Die Perlen des Gebrauchtmarkts

Kleinanzeigen Heroes: Epiphone Thunderbird Classic Pro

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Günstige Arbeitstiere, unterschätzte Underdogs, übersehene Youngtimer und vergessene Exoten: In den „Kleinanzeigen Heroes“ stellen wir euch die Geheimtipps des Gebrauchtmarkts vor, die einen maximalen „Bang for the buck“ liefern.

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(Bild: Epiphone)

Epiphone Thunderbird Classic Pro

Der Thunderbird Bass ist eine echte Ikone. Diese Tatsache ist nicht einmal der im Bassbereich in Bezug auf die eigene Historie nicht immer glücklich agierenden Firma Gibson verborgen geblieben.

Ende der 80er, nach knapp zehn Jahren Pause, legte Gibson eine modernisierte Version des Thunderbirds auf, die bei allen Abweichungen zum Original sofort dankbar aufgenommen wurde. Wer das nötige Kleingeld nicht parat hatte und auf eine hauseigene Kopie unter dem Epiphone-Label wartete, das Gibson seit den 70ern für Fernost-Ware nutzte, musste sich noch weiter gedulden. Wiederum knapp zehn Jahre später war es dann schon soweit! In typischer Gibson-Manier wurde schon vorher ein Thunderbird angeboten, aber das war der durchaus coole, aber doch weniger ikonische Non-Reverse Bird, der zudem noch mit einer PJ-Pickup-Bestückung daherkam.

Mit ein wenig Abstand sieht der erste Reverse Bird von Epiphone dagegen dem Original sehr ähnlich. Das ändert sich, je näher man dem Gerät kommt. Andere Hölzer, ein geschraubter Hals mit deutlich breiterem Griffbrett, eigene Tonabnehmer, und im Resultat wenig überraschend anderes Handling und ein anderer Sound. Verkauft wurde er trotzdem viel – es gab ja nichts anderes aus dem Gibson-Stall.

Praktisch alles richtig machte Gibson kurz darauf mit dem Elitist-Thunderbird aus japanischer Fertigung. Der kam dem echten viel näher, ist aber selten und wird heutzutage so teuer gehandelt wie die US-Birds. Einen durchgehenden Hals bekam die Pro-Serie, die ab 2009 parallel zum Bolt-on verkauft wurde. Das war dann aber auch die einzige Annäherung ans Thema. Neben anderen Hölzern und Finishes unterschied sich diese Reihe vor allem durch die aktive Auslegung mit 2-Band-EQ deutlich vom Vorbild.

2013 war es dann endlich soweit, diesmal stimmte das Paket. Unter dem Namen Classic Pro kam der neue Donnervogel aus indonesischer Fertigung in weiß oder klassischem Vintage Sunburst. Der mehrstreifig durchgehende Hals aus Mahagoni und Walnuss hat das korrekte schmale Maß am Sattel. Klassisches Mahagoni kommt auch für die Seitenteile zum Einsatz, das Griffbrett ist aus Palisander. Der eigentliche Clou am Classic Pro sind aber die Tonabnehmer. Hier werkeln nämlich echte Gibson TB Plus Humbucker, ganz wie im US-Vorbild. Vielleicht hat Gibson sich an G&L orientiert, die ihren Tribute-Bässen ebenfalls die Abnehmer der US-Bässe einpflanzte.

BIRD IS THE WORD

So oder so, das Ergebnis überzeugt: Endlich ein erschwinglicher Thunderbird, der dem 1987 eingeführten Gibson Thunderbird IV in seiner modernen Auslegung liebevoll nahekommt. Das gilt natürlich auch für das Verhalten am Gurt. Die Kopfplatte zieht gen Erdboden, aber in einem beherrschbaren Maß, wenn man keinen zu glatten Gurt nimmt. Dabei hilft das Gewicht von etwa 4 kg, das die Baureihe recht konsistent eingehalten hat, und schlimmstenfalls kann man die gekapselten Mechaniken problemlos gegen leichte Gotoh oder Hipshot tauschen. Gegen das Rollen auf der Mittelachse hilft allerdings nur, den Bass festzuhalten oder mit dem rechten Arm zu fixieren. Dafür wird man mit erstaunlich leichter Bespielbarkeit belohnt.

Der Ton am Amp reißt eh alles raus: wie gewohnt sind Bässe und Mitten mächtig, wenn nicht gar übermächtig. Die durchaus vorhandenen Höhen, die Bass und Pickups liefern, müssen mit beherztem EQ-Einsatz nach vorne geholt werden. Andererseits kann man aber auch genau diesen Ton ohne Höhen-Boost nutzen, der ein perfekter Partner für Zerren aller Art ist. Jegliches Ätzen oder Nerven im Treble-Bereich bleibt außen vor, während das Fundament schiebt. Und schiebt. Und schiebt! Möchte man explizitere Brillanzen ohne am Amp zu schrauben, bieten sich zum Beispiel die EMG-TB-Pickups an, die schon in der passiven Variante den Ton weit öffnen. Reine Geschmackssache.

PREISE

Gemessen an dem, was da geboten wird, war der Classic Pro T-Bird damals erschreckend günstig, knapp 400 Euro waren an der Kasse fällig. Der aktuelle Gebrauchtpreis liegt so um die 350 Euro, was absolut fair ist. Immerhin liegt das Quasi-Nachfolgemodell bei über 600 Euro. Mit diesem Vintage Pro hat Gibson/Epiphone ebenfalls einen großen Wurf gelandet, diesmal orientiert am 60er-Jahre Bird. Wer aber auf den nicht nur im Spät-80er Hardrock und Metal fast omnipräsenten modernen Thunderbird steht, macht mit dem Classic Pro für kleines Geld alles richtig.

Großartige Schwachstellen leistet er sich dabei nicht. Während zum Beispiel beim Epiphone Jack Casady aufgrund des Abstands zur Decke die Brückenbolzen gerne mal aus selbiger rauskommen, ist das beim flacher gebauten Bird kein Problem. Vollständig sollte er schon sein, bei besagter Brücke liegen die Reiter nur lose in der Grundplatte und kommen unaufmerksamen Zeitgenossen beim Saitenwechsel schon mal abhanden. Ansonsten muss man nur darauf achten, den richtigen Pro zu kaufen. Da hat sich Epiphone mit der Namensgebung nicht den größten Gefallen getan – aber Fotos geben ja schnell Aufschluss, mit welchem man es da zu tun hat.


(erschienen in Gitarre & Bass 01/2022)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ein schöner vollständiger Bericht von Herrn Sweers!
    Der Bird Classic IV pro ist ein schöner Bass und lässt sich angenehm spielen. Ich habe ihn 2020 erworben.

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