Die Perlen des Gebrauchtmarkts

Kleinanzeigen Heroes: Collins Roadmaster Deluxe LP-99

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Günstige Arbeitstiere, unterschätzte Underdogs, übersehene Youngtimer und vergessene Exoten: In den „Kleinanzeigen Heroes“ stellen wir euch die Geheimtipps des Gebrauchtmarkts vor, die einen maximalen „Bang for the buck“ liefern.

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Collins LP-99 Black (Bild: Heinz Rebellius)

Collins Roadmaster Deluxe LP-99

Das, was Harley Benton für Thomann und Fame für den Music Store Köln ist, das ist Collins für Musik Produktiv – eine sogenannte Hausmarke.

Hausmarken haben eine lange Geschichte, und in der Regel ist das Ansinnen der Musikläden mit eigenen Marken immer dasselbe: Man lässt sich von einem Hersteller seiner Wahl Equipment bauen und mit dem Markennamen seiner Wahl versehen. Dies funktioniert am besten mit Herstellern, die günstig produzieren, denn Instrumente einer Hausmarke sind fast immer günstiger als vergleichbare Produkte anderer Hersteller.

Ab den 1970er-Jahren wurden in erster Linie Hersteller aus Fernost wegen ihrer günstigen Preise mit Aufträgen zu Hausmarken betraut. Dabei lassen sich Händler vorwiegend Kopien bekannter amerikanischer Modelle – also Les Paul, Strat, Tele, ES-335 – bauen, um sie unter der eigenen Flagge anzubieten. Die oft sehr ünstigen Preise ergeben sich daraus, dass in der Kalkulation die Marge wegfällt, die sonst ein Zwischenhändler (z. B. ein Vertrieb) beansprucht. Insofern ergibt eine Hausmarke durchaus Sinn, vorausgesetzt, der Händler hat eine große Reichweite, um seine Marke publik zu machen. Musik Produktiv hat, wie andere große Läden auch, dank Internet eine immense Reichweite, sodass die Marke Collins eine durchaus bekannte Größe war. Das Preis-Leistungs-Verhältnis der Collins-Instrumente wird vor allem dann spektakulär gut, wenn einem solche Instrumente auf dem Gebrauchtmarkt über den Weg laufen.

2004 brachte Musik Produktiv die Collins LP-99 auf den Markt, mit Riegelahorndecke und in den klassischen Farben Honey Burst, Cherry Sunburst und Black. Die LP-99 war Teil einer kompletten Serie, zu der u. a. auch die LP-90 und SG-90 (wie Gibson LP/SG Studio) und die Blues Master (ES-335-Kopie) gehörten. Zwei dieser LP-99 sind mir neulich zugelaufen; beide von 2004, die eine in Cherry Sunburst, die andere in Black. Und – wichtig – beide kommen aus einem Werk in Korea, in dem u. a. auch Washburn und Epiphone gebaut wurde.

Collins LP-99 Cherry Sunburst – original mit schwarzen Pickup-Rahmen und Pickguard. (Bild: Heinz Rebellius)

PAULA CALLING

Und beide LP-99 sind astreine Les-Paul Kopien, die zwar auf den ersten Blick wie 1:1-Gibson-Kopien aussehen, aber sich mit einer Body-Stärke von nur 4,5 cm von der dickeren Gibson Les Paul unterscheiden. Trotzdem bewegt sich das Gewicht beider Collins mit 3,8 bzw. 4,1 kg nicht wirklich außerhalb der gewohnten Größen. Die transparente Cherry-Sunburst Lackierung der einen LP-99 offenbart, dass sowohl der Mahagoni-Body wie auch die Decke zweiteilig sind. Hardware und Pickups stammen aus den oberen Regalen koreanischer Hersteller, funktionieren gut und klingen einwandfrei. Auch ein Blick ins Elektronikfach hinterlässt zustimmendes Kopfnicken – die verwendeten Potis großer Bauformen stammen von Alpha, und das ist ebenfalls kein billiges Zeug.

Der Produkt-Manager von Musik Produktiv schien sich damals von der gewohnten Gibson-Optik absetzen zu wollen, denn denn beide Les Pauls kamen mit schwarzem Pickguard und schwarzen Pickup-Rahmen. Was bei einer Cherry-SunburstLes-Paul-Kopie schon ungewohnt aussieht, wirkt bei einer schwarzen Les Paul erst recht merkwürdig. Der Rest ist jedoch Wohlfühlen – klassische PaulaSounds auf beiden Pickups und eine super Spielbarkeit, weil die Verarbeitung von Sattel und Bünden einfach gut ist. Beide LP-99 bieten somit auch eine sehr gute Basis, um über sinnvolle Modifikationen nachzudenken. Wie z. B. die Cherry-Burst, die mit Epiphone-Pickups, -Steg und neuen Kluson-Mechaniken nachgerüstet wurde, während die schwarze komplett im Originalzustand ist. Im direkten Vergleich egeben hier nur die neuen Mechaniken wirklich Sinn, der Rest der Mods stellt die Cherry-Burst nicht über die schwarze LP-99.

(Bild: Heinz Rebellius)

PREISE

Die Collins LP-99 wird, wie auch die SG-Schwester SG-90, gebraucht zwischen 200 und 300 Euro angeboten. Dafür sind diese Instrumente absolute Schnäppchen und ein richtiger Geheimtipp. Bei Kaufinteresse sollte man neben dem allgemeinen Zustand darauf achten, dass die Gitarren noch in Korea gebaut wurden. Denn die ab 2005/06 eingeführten Instrumente aus einer chinesischen Produktion waren zwar noch günstiger, konnten den koreanischen jedoch nicht das Wasser reichen. Übrigens: Wer heute bei Musik Produktiv nach „Collins“ sucht, findet nur noch Blockflöten, Signalhörner und Klavierbänke. Eine kleine Hausmarken-Ära ist also sangund klanglos zu Ende gegangen. Pflegen wir ihr bescheidenes Erbe!

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2023)

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