Die Perlen des Gebrauchtmarkts

Kleinanzeigen Heroes: Hartke HA 3500

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Günstige Arbeitstiere, unterschätzte Underdogs, übersehene Youngtimer und vergessene Exoten: In den „Kleinanzeigen Heroes“ stellen wir euch die Geheimtipps des Gebrauchtmarkts vor, die einen maximalen „Bang for the buck“ liefern.

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Gelernt hat Larry Hartke in den frühen 70ern bei einer HiFi-Firma, bei der mit unterschiedlichen Lautsprechermaterialien gearbeitet wurde. In Eigenregie produzierte er später Studiomonitore und HiFi-Boxen mit Aluminium-Speakern. Die hörte Jaco Pastorius, der sich fragte, wie das wohl in einer Bassbox klingen würde. Also machte sich Larry 1984 daran, Lautsprecher für eine Ampeg 8×10 aus Jacos Beständen zu fertigen – die erste Hartke Bassbox war geboren.

Larrys Kompagnon und Highschool-Freund Ron Lorman, mit dem zusammen er um 1980 Hartke Systems gegründet hatte, war zu dieser Zeit Mischer für Miles Davis, live und im Studio, und außerdem Stage Manager und Mischer im New Yorker Bottom Line Club. Das war nicht nur Jacos „Wohnzimmer“, sondern auch ein allgemein sehr beliebter kleiner Club in der Jazz-, Rock-, und Pop-Szene. Wenn sie nicht gerade mit Jaco in anderen Clubs unterwegs war, stand die bislang einzige Hartke-Box dort auf der Bühne und löste ob ihrer schnellen, klaren Ansprache Begeisterung aus.

Aus Gründen besserer Transportabilität baute Hartke die nächsten Boxen als 4x10er, die bald von geschlossen auf Bassreflex umgestellt wurden, um tiefere Bässe zu ermöglichen. Als Jaco auf diese umstieg, war der Prototyp für andere frei und wurde unter anderem verliehen für mehrere Miles-Davis-Touren, sowohl mit Marcus Miller als auch mit Darryl Jones, oder an Garry Tallent für Tourneen mit Springsteens E Street Band.

Zusammen mit Jacos Enthusiasmus für das Konzept verbreitete sich die Kunde auf diese Weise rapide per Mundpropaganda, und die Bestellungen ließen nicht lange auf sich warten. Als Jaco Endorser für die neuen Guild-Pilot-Bässe wurde, schwärmte er den Guild-Leuten solange von seiner neuen Box vor, bis sie Hartke kontaktierten und einen Vertriebsdeal abschlossen. Fortan wurden die Boxen unter Guild/Hartke verkauft, bis Hartke zu Samsontech wechselte, wo sie bis heute zugehörig sind.

LANGLEBIGES DESIGN

Hatte Hartke anfänglich AMP-Verstärker zu den Boxen empfohlen, entstand Anfang der 90er ein eigenes Topteil, das bis heute fast unverändert auf dem Markt ist: das HA 3500 Top.

Der Amp bietet drei Möglichkeiten, den Klang zu beeinflussen. Am offensichtlichsten ist der graphische 10-Band-Equalizer in der Mitte der Frontplatte. Der nimmt von tiefen 30 Hz anfangend ungefähr in Oktaven ansteigend so ziemlich alle wichtigen Frequenzen aufs Korn und kann per Druckschalter zu- oder weggeschaltet werden. Ist er aktiv, leuchten LEDs in der Mitte jedes Faderknopfes. So hat man auch auf dunklen Bühnen immer den Überblick über die eingestellte Kurve, und zugleich sieht man sofort, dass da ein Hartke steht – vermutlich von der Trace Elliot UV-Röhre inspiriert.

Die folgenden mit „Contour“ beschrifteten Low-Pass- und High-Pass-Regler greifen breitbandig auf Punch und Luftigkeit zu. Die erste Abstimmung ergibt sich aber schon aus der Wahl des Gain-Reglers, denn davon gibt es zwei. Der eine verstärkt über Transistoren, der andere soll einen Röhren-Amp simulieren, und nutzt dazu auch eine Vorstufenröhre. Beide kommen mit unterschiedlichem Charakter: Die Transistorseite ist ziemlich mittig, während die Röhre bullig gescoopt ist. Beide lassen sich beliebig mischen und geben so schon etliche Variationen her, noch bevor man die anderen Regler angefasst hat.

VARIANTEN

Der Kompressor, der bei Linksanschlag aus ist, hat eine ordentliche Bandbreite von unauffällig über deutlich wahrnehmbaren, fetzigen Squash bis zum harten Limiting. Auf der Rückseite zeigt sich das Alter: Klinkenbuchsen für die Speaker sieht man kaum noch. Praktisch ist der parallele Effektweg, dessen Effektanteil über den Balanceregler zugemischt wird, während der Lüfter ziemlich oldschoolig laut ist. Das ist der Verstärker dafür aber auch und macht ordentlich Druck!

Wie das genau klingt, hängt auch davon ab, wie alt der 3500 ist. Die alte Mosfet-Variante klingt von der Endstufe her etwas fetter, während die modernere nüchterner ist, aber als klarer und etwas lauter wahrgenommen wird. Großartig rätseln, welcher welcher ist, muss man nicht: Die alten haben MOSFET in der Modellbezeichnung auf der Front. Das Gehäuse hat sich über die Jahre immer wieder leicht gewandelt. Die ersten Amps hatten feste Rackohren, es gibt ihn mit abnehmbaren Rackwinkeln, mit Riemengriff an der Seite, mit Plastikschutzkanten, und eine Zeit lang mit silberner Front im Holzgehäuse – ohne Aufpreis, dafür mit viel Luft im Kasten.

Für die Hartkes gilt, wie für alle Gebraucht-Amps: kratzen die Potis? Läuft der Amp sauber? Sollte ein Fader versagen, gibt es ihn als Ersatzteil nachzukaufen, samt LED. Den Lüfter erwähnte ich ja schon, für Zuhause ist der 3500 so nix. Wer den zähmen möchte findet Anleitungen und Alternativen im Netz. Die Röhre geht selten kaputt, hier lohnt es sich aber, mit unterschiedlichen Ausführungen zu experimentieren.

PREISE

Das beste am Hartke 3500 ist, dass er leicht verfügbar ist und für kleines Geld über den Tisch geht. Mehr als 200 Euro muss man eigentlich nie ausgeben, manchmal sogar deutlich weniger. Egal ob aus koreanischer oder chinesischer Produktion, der Hartke liefert immer noch viel „bang for the buck“ für Proberaum oder Bühne – mir ist kein anderer Amp bekannt, der über dreißig Jahre im Programm ist, das spricht schon für sich!

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2021)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ich habe zwei Hartke HA 3500 und betreibe damit eine 4×10″ und eine 15″ Box mit unterschiedlichen EQ Einstellungen.

    Die Lüfter habe ich auf Silence-Lüfter aus dem Computerzubehör ausgetauscht. Nun hört man wirklich nichts mehr…, gibt es Einbauempfehlung im Internet.

    Die HAś machen ordetlci Druck, mehr als die schwachbrüstigen Class-A-Miniverstärker mit 500W…!

    Absolute Kaufempfehlung

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