ihr transparenter (Rhythmus-)Sound und damit eine systemimmanente Abgrenzung von bestimmten musikalischen Genres sprach besonders die Gitarristen von The Who, The Jam, R.E.M. und andere an, die eben mit typischem Jazz, Blues, Rock oder Hardrock nichts zu tun haben wollten. Gitarrensoli und typisch zerrende Sounds waren hier wirklich kein wichtiges Thema.

COPY CATS

Vor allem aus China kommen die Rickenbacker-Kopien von heute. DelRey, Career, Johnson, Farley, Rocktile und Harley Benton sind einige der Marken, die bei uns im Zeichen des Rick-Sounds mehr oder weniger gekonnt unterwegs sind. Einen gewichtigen, wenn auch kurzlebigen Beitrag zu diesem Thema leistete vor ca. 20 Jahren die Marke Rogue.

Die Hausmarke des großen, amerikanischen Händlers Musician’s Friend flutete den Markt mit in Fernost produzierten Billigkopien bekannter Gitarren-Designs. Darunter waren auch drei schicke Rickenbacker-Versionen – die RK-600 und RK-1200 kopierten die 330/6 und 330/12, während die RK-550 der 325, also dem John-Lennon-Modell, nacheiferte.

Dass diese Rogue-Ricks heute kaum in Kleinanzeigen- und Auktions-Portalen zu sehen sind, liegt daran, dass nicht so viele davon verkauft wurden, wie es Musician’s Friend gerne gesehen hätte. Denn aufgrund offensichtlicher Verletzungen des Copyrights bei der Gestaltung der Kopfplatte erwirkte Rickenbacker, dass Rogue-Kopien, kaum waren sie aufgetaucht, wieder aus dem Verkehr gezogen werden mussten. Endlich mal ein echter Lawsuit!

ZWEIMAL HINSCHAUEN

Eine Rogue-Rick wird auf den ersten Blick oft nicht mal als Rogue-Modell identifiziert! Denn die meisten Besitzer haben ihren Gitarren ein originales Rickenbacker-Trussrod-Cover spendiert und auch oft den kitschigen Saitenhalter durch eine formschönere Ausführung oder gar gegen das teure Original ersetzt. Dank der guten, originalen Farbgebung sieht eine derart aufgehübschte Rogue tatsächlich auf den ersten Blick wie das amerikanische Original aus.

Deutlich sichtbar, dass bei der Rogue, eine Decke aufgeleimt ist. (Bild: Wilfried Fröhlich)

Der zweite Blick offenbart jedoch die Wahrheit, wie z.B. eine völlig unterschiedliche Bauweise. Beim Original verläuft ein durchgehender, mehrstreifiger Hals durch den Korpus, in den von hinten (!) große Hohlräume ausgefräst sind und der von einer dünnen Bodenplatte verschlossen ist. Die Konstruktion einer Rogue-Rick entspricht jedoch jeder hundsgewöhnlichen „chambered“ E-Gitarre mit einem in den Body eingeleimten Hals und Fräsungen für Hohlräume, die von oben erfolgt und mit einer Decke verschlossen sind.

NEUE PICKUPS?

Will man also seine Rogue-Rick so nahe wie möglich an das Original heranführen, führt kein Weg daran vorbei, sich um die Pickups zu kümmern. Denn die Konstruktion lässt sich ja nicht grundsätzlich verändern. Dem Original verleihen die hauseigenen Toaster ihren typischen, ikonischen Sound – und da der Markt mittlerweile gute Replacement-Pickups hergibt, scheint die Sache einfach: Ordern und einbauen!

Aber: Pickups in den Originalmaßen passen leider nicht in die Rogue-Rick. Denn zum Einen verlaufen die Saiten aufgrund der Konstruktion relativ flach über den Korpus, zum Anderen sind die originalen (und damit auch die Austausch-Pickups) etwas höher gebaut. Was bedeutet, dass ab einer bestimmten Lage die Saiten auf dem Gehäuse aufliegen. Pling-pling statt Jingle-Jangle. Wie gut, dass es Menschen gibt, denen auch für solch eine verzwickte Situation praktikable Lösungen einfallen. In dem Fall der Rogue-Gitarre können z.B. die vorhandenen Pickups so modifiziert werden, dass sie klanglich verdammt nah an das Original heranreichen.

(Ohne jetzt alle Rickenbacker-Kopien auf dem Werktisch gehabt zu haben, ist aber zu vermuten, dass die technischen Voraussetzungen wie Bauweise der Gitarre und Konstruktion der Pickups bei den meisten von ihnen genauso gegeben sind, wie bei den Rogue-Instrumenten.)

IM ZEICHEN DES TOASTER

In dem Blechgehäuse des Rogue-Toaster-Pickups, etwa 3 mm flacher als ein Rickenbacker Toaster, steckt eine auf einen rechteckigen Spulenkörper gewickelte Spule. In dieser befindet sich ein konturierter sogenannter Polkamm aus Eisen, unter dem ein Ferrit-Magnet wirkt. Die Unterseite des Pickup-Gehäuses verbirgt eine großzügige, rechteckige Aussparung, die sich noch sehr dienlich für unsere Modifikation erweisen wird.

Spulenkörper und Polkamm des Rogue-Pickups
Rückseite des Rogue-Pickups mit dem querliegenden Ferrit-Magneten

Da die Spule des Rogue-Pickups ähnliche Daten wie ein alter Rickenbacker Toaster aufweist (Wickeldraht in 44-AWG-Stärke, Gleichstrom-Widerstand von 7,7 kOhm), verspricht eine Umrüstung auf sechs einzelne, 1/4“ dicke Zylinder-AlNiCo-Magnete eine maximale Annäherung an den gesuchten, authentischen Soundcharakter.

Der modifizierte Rogue, noch ohne Gehäuse – ein blankes und ein bestücktes Flatwork
Umgebauter Rogue-Pickup von oben, noch ohne Gehäuse
Die Rückansicht mit ihren sechs Zylindermagneten

Der Umbau stellt sich wie folgt dar:

  1. Zuerst muss der bewickelte Spulenkörper samt Anschlusskabel sorgsam von dem angeklebten Ferritmagneten und dem Metallkamm getrennt werden.
  2. Ein passendes „Flatwork“ zum Tragen der Zylindermagnete muss angefertigt werden, z.B. aus Holz-, Kunststoff- oder Vulkanfiber-Platten in 2 mm Stärke, die auf die Innenmaße der Toaster-Kappen abgestimmt werden.
  3. In diese Platte sind achsensymmetrisch sechs Bohrungen von jeweils 6 mm einzulassen – am besten korrespondierend mit dem Saiten-Spacing der Gitarre.
  4. Die sechs Löcher dann mittels einer Rundfeile etwas auffeilen, gerade so weit, dass die 1/4“ (= 6,35 mm) starken Zylindermagnete stramm eingepasst werden können. Hier bitte auf die gleiche Polung aller Magnete achten.
  5. Die Magnete sollten bündig mit der Oberkante des Spulenkörpers abschließen. Eventuell vorhandene kleine Spalte zwischen Spulen-Innenseite und Magneten mit dünnem Holzfurnier oder Ähnlichem verkeilen.
  6. Jetzt das Toaster-Gehäuse wieder mit der Pickup-Bodenplatte zusammenschrauben – fertig!
  7. Wer will, kann die neuen Rick-Style-Pickups noch mit Wachs vergießen, um so Feedback zu unterdrücken.
  8. Da die Zylinder-Magnete nun, wie auch beim Original, unten etwas aus dem Gehäuse herausragen, muss nun nur noch an der Steg-Position eine kleine, längliche Fräsung in die Decke geschnitten werden. Für den Hals-Pickup kommt die bereits vorhandene Fräsung jedoch wie gerufen.
Der Steg-Pickup der Rogue liegt direkt auf dem Body auf. Für die Zylindermagnete des modifizierten Pickups muss hier ein kleines Loch geschnitten werden. (Bild: Wilfried Fröhlich)

Die benötigten AlNiCo5- Zylindermagnete mit den Maßen 1/4“ x 3/4“ (6,35 x 19mm) bekommt man bei jedem Pickup-Hersteller, ebenso das Vulkanfiber-Rohmaterial zum Anfertigen des Flatwork. Ansonsten bieten auch gut sortierte Einzelhändler wie Rockinger, Trashcontainer, Mojotone und andere diverse Pickup-Einzelteile an.

Wir empfehlen im Übrigen, die Schaltung der Rogue beizubehalten und nicht dem Original anzugleichen. Denn dessen aufwendige Verdrahtung mit Master-Volume- und Blend-Regler bedämpft elektrisch die Signalqualität wesentlich stärker als das einfache Les-Paul-artige Wiring, mit dem die Rogue kommt.


PREISE

Gute Frage – denn ich habe tatsächlich noch nie eine Rogue RK-600 oder RK-1200 angeboten gesehen. Die Neupreise von chinesischen Rickenbacker-Kopien liegen um die 200 Euro. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass die Preise bei Modellen, die wie die Rogue-Ricks noch in Korea gebaut wurden, deutlich anziehen und manchmal schon an die 500-Euro-Grenze heranreichen. Wer eine Rogue-Rickenbacker-Kopie unter 400 Euro sieht, kann sie guten Gewissens kaufen. Denn spätestens nach der Modifikation der Pickups ist man auf dem richtigen Weg ins gelobte Jingle-Jangle-Land.


(erschienen in Gitarre & Bass 01/2022)

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