von Heinz Rebellius, Technischer Support: Bernd C. Meiser, Artikel aus dem Archiv
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Günstige Arbeitstiere, unterschätzte Underdogs, übersehene Youngtimer und vergessene Exoten: In den „Kleinanzeigen Heroes“ stellen wir euch die Geheimtipps des Gebrauchtmarkts vor, die einen maximalen „Bang for the buck“ liefern.
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(Bild: Ibanez)
Wie tief kann ein Effektpedal unter dem Radar der Öffentlichkeit eigentlich fliegen? Eine kompetente Antwort könnte da das Ibanez JD9 geben, denn es verkörpert die Disziplin des Tieffliegens nahezu perfekt, obwohl es laut Namensgebung doch zur Gattung der Jets gehört …
Im Internet finden sich kaum verwertbare Informationen rund um das Jet-Driver-Pedal, das Ibanez nur zwischen 2011 und 2016 als Teil der „9 Series“ anbot. Damals gab es neben nicht weniger als fünf verschiedenen Tube Screamer (TS9, TS9B, TS9DX, TS808 und TS808HW) nur fünf andere Pedale: CS9 Stereo Chorus, FL9 Flanger, AD9 Analog Delay, BB9 Booster und eben das JD9 Jet Driver.
Dass trotzdem das JD9 öffentlich und auch von der Fachpresse als bloßes Tube-Screamer-Derivat gehandelt wird, ist in dem geschilderten Zusammenhang schon verwunderlich, deckt doch die vorhandene Tube-Screamer-Palette eigentlich alles ab, was man zu dem Thema ausdrücken will.
Wer sich jedoch einmal intensiv und mit kundigem Auge in die Schaltung des JD9 vertieft, der wird erkennen, dass dieses Pedal wie kaum ein anderes Mainstream-Pedal verborgene Fähigkeiten und Geheimnisse in sich birgt, über die wir nun erstmals exklusiv berichten.
TS FROM HELL ODER KING OF TONE?
In Foren wird also gerne kolportiert, dass das JD9 nur eine heißere Version des TS9 sei, ein „Tube Screamer from Hell!“ Was für ein Irrtum! Wobei: Ibanez selbst hat diese Fehlannahme befeuert, indem sie dem JD9 zwar eine neue Schaltung spendiert hatten, in der aber der Tube-Screamer-typische Bass-Cut bei rund 720 Hz beibehalten wurde. Kein Wunder, dass das Pedal-Volk hier einen verkappten Tube Screamer mit HiGain-Potential heraushörte. Dabei kann das JD9 dank dieser neuen Schaltung viel mehr!
Hören wir an dieser Stelle einmal Bernd Meiser zu: „Im JD9 erzeugt eine sogenannte invertierende OP-Amp-Beschaltung den Overdrive-Effekt. Im TS9 und seinen 1001 Derivaten hingegen wird eine nichtinvertierende OP-Beschaltung benutzt, auch ‚Elektrometer‘- Beschaltung genannt. Hier erfolgt keine Kompression im Sinne einer Signalbegrenzung wie z. B. bei einer übersteuerten Röhrenendstufe (siehe die rote Kurve in Abb.1), obgleich gerade dieses Klangverhalten dem TS9 häufig attestiert wird.
Deutlich genauer geht da das JD9 die Endstufensättigungs-Simulation an (siehe die blaue Kurve in Abb.1) und steht damit in einer Reihe mit solch illustren Pedalen wie z. B. dem Xotic RC Booster, dem Marshall Bluesbreaker oder dem Analogman King of Tone. Nicht die schlechtesten Referenzen …
Die invertierende OP-Beschaltung des JD9 ist der des TS9 in Sachen Endstufensättigung-Simulation tatsächlich weit überlegen, da hier die reine Nichtlinearität der Dioden in der Übertragungsfunktion zum Tragen kommt. Die Überlegenheit dieser Schaltung hätte allerdings nur dann voll ausgeschöpft werden können, hätte man nicht weiterhin auf eine gewöhnliche Si-Diode gesetzt. Diese Si-Diode wurde ab ca. 1970 benutzt, um eine Übersteuerung zu simulieren – wie z. B. im beliebten MXR Distortion+.
Das funktionierte ordentlich, und diese Si-Dioden waren klein, robust und preiswert. Und wenn etwas ordentlich funktioniert und der generierte Sound akzeptiert wird, benutzt man dies bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Nur einige wenige neugierige Freaks experimentierten mit anderen Bauteilen, aber man fand nichts wirklich Besseres … mit der Ausnahme der eher selten benutzten Z-Diode im Durchbruch-Bereich. Die liefert eher Bescheidenes, wenn sie in einen TS-Schaltkreis eingebaut wird, wird aber zum Überflieger in einem invertierenden OP-Schaltkreis.
Aber nicht jedem Techniker erschließen sich die unterbeleuchteten Eigenschaften dieser Schaltung und ihre tolle Kennlinie – man muss schon wie ein Gitarrist denken oder besser noch selbst Gitarrist sein, um die Qualitäten eines solch verrundeten Break-down-Bereichs z. B. für eine gelungene Endstufen-Simulation zu erkennen. Nach wie vor gibt es nur sehr wenige Pedale, die mit Z-Dioden in der Gegenkopplung einer invertierenden Schaltung arbeiten.
Diese sind dann aber meist mit zusätzlichen Filter-Funktionen überbordet, sodass diesem feinen Effekt die Luft zum Atmen genommen wird. Das Tech21 Blonde ist z. B. eins von ganz wenigen Drive-Pedalen, in denen Z-Dioden verarbeitet sind, denen die Luft zum Atmen gelassen wurde.
JET = ÜBERFLIEGER
Diese Z-Diode hat also das Zeug, zum Überflieger in einem invertierenden-OP-Schaltkreis wie dem des JD9 zu werden. Mit einer richtigen Filter-Konfiguration von C5` und angepasstem Tone-Filter wird aus dem JD9 eine richtig gute Sound-Maschine, die genau das in Endstufensättigungs-Simulation leistet, was man dem TS9 gerne andichtet.
Wenn man die Übergangsverrundung der Z-Diode einmal näher betrachtet (siehe die grüne Kurve in Abb.1), ist offensichtlich, dass diese sich nicht nur von dem verrundeten Knick der (in Flussrichtung gepolten) üblichen Si-Diode deutlich unterscheidet, sondern von allen hier aufgezählten Kennlinien am besten zur Charakteristik einer übersteuerten Röhrenendstufe passt! Es ist unerklärlich, warum kaum Hersteller die positiven Merkmale der Z-Diode in einer invertierenden OP-Beschaltung nutzen.
Aber gut – was Ibanez damals nicht einfiel, können wir heute beim JD9 einfach selbst in die Tat umsetzen.
DO THE MOD
Vorab: Die beschriebenen Mods sind relativ leicht machbar, denn das JD9 hat ein gut zu bearbeitendes „Leiterbahnen“-Layout an Bord!
Will man bei 9V-Geräten gute Ergebnisse, muss man mit sehr kleinen Z-Spannungen arbeiten, wie z. B. 2,4V, 500mW. Weiterhin sollten als OPs angesichts der 9V-Spannung sogenannte ‚rail-to-rail‘- Typen Anwendung finden. Nach dem Auslöten der beiden antiparallelen Si-Dioden aus der Overdrive-Sektion des JD9 (IC1_A, siehe Abb.2) werden an deren Stelle zwei Z-Dioden antiseriell (!) ausgerichtet eingelötet.
Damit generiert man ein feines, etwa 3V hohes Ausgangssignal. Will man die restliche Schaltung des JD9 unverändert weiter nutzen, muss dieses Signal um etwa den Faktor 6 abgeschwächt werden. Dazu eignet sich ein Umbau des Werks-Tiefpasses (R8 + C5), der neben dem gewünschten Frequenzgang gleichzeitig auch die benötigte Abschwächung generiert. Das originale Filter zwischen den Punkten A und B wird durch das neue Filter zwischen den Punkten A` und B` ersetzt. Das C5` kann vom Startwert 220nF nach Bedarf verkleinert werden; 100nF bis 68nF ist fein. So wird die ab Werk installierte Grenzfrequenz (720Hz) erhöht und damit der Jet Driver von seinem mittig-nasalen TS9-Grundton befreit. Eine Gain-Feinabstimmung lässt sich zudem über R9 (27kOhm) in der Gegenkopplung von IC2_A einstellen.
Fazit: Die damals neue Schaltung des JD9 Jet Driver bietet ab Werk zwar nicht die optimale Diode, dafür aber jede Menge Mod-Potenzial, das diesem Pedal ermöglicht, eine in die Sättigung getriebene Endstufe hervorragend zu simulieren!“
Noch ein Wort zu der Grafik in Abb.1: Um eine vergleichende Darstellung zu erreichen, hat Bernd Meiser die grüne JD9-Übertragungs-Kennlinie mit Z-Diode mathematisch so bearbeitet, dass diese optisch mit den beiden anderen Graphen in deren Arbeitsgebiet zum Liegen kommt; die Z-Kennlinie hat normalerweise 3V Peak.
INFOS & PREISE
JD9 Jet Driver, vermutlich noch in Japan gefertigt, werden zwischen 200 und 350 Euro angeboten und liegen wie Blei in den Portalen, während man spätere chinesische bereits für rund 50 Euro bekommen kann. Diese vergleichsweise geringe Investition lohnt sich, insbesondere dann, wenn man dem Pedal die beschriebene Modifikation angedeihen lässt. Damit der Jet nun endlich zum Überflieger werden kann!