Günstige Arbeitstiere, unterschätzte Underdogs, übersehene Youngtimer und vergessene Exoten: In den „Kleinanzeigen Heroes“ stellen wir euch die Geheimtipps des Gebrauchtmarkts vor, die einen maximalen „Bang for the buck“ liefern.
Esh Sovereign
Mitte der 1980er tat sich Peter Sonntag, Bassist extraordinaire, mit seinen Schülern Andreas Hövelmann und Dieter Erhard in Aachen zusammen, um ihre Vision des perfekten Basses zu kreieren.
Mit Hilfe des großartigen Christof Kost, der die Holzarbeiten machte, und dem nicht minder findigen Andreas „Posti“ Postler, der für die Elektronik verantwortlich zeichnete, wurde unter dem Markennamen Esh als erstes Modell der Genuine vorgestellt, der auf der Messe 1988 direkt großen Anklang fand. Die Firma wuchs schnell und wurde bald zu groß – vor allem für Peter Sonntag, dem nicht genug Zeit für all seine Aktivitäten blieb. So wurde die Firma Mitte der 90er verkauft.
Lange ging alles gut, man wuchs, blühte und gedieh. Jetzt von Trier aus brachte man bewährte ebenso wie neue Modelle unters Volk, wie zum Beispiel den Stinger, der seinen Weg in die nicht eben kleinen Hände von Peter Steele von Type O Negative fand. Wiederum zehn Jahre später war Esh richtig groß geworden, nicht nur in Deutschland, sondern international und gerade auch in den Staaten – oder doch zu groß?
DAS ENDE VOM ANFANG
In Bassforen wurden zweifelhafte Qualität und ausbleibende Nachbesserung genauso diskutiert wie angezahlte, aber nicht ausgelieferte Instrumente … 2004 fand dann plötzlich ein radikaler eBay-Ausverkauf statt, von dem selbst der Maschinenpark nicht verschont blieb … Auf der Messe 2008 tauchte Esh mit einem reich bestückten Stand aus der Versenkung wieder auf.
Der rührige Ralf Scholl hatte den Markennamen erworben – und alle Hände voll zu tun, nicht nur mit Interessent:innen über die neuen Bässe zu reden, sondern auch diversen arg angefressenen Zulieferern und Bassist:innen zu erklären, dass er mit den kriminellen Machenschaften seines Vorgängers wirklich nichts zu tun hatte … Nach diesem Intermezzo in Bayern gingen Name und Fertigung zu guter Letzt vor zehn Jahren über auf NBE in der Tschechischen Republik, die sich bereits mit den Euro-Spector-Bässen einen exzellenten Ruf erarbeitet hatten.
DETAILVERLIEBT
Der Sovereign war nach den Modellen Genuine, Honest, und Serious ein traditionellerer Entwurf. Der Schraubhals-Bass auf Basis des Genuine ist bis heute im Programm. Der hier vorgestellte ist Baujahr 1992. Gotoh-Tuner, die komplexe Brücke des gleichen Herstellers, und Bartolini-Pickups gehörten damals zum guten Ton. Der langgestreckte Eschenkorpus sorgt für nicht eben leichtes Gewicht, aber auch allerbeste Balance beim Spielen. Der fünfstreifige Hals mit dem charakteristischen Griffbrettende erweist sich als typisches Kind der späten 80er/ frühen 90er: flach! Flacher! Am flachsten! Dagegen fühlt sich ein Preci an, als hätte man einen ganzen Baumstamm in der Hand …
Damit das nicht zu Unbill an der großen Kopfplatte führt, ist der Übergang mit einer kräftigen Volute verstärkt. Trotz der eigentlich robusten Halskonstruktion muss ich den Halsstab hier öfter bemühen als bei anderen Bässen. Angeschraubt ist der Hals mit dem Ultra-Contact-Bolt-On-System, das bewusst schief eingesetzte Schrauben für eine ultra-feste Verbindung nutzt, was mit einer großflächigen Abdeckung kaschiert wird.
Herzstück der Esh-Bässe ist die Esh-tronic, die für meinen Geschmack nur bei den alten Modellen so richtig funktioniert, da die neuen auf aktive EMGs setzen, die einige Schaltmöglichkeiten nicht zulassen. Neben den regulären Reglern für Volume und passiven Ton gibt es nämlich zwei Drehschalter mit je vier Positionen. Der eine schaltet die Pickups parallel, Brücke plus Mittenboost, Pickups seriell, und Brücke solo, der andere den Betriebsmodus passiv, passiv mit Piezo, aktiv mit Piezo und den Studiomodus, der Volume und Ton komplett aus dem Signalweg nimmt. Letzteres gibt den passiven Bartolinis einen schönen Frischekick, der nicht die dicke Wolldecke, aber doch den dünnen Vorhang wegzieht.
Noch expliziter werden die Höhen mit dem Piezo. Beim vorliegenden Modell sind das zwei Elemente unter der Brücke, die mit einem Trimpoti auf der Platine in der Lautstärke geregelt werden können und sehr schön mit den eher mittigen Magnet-Pickups harmonieren. Die Esh-tronic schwächelt bei den älteren Modellen gerne mal, und so wunderte es mich nicht, dass der Piezo keinen Piep von sich gab. Ein Blick unter die Brücke zeigte, dass beide Elemente einfach zu tief in den Fräsungen lagen. Piezos brauchen aber Druck um zu funktionieren … Ausfüttern der Fräsungen mit Furnier reichte dann schon, um ein sauberes und gleichmäßiges Signal zu entlocken.
PREISE
Preislich geht es oft schon bei 500 Euro los, meist ist das dann ein späterer Various oder der einfachere, aber gute Hero, bei dem man dann neben den beschriebenen Problemen auch auf die Passgenauigkeit (z. B. Halstasche) achten sollte, und allgemein auf gute Bespielbarkeit. Die besseren Modelle sind zwar meist teurer, aber im Verhältnis zum Gebotenen immer noch sehr günstig.
(erschienen in Gitarre & Bass 07/2022)