Günstige Arbeitstiere, unterschätzte Underdogs, übersehene Youngtimer und vergessene Exoten: In den „Kleinanzeigen Heroes“ stellen wir euch die Geheimtipps des Gebrauchtmarkts vor, die einen maximalen „Bang for the buck“ liefern.
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(Bild: Heinz Rebellius)
Parker PM-24V
Diese Gitarre ist vielleicht das beste Schnäppchen, das mir je untergekommen ist. So dachte ich. Eine Gitarre, die so viel kann und für nur eine Handvoll Dollar zu haben ist … da musste ich doch zuschlagen …
Nur um dann später festzustellen, dass diese Gitarren tatsächlich für ziemlich kleines Geld gehandelt werden. Eigentlich kaum zu verstehen. Oder doch? Der Versuch einer Erklärung …
ERST KULT, DANN KONZERN
Ken Parker und sein Kumpel Larry Fishman tauchten 1993 mit der Parker Fly wie aus dem Nichts auf dem Markt auf. Diese Gitarre sah endlich einmal nicht wie ein Derivat einer Fender oder Gibson aus, sondern beeindruckte mit einem völlig eigenständigen Design. Futuristisch, gewagt, federleicht und höchst funktional erschien damals mit der Fly ein neuer Stern am Himmel und versprach den Traditionsgeplagten einen Aufbruch in bessere Zeiten. Das neuartige Material-Management aus leichten Hölzern wie Pappel, Linde oder Fichte, das mit Verbund-Kunststoffen ummantelt wurde, und das komplexe Pickup-System aus zwei magnetischen Humbuckern und in die Saitenreiter eingelassenen Piezo-Elementen waren die vielleicht wichtigsten Faktoren dieser neuen Gitarre, die außerordentlich gut funktionierte und klang. Parker Guitars wurde damit so erfolgreich, dass Ken Parker 2003 die Reißleine zog, seinen Firmennamen und die Patente an den Chicagoer Konzern USM (US Music Corps) verkaufte, um sich fortan als One-Man-Show nur noch dem Bau hochwertiger Archtop-Gitarren zu widmen.
VON USA NACH FERNOST
USM und sein CEO Rudy Schlacher ging das Parker-Projekt mit Stolz und Begeisterung an, wie ich selbst im Jahr 2008 bei einem Besuch des Unternehmens in Chicago feststellen konnte. Die Firma, die zu dem Zeitpunkt z.B. auch Marken wie Randall, Eden Bass Amplification, Oscar Schmidt und – als Schwerpunkt – Washburn im Programm hatte, tat alles, um dem guten Ruf der Marke gerecht zu werden. Das Fly-Konzept, das eine sehr aufwendige Herstellung verlangt, wurde z.B. direkt in Chicago neben dem Washburn Custom Shop in der Art umgesetzt, wie Ken Parker es ihnen gezeigt hatte.
Doch man wäre nicht Konzern, wenn man eine Marke nur verwalten würde. USM walzte das Fly-Konzept vielfältig aus – Instrumente mit Schraubhals und aus normalen Hölzern wurden gebaut, mit Vibrato, ohne Vibrato – alles, was geht, wurde ins Fly-Konzept transferiert. Und mit der Herstellung dieser nun einfacher zu bauenden Gitarren ging man natürlich nach Fernost.
USM verwässerte als nächsten Schritt das Parker-Image durch Gitarren mit bekannten Korpus-Designs und anderen Details aus den Fender- und Gibson-Lagern, und der Höhepunkt dieser Entwicklung wurde 2008 ausgerechnet mit der PM-24V erreicht, unserer Kleinanzeigen-Heldin von heute. Denn reckt nicht einmal mehr die signifikante Parker-Kopfplatte in den Wind, sondern man muss mit einem langweiligen 3/3-Design vorlieb nehmen. Zur Strafe (?) wurde USM 2009 von dem Konzern Jam Industries geschluckt, der 2016 dann die Marke Parker vorerst auf Eis legte.
DAS HOHELIED
In der historischen Einordnung kommt die PM-24V jedoch viel zu schlecht weg. Das Parker-Erbe, das für Progressivität und Innovation steht, ist eine Bürde, die im Mainstream einfach keinen Platz findet. Deshalb macht die auf Mainstream getrimmte PM-24V mit dem Wissen um das Parker-Image erst einen leicht unterbelichteten, weil so schrecklich normalen Eindruck. Aber mal ehrlich – wäre dies nicht so, dann hätte sie mich auch nicht 450 Euro gekostet!
Und für das Geld hat sie ‘ne Menge zu bieten – zum Teil auch Parker-Elemente:
aufwendig konturierter Mahagoni-Korpus
Mahagoni-Hals, Ebenholz-Griffbrett mit Edelstahlbünden
verleimte Hals-/Korpusverbindung
Graphitsattel
gutes Vibratosystem mit Fishman-Piezo-Elementen
aktive Elektronik mit Blend-Funktion
wahlweise Mono- oder Stereo-Betrieb
Original-Gigbag
Außerdem hatte der Vorbesitzer netterweise die Originaldurch Sperzel-Locking-Mechaniken und die nicht gerade beliebten Parker Stinger-Pickups durch gute DiMarzio-Humbucker ersetzt. Dankeschön!
Die PM-24V ist eine rundum gelungene Gitarre mit sehr guter Verarbeitung, die gut in der Hand und am Körper anliegt. Die klangliche Ausbeute ist enorm, insbesondere der Piezo-Tonabnehmer klingt für meine Ohren geradezu sensationell. Man kann sein Signal getrennt herausführen und z.B. zu einem Akustik-Amp leiten. An einem normalen E-Gitarren-Amp stellen die Piezos zudem eine vollwertige, fast schon nach Fender klingende Alternative zu den beiden Humbuckern dar und ermöglichen natürlich komplett eigenständige Sounds, wenn man beide Pickup-Welten mischt. Mein Resümee ist eindeutig: Selbst für den doppelten Preis wäre diese tolle Parker-Gitarre noch unterbezahlt!
Insofern: USM, du hast alles richtig gemacht. Und: Augen auf nach Fernost-Gitarren von Parker! Denn da steht nicht nur Parker drauf, da ist auch Parker drin – wenn auch nur als Spurenelemente.